Über Kunst zu Zeiten des Krieges
Auch wenn Bomben flogen oder Schlachten geschlagen wurden, haben Künstler ihre Eindrücke auf der Leinwand umgesetzt. Aber konnten sie ihren Erlebnissen gerecht werden? Ja, sagt der Publizist und Maler Sebastian Hennig, denn Gemälde zeigen im Grauen noch das Schöne und spenden damit Hoffnung.
"Menschenschlachthaus" nannten das Von-der-Heydt-Museum in Wuppertal und das Musée des Beaux-Arts in Reims letztes Jahr eine gemeinsame Ausstellung. Der Kurator hatte sich die Frage gestellt, wie bildende Künstler, wie die Deutschen Max Beckmann, Otto Dix und George Grosz und wie die Franzosen Pierre Bonnard, Maurice Denis und Georges Rouault den Ersten Weltkrieg verarbeitet haben.
Und als er vor den ausgewählten Kunstwerken stand, kam er zu dem Ergebnis, sie hätten sich zwar bemüht, aber den ganzen Schrecken im Bild festzuhalten, sei ihnen nicht gelungen. Ein Kritiker schrieb sogar, die Kunst kapituliere vor dem Krieg, ja sie verharmlose das Grauen.
Verharmlost die Kunst den Krieg?
Diese Argumentation verkennt möglicherweise völlig die Beweggründe der Künstler. Denn diese lassen sich nicht wie Berichterstatter darauf festlegen, eine bestimmte Haltung, möglichst eine kritische Distanz zum dargestellten Objekt einzunehmen. Es ist nicht ihre Aufgabe, ein Geschehen zu analysieren, Brüche und Verwerfungen gesellschaftlicher Realität darzustellen. Ihre Arbeit besteht vielmehr darin, dem Aufprall der Tatsachen in der Gestaltung standzuhalten.
Selbst wenn die Welt aus den Fugen geriete, müsste der Künstler nicht die Leinwand ausdrucksstark zerreißen, die Pinsel zerbrechen und die Staffelei umwerfen. Die Kunst kann den Betrachter wohl erschrecken oder warnen. Sie muss es aber nicht unentwegt tun. Mit gleichem Recht darf sie ihn der belastenden Wirklichkeit entrücken.
Wer es nicht selbst erlebt hat, kennt es von Fotos her, Katastrophen schaffen wunderschöne Bilder, einzigartige Eindrücke, entrückte Momente. Das scheinbar Irreale wirkt tief in die Realität hinein, spendet auch Trost, führt zur Einkehr und hilft Unerträgliches zu tragen. Doch anders als das persönlich Erlebte ist ein Gemälde immer irreal. Es wirkt aus sich heraus, und es wirkt auf jedermann anders, und je länger man schaut, umso eindringlicher.
Die Lust am Schrecken
Wie das geht, zeigte "Apocalypse Now!". Im Museum Pfalzgalerie Kaiserlautern wurden Visionen von Schrecken und Hoffnung nebeneinander gehängt, vom Mittelalter bis heute. Oder auch eine andere Ausstellung der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste in Wien, die sich der Lust am Schrecken, den Ausdrucksformen des Grauens widmete.
Der Wiener Kurator stimmte die Besucher von Anfang an darauf ein, dass sie gleichermaßen entsetzt wie fasziniert sein würden, denn die 70 Exponate stellten zwar furchtbare Geschichten dar, seien aber ebenso auf Schönheit angelegt.
Verharmlost die Kunst das Grauen? Nicht unbedingt! Treibt sie wirkungsvoll ihr Spiel mit dem Entsetzen? Mag sein! Schärft sie den Blick? Ja, das sollte sie tun! Nur übernimmt der Maler nicht die Aufgaben des Psychologen oder Soziologen. Mit eigener Handschrift macht er eine persönliche Aussage.
Ich schätze an der Kunst das Schöne, die Harmonie, die sie ausdrückt. Und Schönheit meint auch Strenge, Harmonie auch gebundene Dissonanz. Es ist damit nicht das Hübsche, Glatte, Gleichmäßige gemeint, nicht die Verleugnung des Wirkens der Realität, sondern ihre Verwandlung in ein Werk der Kunst. Die Gestaltung selbst ist ein Hinweis auf den Ausweg, ein Hoffnungsschimmer. Ich will berührt sein und nicht ständig belehrt werden.
Sebastian Hennig, 1972 in Leipzig geboren, studierte er Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Neben der freiberuflichen Tätigkeit als bildender Künstler publiziert er in Zeitungen und Zeitschriften, vorzugsweise in "Tumult - Vierteljahreszeitschrift für Konsensstörung", ist in der Förderung des künstlerischen Nachwuchses aktiv und betreibt einen bibliophilen Kleinverlag.