Malu Dreyer über AfD

"Zu großen Teilen rechtsradikal"

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) spricht am 11.10.2015 auf dem Perspektivenkongress der SPD in der Coface Arena in Mainz (Rheinland-Pfalz).
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) © picture alliance / dpa / Fredrik Von Erichsen
Malu Dreyer im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat im Deutschlandradio Kultur ihre Entscheidung verteidigt, nicht an einer Wahlkampfdebatte im Fernsehen teilzunehmen, wenn auch ein AfD-Vertreter dabei ist. Sie kritisierte zudem den SWR für die Auswahl der Teilnehmer an der "Elefantenrunde".
"Es ist meine Freiheit als Politikerin, zu entscheiden, in welche Talkshow ich gehe", sagte Dreyer am Freitag im Deutschlandradio Kultur. Die AfD habe sich "stark radikalisiert", betonte die SPD-Politikerin. "Diese Menschen sind zu großen Teilen rechtsradikal und rassistisch."
Der Spitzenkandidat der AfD in Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, habe früher der Partei "Die Freiheit" angehört, die vom bayerischen Verfassungsschutz "ganz klar beurteilt worden ist als rechtsradikal", so die Ministerpräsidentin. "Es gibt für mich deshalb gar keinen Grund, mich in eine Elefantenrunde zu setzen, in der die AfD anwesend ist, obwohl sie nicht Mitglied im Landtag ist."
Dreyer: SWR in der Pflicht, mit Absage von Politikern umzugehen
Eine Erpressung des SWR durch ihre Nicht-Teilnahme sehe sie nicht, so Dreyer weiter. Umgekehrt warf sie dem Sender vor, von der Gepflogenheit abgewichen zu sein, dass nur im jeweiligen Parlament vertretene Parteien zur Elefantenrunde eingeladen würden.
"Der SWR ist frei, seine Runden vorzugeben. Wenn wir als Politiker sagen, wir nehmen nicht daran teil, dann muss der SWR mit dieser Frage umgehen. Er hat einen Vorschlag gemacht, der abweicht von allen Verfahren in der Vergangenheit. Er ist jetzt in der Situation, aber auch in der Pflicht, mit dieser Frage einfach umzugehen."

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Soll man öffentlich im Fernsehen mit der rechtspopulistischen AfD debattieren, muss man das mit einer Partei, deren Mitglieder durchaus auch rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen von sich geben? In Rheinland-Pfalz haben SPD und Grüne verkündet, in einer Fernsehdiskussion im SWR nicht teilzunehmen, wenn die AfD auch kommt. Eine Erpressung, muss man sagen. Daraufhin hat der SWR die AfD von der Live-Diskussion ausgeschlossen, nun hat auch die CDU-Spitzenkandidatin die Debatte abgesagt, es würden also nur noch die in Mainz regierenden Politikerinnen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD dort sitzen. Was ist das? Eine Dauerwerbesendung für die AfD, wie es der einstige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender genannt hat? Malu Dreyer ist die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, und sie ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!
Malu Dreyer: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!
"Die AfD hat sich stark radikalisiert"
Billerbeck: Frau Dreyer, zweistellige Zustimmungsraten für die AfD, so sagen es die Wahlforscher, wenn am Sonntag Wahl wäre. Das ist ja eine absurde Situation – ist das nicht der Moment, die eigenen Standpunkt gegenüber dieser Partei noch mal zu überdenken?
Dreyer: Es ist selbstverständlich, dass wir uns mit den Argumentationen, wenn es Argumente gibt bei der AfD, auseinandersetzen, und das tun wir jeden Tag, täglich im Wahlkampf vor Ort mit vielen Bürgern und Bürgerinnen. Es ist eine ganz andere Frage, ob ich dazu bereit bin, zu einer Talkshow zu gehen, in der die AfD mit anwesend ist, entgegen Gepflogenheiten der Vergangenheit, bei denen in solchen Diskussionsrunden immer nur die Parteien eingeladen wurden, die zu Bundestags- oder Landtagswahlen wirklich auch eingezogen sind ins Parlament. Das ist die AfD nicht, weder im Landtag Rheinland-Pfalz und auch nicht im Bundestag. Meine Haltung ist deshalb sehr, sehr klar. Die AfD hat sich stark radikalisiert, wir hören Worte wie "alle Homosexuelle sollen gezählt werden", "im Notfall muss man auf Flüchtlinge auch schießen, um tatsächlich sie letztendlich auch töten zu können".
Olaf Henkel, der Mitbegründer der Partei, sagt, er hat ein Monster geboren, und Herr Junge, unser Spitzenkandidat hier im Land Rheinland-Pfalz, hat der Partei "Die Freiheit" angehört, die nach dem bayrischen Verfassungsschutz ganz klar beurteilt worden ist als rechtsradikal. Es gibt für mich deshalb gar keinen Grund, mich in eine Elefantenrunde zu setzen, in der die AfD anwesend ist, obwohl sie nicht Mitglied im Landtag ist, und wenn CDU heute sagt oder gestern gesagt hat, sie nimmt an einer Runde mit den im Landtag vertretenen Parteien nicht teil, weil die AfD da nicht drin ist, dann ist das ihre Entscheidung. Der SWR muss damit umgehen.
Keine Erpressung des SWR
Eine Erpressung sehe ich darin nicht – der SWR ist frei, seine Runden vorzugeben. Wenn wir als Politiker sagen, wir nehmen nicht daran teil, dann muss der SWR mit dieser Frage umgehen. Er hat einen Vorschlag gemacht, der abweicht von allen Verfahren in der Vergangenheit, er ist jetzt in der Situation, aber auch in der Pflicht, mit dieser Frage einfach umzugehen.
Billerbeck: Der SWR hat jetzt ganz sicher den schwarzen Peter, aber, Frau Dreyer, noch mal nachgefragt, Sie verweisen darauf, dass da gegen Gepflogenheiten verstoßen worden ist, dass man eben nur die Parteien einlädt, die im Landtag oder im Bundestag sind – das Dumme ist ja nur, dass sich die Verhältnisse irgendwie geändert haben und die Situation so ist, dass, wenn etwa zehn bis, in anderen Ländern sogar 15 Prozent der Wähler diese Partei wählen würden, dann ist die ja eine relevante Kraft, die in der Öffentlichkeit eine Rolle spielt, und mit der muss man sich auseinandersetzen. Das gilt doch auch für Sie.
Dreyer: Ja, natürlich, ich setze mich mit der AfD natürlich auseinander und zwar täglich im Wahlkampf vor Ort, auch mit den Argumenten, mit den Programmen der AfD, das ist für mich selbstverständlich, und der SWR bietet ja auch der AfD ein Format an, in dem es sich präsentieren kann.
Glaubwürdige Politik gegen die AfD machen
Billerbeck: Mit einem aufgezeichneten Interview, was dann in die Live-Sendung eingebracht werden sollte.
Dreyer: Ja, aber ich bitte Sie, Frau von Billerbeck, es ist meine Freiheit als Politikerin zu entscheiden, in welche Talkshow ich gehe, und ich sage deutlich, ich habe eine klare Haltung zur Partei der AfD. Ich sage den Bürgern und Bürgerinnen in Rheinland-Pfalz – und darum werde ich ringen die nächsten Wochen –, dass wir als Landesregierung Politik für alle machen, soziale Politik machen, dass wir auch nicht dafür sind, dass in unser Parlament Menschen einziehen, die rechtsradikale Thesen, rassistische Thesen vertreten, das passt nicht zu unserem Land, das ist auch meine Aufgabe als Regierungschefin, dafür zu werben, das ist selbstverständlich. Durch glaubwürdige Politik, aber das ist kein Grund für mich, dass ich mich in einer Elefantenrunde mit einem AfD-Vertreter auseinandersetze. Das tue ich nicht, das ist eine klare Haltung von mir. Diese Menschen sind zu großen Teilen rechtsradikal und rassistisch. Ich habe auch nicht die Erfahrung gemacht, in Talkshows, beim Zuschauen, dass man mit der AfD wirklich in Talkshowformaten in der Tiefe diskutieren könnte ...
Billerbeck: Das mag sein, aber trotzdem ist es ja, dass Ihre Verweigerung und nun auch die Verweigerung der CDU, wenn auch aus dem Grund, weil die AfD ausgeladen worden ist, möglicherweise genau das erreicht, was Sie nicht erreichen wollen, nämlich Sie stärkt die Vorurteile und das Misstrauen gegen die Politik. Es sind noch 51 Tage bis zu den Landtagswahlen, aber der Wahlkampf hat längst begonnen. Wie wollen Sie denn das Misstrauen zerstreuen, das durch diese Entscheidung ja doch stärker werden könnte?
Dreyer: In der heutigen Umfrage liegt die AfD bei neun Prozent in Rheinland-Pfalz, das ist natürlich auch erschreckend, –
"Absurd", hier von Zensur zu sprechen
Billerbeck: Nicht wenig.
Dreyer: – aber natürlich ist es unsere Aufgabe, im Wahlkampf deutlich zu machen, dass wir die Partei sind, die dafür sorgt, dass die Menschen sich keine Sorgen machen müssen, dass wir sie alle mitnehmen, dass wir soziale, gerechte Politik machen und keiner befürchten muss in Rheinland-Pfalz, dass er absteigt oder dass wir Menschen, die es schwerer haben in der Gesellschaft, vergessen würden. Das ist das Wesen eines Wahlkampfes, das Bürger und Bürgerinnen auch näherzubringen. Ich halte es für absurd, in diesem Zusammenhang wirklich auch über Zensur und ähnliches zu sprechen, wie es die CDU es sagt. Natürlich machen Sender Vorschläge zu Sendungen. Ich nehme das Beispiel Baden-Württemberg: Dort hat der SWR den Vorschlag gemacht, ein Triell zu machen mit den drei Spitzenkandidaten CDU, Grüne, SPD. Dieses Format wurde von der CDU, vom Spitzenkandidaten abgelehnt. Daraufhin hat der SWR einen neuen Vorschlag gemacht. Kein Mensch hat in dieser Frage die Frage Zensur oder Märtyrertum oder sonst was in den Raum gestellt. Ich habe eine klare Haltung ...
Billerbeck: Aber ist es nicht so, Frau Dreyer – wenn ich Sie kurz unterbrechen darf, Sie haben es schon mehrmals gesagt, dass Sie eine klare Haltung haben –, ist es nicht so, dass nicht die CDU und die AfD Ihr Hauptgegner ist, sondern eigentlich der Nichtwähler?
Eine sozial gerechte Politik, die alle Menschen mitnimmt
Dreyer: Der Hauptgegner ist aus meiner Sicht auch nicht – wenn Sie die AfD da reintun – die AfD, sondern kämpfen müssen wir für die Bürger und Bürgerinnen, die im Moment vielleicht noch damit spielen, die AfD zu wählen. Rechtsradikale ...
Billerbeck: Wie wollen Sie das schaffen?
Dreyer: ... erreichen wir, aus meiner Sicht, nicht als SPD, aber wir können die erreichen, die Angst haben, dass die Flüchtlingswelle nicht händelbar ist in unserem Land und dadurch sich angezogen fühlen von den Versprechen der AfD. Die erwarten nichts inhaltlich von der AfD, das sagen alle Studien, aber sie haben im Moment keine politische Heimat gefunden, wo sie den Eindruck haben, dass sie aufgehoben sind, und darum werbe ich, um dies Bürger und Bürgerinnen, weil wir in Rheinland-Pfalz immer wieder zeigen, sehr deutlich zeigen, dass wir eine sozialgerechte Politik machen und Menschen, die es schwerer haben, auch mitgenommen werden bei uns, wie beispielsweise durch gebührenfreie Bildung oder Sozialgerechtigkeitsthemen, und das wird mein Job sein die nächsten Wochen.
Billerbeck: Malu Dreyer war das, die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, begründet, warum sie nicht mit der AfD öffentlich im Fernsehen diskutieren will. Frau Dreyer, ich danke Ihnen für das Interview!
Dreyer: Ich danke Ihnen auch! Schönen Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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