Malin Gewinner: Die Anthropomorpha - Tiere im Krieg
Matthes & Seitz Berlin
153 Seiten, 30 Euro
Wenn Tiere in den Krieg ziehen
Fallschirmspringende Hunde, Tauben mit Fotoapparaten, ferngesteuerte Haie: Das Buch "Anthropomorpha" von Malin Gewinner zeigt Tiere, die von Menschen zu Kriegsteilnehmern gemacht werden. Das Lexikon beinhaltet auch zahlreichen kuriose - und oft grausame - Anekdoten.
"My kingdom for a horse!" Als Shakespeares König Richard III. in der Schlacht bei Bosworth sein Pferd eingebüßt hat, begreift er, dass es um seine Herrschaft geschehen ist. Ohne Reittier kann er diesen Kampf nicht gewinnen.
Tatsächlich waren Tiere in Kriegszeiten unabdingbare Begleiter des Menschen. Seit der Jungsteinzeit wurden sie immer wieder zum Wehrdienst herangezogen, Pferde nahmen dabei stets eine Sonderrolle ein. Noch im Ersten Weltkrieg ritten viele Adlige hoch zu Ross in die Schlacht, und selbst im Zweiten Weltkrieg mussten an die neun Millionen Pferde ihr Leben lassen.
Tatsächlich waren Tiere in Kriegszeiten unabdingbare Begleiter des Menschen. Seit der Jungsteinzeit wurden sie immer wieder zum Wehrdienst herangezogen, Pferde nahmen dabei stets eine Sonderrolle ein. Noch im Ersten Weltkrieg ritten viele Adlige hoch zu Ross in die Schlacht, und selbst im Zweiten Weltkrieg mussten an die neun Millionen Pferde ihr Leben lassen.
Daneben trabten, flatterten und krochen etliche weitere Tierarten über die Schlachtfelder. Malin Gewinner versammelt 32 davon in Texten und zahlreichen Abbildungen: vom Kriegselefanten über die Fledermaus-Bombe bis zur Weinbergschnecke, die mit ihrer Schleimproduktion vor Senfgas warnt.
Die Fotografien und die grafische Gestaltung gehören zu den Stärken des Buchs. Die Autorin studierte Visuelle Kommunikation. Daneben fasziniert der enzyklopädische Teil durch eine Fülle von kuriosen (und häufig grausamen) Anekdoten: Wer hätte gewusst, dass die Römer Bienenkörbe hinter die feindliche Linien schossen, damit die zerstochenen Feinde nicht mehr in ihre Rüstungen passten? Dass in der Antike Schweine angezündet und in Richtung des Gegners getrieben wurden, um dessen Kriegselefanten zu erschrecken? Dass Elefantentreiber für solche Fälle stets Hammer und Meißel bei sich trugen, um ihr wildgewordenes Reittier außer Gefecht zu setzen?
Die Fotografien und die grafische Gestaltung gehören zu den Stärken des Buchs. Die Autorin studierte Visuelle Kommunikation. Daneben fasziniert der enzyklopädische Teil durch eine Fülle von kuriosen (und häufig grausamen) Anekdoten: Wer hätte gewusst, dass die Römer Bienenkörbe hinter die feindliche Linien schossen, damit die zerstochenen Feinde nicht mehr in ihre Rüstungen passten? Dass in der Antike Schweine angezündet und in Richtung des Gegners getrieben wurden, um dessen Kriegselefanten zu erschrecken? Dass Elefantentreiber für solche Fälle stets Hammer und Meißel bei sich trugen, um ihr wildgewordenes Reittier außer Gefecht zu setzen?
Kriegstiere als Phänomene einer überholten Epoche?
Weitaus weniger überzeugend ist der Theorieteil des Buchs. Die Autorin plädiert darin für ein neues Verhältnis zwischen Menschen und Tieren, in dem Letztere als dem homo sapiens an Vernunft und Verstand prinzipiell ebenbürtige Wesen anerkannt und entsprechend nicht mehr als Nutztiere missbraucht werden. Den Schlüssel hierzu meint Gewinner in der Figur des Kriegstiers gefunden zu haben: Dieses sei von seinen Haltern oft als "Kamerad" begriffen, mit Orden dekoriert, mit Gasmasken und Tarnanzügen geschützt, also anthropomorphisiert worden. Umgekehrt zeige der Mensch im Krieg seine animalische Natur; es finde also eine Auflösung der Artgrenzen statt.
So löblich das Ziel, so argumentativ holprig ist der Weg dorthin. Werden uns Tiere wirklich ähnlicher, nur weil sie Kleidung tragen? Würde der Mensch, wenn er seine Menschlichkeit aufgibt, andere Wesen tatsächlich ‚humaner’ behandeln? Welchen Preis hätte eine solche "Theriomorphose"? Vor allem aber: Ist nicht auch eine Tierethik denkbar, die gerade auf spezifisch menschlichen Fähigkeiten wie Intersubjektivität und Mitleid beruht?
So löblich das Ziel, so argumentativ holprig ist der Weg dorthin. Werden uns Tiere wirklich ähnlicher, nur weil sie Kleidung tragen? Würde der Mensch, wenn er seine Menschlichkeit aufgibt, andere Wesen tatsächlich ‚humaner’ behandeln? Welchen Preis hätte eine solche "Theriomorphose"? Vor allem aber: Ist nicht auch eine Tierethik denkbar, die gerade auf spezifisch menschlichen Fähigkeiten wie Intersubjektivität und Mitleid beruht?
Auch drängen sich bei der Lektüre Zweifel auf, ob es sich beim Phänomen der Kriegstiere nicht um eine überholte Epoche der Militärgeschichte handelt. Zwar verfügt die Bundeswehr immer noch über Schäferhunde und Maultiere; dennoch werden künftige Auseinandersetzungen wohl eher durch den Einsatz von Hightech geprägt sein. Richard III. müsste dann eher ausrufen: "My kingdom for a drone!"