"Mali ist meine Basis"

Von Bettina Ritter |
Rokia Traoré aus Mali gilt als eine der neuen Stimmen Westafrikas. Die Sängerin steht nun in Berlin auf der Bühne – in dem Stück "Desdemona" des Regie-Stars Peter Sellars mit Texten der Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison.
Musik:
"Kanou – das ist der menschliche Zauber, der Toleranz lehrt
Kanou – das ist eine sinnliche Leidenschaft, die blendet
Kanou – das ist die mütterliche Zuneigung, die Hingabe hervorbringt
Was für ein Rätsel ist die Liebe"


Die Texte von Rokia Traoré sind poetisch. Sie handeln von Freundschaft, Beziehungen, Frauen und Männern und immer wieder von ihrer afrikanischen Heimat Mali.

"Mali ist meine Basis, der Ort, an dem ich mich wohl fühle. Der Ort, an den ich zurückkehren möchte, wenn es mir schlecht geht und auch, wenn es mir gut geht. Mali gibt mir die Möglichkeit, mehr von ganz Afrika zu verstehen."

Ruhig und ernsthaft spricht Rokia Traoré, wenn sie über Afrika redet. Jedem ihrer Worte verleiht die kleine, zierliche Frau mit den kurzgeschorenen Haaren Gewicht. Ein Gewicht, das aus ihrer Überzeugung kommt, dass sie eine Aufgabe zu erfüllen hat für ihr Land.

"Was auch immer ich arbeite, ich mache es nie, ohne an Afrika und an meine Verantwortung gegenüber der Welt zu denken. Die Frage ist nicht, was arbeitest du, sondern wer bist du. Für mich ist es wichtig, zu zeigen, dass ich meine Musik mit meiner Persönlichkeit mache und meiner Überzeugung folge, genauso ernsthaft, als wäre ich Anwältin."

Oh Mali
Oh Menschen aus Mali
Auch wenn ich weit weg von euch bin, sind eure Werte bei mir
Respekt im Elend
Würde in der Not
Großzügigkeit und gute Laune
Wer wagt es zu sagen, Mali hätte nichts anzubieten?


Rokia Traoré hatte Glück. Sie wurde in eine privilegierte Familie hineingeboren. 1974 kam sie als viertes von sieben Kindern eines Diplomaten zur Welt. Alle drei, vier Jahre zog die Familie um, lebte in Saudi-Arabien, Algerien und Brüssel. Eine Zeit, in der die heute 37-Jährige gelernt hat, wie vielfältig und unterschiedlich Kulturen und Menschen sind und dass man offen dafür sein sollte.

Traoré: "”Diese Welt würde keinen Sinn machen ohne diese Vielfalt. Es ist erstaunlich, dass wir das nicht verstehen. Andererseits brauchen wir vielleicht auch Menschen, die das nicht verstehen, die darauf beharren, dass beispielsweise Weiß die beste Rasse ist oder Schwarz oder dass eine Kultur besser ist als eine andere. Vielleicht werden Unterschiede so bewahrt. Trotzdem sollten wir alle die Möglichkeit haben, uns in unserer Andersartigkeit und Vielfalt wohl zu fühlen.""

Vielfältig ist auch die musikalische Arbeit von Rokia Traoré. Sie bezeichnet sich selbst nicht als traditionelle afrikanische Musikerin, auch wenn sie teilweise traditionelle Instrumente benutzt und meist in ihrer Landessprache Bambara singt.

Regelmäßig geht Rokia Traoré auf Tour, dann wohnt ihr fünfjähriger Sohn Adam bei seinem Vater in Paris, wo die Musikerin eine zweite Wohnung hat. Überwiegend lebt sie in der Nähe von Bamako, der Hauptstadt Malis. Hier soll auch der Sitz ihrer Stiftung entstehen. Der Name: "Passarelle", die Brücke. Mit ihr will die Sängerin junge Künstler bei ihren ersten Schritten im Musik-Business unterstützen.

Traoré: "”Das ist nicht nur ein Projekt, um jungen Musikern zu helfen. Für mich ist es auch eine Möglichkeit, meinem Land zu helfen, und zwar durch meine Arbeit, durch das, was ich am besten kann. Ich helfe durch Bildung. Denn das ist der Schlüssel zu jeder Form von Entwicklung und das ist es, was wir in Afrika brauchen.""

Ich existiere zwischen dem Jetzt
Zwischen dem Getötet werden und dem Tot sein
Zwischen dem Leben auf der Erde und dem Leben danach
Zwischen der Ewigkeit, die keinen Anfang hat und kein Ende.


In 13 Jahren hat Rokia Traoré nur vier Alben veröffentlicht. Es blieb also Zeit für andere musikalische Projekte. Zum Beispiel "Desdemona", ein intimes Gespräch zwischen der Shakespearschen Figur und ihrer afrikanischen Amme, dargestellt von Traoré. Nach dem Tod tauschen sich die beiden Frauen in Geschichten und Liedern über ihre Hoffnungen für eine alternative Zukunft aus. Hierfür arbeitete die Sängerin mit den Bühnen- und Literatur-Schwergewichten Peter Sellars und Toni Morrison zusammen. Rokia Traoré selbst aber bleibt bescheiden.

Traoré: "” Ich bin zu jung, um über mich selbst zu reden. In meiner Kultur denkt man, wenn man über sich selbst reden muss, dann ist man in einer sehr traurigen Situation.""