Malte Spitz: "Daten – das Öl des 21. Jahrhunderts? Nachhaltigkeit im digitalen Zeitalter", Hoffman und Campe, Hamburg 2017, 240 Seiten, 16 Euro
Über die vernetzte Gesellschaft
Lässt sich die Bedeutung digitaler Daten mit der des Rohstoffs Öl vergleichen? Das fragt der Grünen-Politiker Malte Spitz in seinem Buch "Daten". Rund 70 Künstler, Wissenschaftler und Politiker hat er dazu interviewt. Leider bleibt es meist bei Allgemeinplätzen.
"Daten sind das neue Öl." Diese populäre Aussage wird selten hinterfragt. Zu offensichtlich ist, dass Daten in der digitalen Ökonomie längst eine Schlüsselrolle spielen und die großen Digitalunternehmen zu den reichsten der Welt gehören. Jetzt fragt der Grünen-Politiker Malte Spitz: Stimmt der Vergleich mit dem Öl wirklich? Und wenn ja, was könnte man für die Digitalisierung aus dem zurückliegenden Ölboom lernen? Rund 70 Künstler, Wissenschaftler und Politiker hat der Digital-Experte dazu interviewt. Er ist dafür quer durch die USA gereist, hat in Berlin, Potsdam und Kassel Forscher vor Ort besucht, um sich so ein Bild von den Produktionsstätten zu machen.
Öl brachte Mobilität, digitale Daten die vernetzte Gesellschaft
Das Ergebnis seiner immensen Recherche überzeugt aber kaum. Denn schon die Fragestellung, was Öl und Daten gemeinsam haben, erweist sich als wenig ergiebig. Kann man etwa die "Bergung" der Rohstoffe miteinander vergleichen? In Norden, Ostfriesland, wo sekündlich Terrabits an Daten aus Übersee auflaufen und in Wilhelmshaven, wo jährlich 20 Millionen Tonnen Rohöl gelöscht werden, findet er so banale Antworten wie: "Die Infrastruktur ist wichtig" oder "Öl fließt langsamer als Daten." Manchmal entdeckt Malte Spitz aber auch Gemeinsamkeiten. Etwa wenn er schildert, wie beide Rohstoffe mit ihren Freiheitsversprechen den Alltag besetzten. Mit dem Öl sei die Mobilität gekommen, mit digitalen Daten die vernetzte Gesellschaft. Und auch die Machtfülle hätten Internet- und Ölkonzerne gemeinsam. Damals wie heute sei Regulierung vonnöten.
Digitale Daten dringen stärker in die Privatsphäre ein
So allgemein und richtig diese Feststellungen sind, so wenig führen sie Malte Spitz zu konkreten Antworten darauf, wie die Digitalisierung denn nun nachhaltig gestaltet werden kann. Digitale Daten sind globaler, sie dringen stärker in die Privatsphäre ein, berühren wegen ihrer starken Konzentration in den Händen weniger den Kern der Demokratie und schließlich produziert sie auch noch jeder Einzelne selbst. Hier hilft der Rückgriff aufs Öl nicht weiter – und leider bohrt Malte Spitz auch nicht tiefer. Er reißt nur etliche Herausforderungen an: Datenschutz, digitale Bildung, Überwachung. Neues fügt er der Debatte darüber hinaus aber nicht hinzu. Stattdessen Allgemeinplätze. Programmieren müsse zu einem Projekt lebenslangen Lernens werden. Die Digitalisierung dürfe nicht zur Zwangsveranstaltung werden, der Umgang mit dem Digitalen müsse bewusster werden. Viel zu wenig sei bisher erforscht. Was aber stellt er sich konkret vor?
Genau solche Antworten hätte man sich von Malte Spitz gewünscht. Immerhin hat er vor einigen Jahren schon mal für Aufsehen gesorgt. Damals veröffentlichte er die Kommunikationsdaten, die die Telekom über ihn gespeichert hatte und zeigte so, wie man mittels dieser Daten all seine Bewegungen nachvollziehen konnte. Und vergangenes Jahr hat der Grünen-Politiker gemeinsam mit anderen eine Charta der Digitalen Grundrechte entworfen, um die Diskussion über die Digitalisierung voranzubringen. Vor diesem Hintergrund enttäuscht sein Buch umso mehr.