"Mammobile"

Brustkrebs-Früherkennung auf Rädern

Eine Radiologie-Assistentin bei der Brustkrebs-Früherkennung in einem "Mammobil".
Eine Radiologie-Assistentin bei der Brustkrebs-Früherkennung in einem "Mammobil". © picture-alliance/ dpa/dpaweb / Alexander Rüsche
Von Claudia van Laak |
Wer weiblich ist und über 50 Jahre alt, erhält alle zwei Jahre eine Einladung zum Röntgen der Brust, um bösartige Tumore rechtzeitig zu erkennen. Damit mehr Frauen die Früherkennungsprogramme tatsächlich nutzen, sind Röntgenpraxen in LKW unterwegs.
"Guten Morgen." - "Guten Morgen. Da hätten wir erst einmal Frau Baier."
Roswitha Baier hat die wackelige Alu-Treppe des umgebauten LKW-Anhängers erklommen, steht jetzt in einem engen Empfangsbereich. Ein schmaler Tresen, sechs gepolsterte Stühle, Haken für Jacken und Mäntel.
"Den Fragebogen bitte, Chipkarte. Sie waren ja schon mal bei uns, Frau Baier?" - "Ja."
Die 66-jährige Rentnerin mit der flotten Kurzhaar-Strähnchen-Frisur und den farbig lackierten Nägeln fingert die Krankenkassenkarte aus dem Portemonnaie, legt sie auf den Tresen. Alle zwei Jahre lässt sie ihre Brust röntgen.
"Genau, genau das mache ich. Weil ich denke, das ist auch wichtig. Es ist wichtig für einen persönlich. Dass man weiß, wo man steht und wenn wirklich was ist, ich denke, eine frühzeitige Erkennung hilft ja uns allen letztendlich."
Roswitha Baier kramt in ihrer Handtasche nach dem ausgefüllten Fragebogen. Vorerkrankungen? Krebsfälle in der Familie? Sie hat alle Fragen sorgfältig beantwortet.
"Mein Vati ist an Magenkrebs gestorben und meine Cousine, die ist an Lungenkrebs gestorben, und ja, ich denke, da hat man da doch schon ein bisschen Respekt vor der Krankheit generell."
Heike Maschler: "Brille ablassen, hinter sich zuriegeln. Ich komme Sie dann von der anderen Seite holen."
Rechts und links hinter dem Tresen zwei schmale Türen, die zu den beiden Umkleidekabinen führen. An der dritten mittleren Tür warnt ein rotes Schild: Achtung Röntgen, kein Zutritt! Dort verschwindet jetzt Röntgenassistentin Heike Maschler. An ihrer weißen Hose baumelt ein streichholzgroßes blaues Dosimeter. Es misst ihre persönliche Strahlenbelastung.
"Ich bleibe freundlich und muntere die Frauen auf"
Ein fensterloser Raum, in der Mitte der Röntgenapparat. Eine Plexiglasscheibe schirmt den Arbeitsplatz in der Ecke vor der Strahlung ab. Heike Maschler tastet als erstes die Brust von Roswitha Baier ab, schaut nach Narben und Hautveränderungen.
"Gut, alles soweit o.k. Dann würde ich jetzt vier Aufnahmen machen, sage wieder alles an, wenn etwas gar nicht geht, sagen Sie es mir das." - "In Ordnung."
Die freundlich-forsche Röntgenassistentin kündigt mit lauter Stimme den nächsten, unangenehmen Teil der Untersuchung an. Sie muss die Brust jetzt möglichst flach drücken - umso besser wird die Röntgenaufnahme.
"Jetzt geht es los mit dem Komprimieren. Das kann kneifen. Aber nur ein bisschen. Super. Wunderbar."
Heike Maschler wirft einen scharfen Blick auf den Monitor vor sich, kontrolliert die Aufnahme. Ein kritischer Moment. Was macht sie, wenn ihr schon am Bildschirm Knoten in der Brust auffallen? "Ich bleibe freundlich und muntere die Frauen auf", sagt die 43-jährige Röntgenassistentin.
"Bei den Frauen, die sagen mir ja meistens schon, dass da irgendetwas ist und dann sage ich: Wissen Sie, Frau Doktor möchte sich das noch einmal angucken. Es gibt ja auch ganz viele gutartige Veränderungen an der Brust. Das heißt ja nicht immer, dass es gleich Krebs ist."
Heike Maschler desinfiziert schnell das Röntgengerät, fünf Minuten später ist die nächste Frau an der Reihe. Fliegender Wechsel.
"Dann hätte ich gerne die Frau Podgorski, ja, dann gehe ich mal darein. Obenrum freimachen, bitte."
An Bord des "Mammobils" arbeiten keine Ärzte, nur Krankenschwestern und Assistenten, die keine Auskünfte zum Röntgenbild geben dürfen. Verunsicherte Frauen müssen auf die Diagnose warten - sie kommt eine Woche später mit der Post und wird von Radiologinnen wie Irina Göttling und Heidrun Hartmann ausgestellt. Die sitzen im Keller des 15 Kilometer entfernten Achenbach-Krankenhauses in Königs Wusterhausen und werten die Röntgenaufnahmen des Mammobils aus.
"Das ist sicher gutartig, der liegt im Fettgewebe. Okay. Der nächste ist Frau Ozzeck. Sonst nichts …"
Beim Screening gilt das Vier-Augen-Prinzip
Der Raum ist dunkel, die von hinten angestrahlten Röntgenaufnahmen werfen ein fahles Licht auf die konzentriert wirkenden Gesichter der beiden Ärztinnen. Beim Mammografie-Screening gilt das Vier-Augen-Prinzip: Mindestens zwei Mediziner analysieren gemeinsam die Bilder. Fachbegriffe schwirren durch den Raum: Summation, Ligament, Mikrokalkgruppe. Irina Göttling markiert eine auffällige weiße Stelle auf der Röntgenaufnahme mit einem Pfeil.
"Sie sehen, dass das hier dichter ist als hier und auch so ein bisschen anders aussieht. Also, da haben wir eine Architektur-Störung, und da gucken wir mit einer Zusatzaufnahme und mit einem Ultraschall noch einmal nach. Kann hormonell bedingt sein, kann auch etwas dahinterstecken."
"Die betroffene Frau noch einmal einladen", schreibt Göttling, Chefin des Mammografie-Programms für Ostbrandenburg, in das elektronische Formular. Die beiden Radiologinnen vergeben Noten - ab vier abwärts laden sie die Frauen erneut ein, bei Note fünf entnehmen sie Gewebeproben aus der Brust.
"Wir haben ja nur die Mammografie und so ein ganz bisschen Anamnese, aber wir haben die Frauen nicht vor uns. Deshalb sind die Entscheidungen gar nicht so einfach …"
… aber von großer Tragweite. Die erfahrene 56-jährige Medizinerin will auf keinen Fall etwas übersehen, die betroffenen Frauen aber auch nicht unnötig verunsichern und vor überflüssigen Operationen bewahren.
"Wir haben ja auch natürlich im Verlauf der jetzt schon fünf Jahre doch einiges auch dazugelernt und übertreiben das eigentlich wirklich nicht mit der Indikation zur Operation."
Doch: Nur eine von zwei Frauen nutzt diese Möglichkeit zur Krebsvorsorge. Warum? Einige sind zu bequem, anderen ist die Untersuchung unangenehm, wieder andere mögen die Massenabfertigung nicht. Sieben von zehn Frauen sollten an der Röntgenreihenuntersuchung teilnehmen, das war das ursprüngliche Ziel. Davon sind die Verantwortlichen längst abgekommen.
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