"Man kann durchaus wenig Güter besitzen und trotzdem glücklich sein"

Moderation: Dieter Kassel |
Wohlstand bedeutet für 67 Prozent der Deutschen einfach nur glücklich zu sein. Und für weniger als die Hälfte der Menschen hat Wohlstand etwas mit Reichtum und Geld zu tun. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des BAT-Freizeitforschungsinstituts. Julia Rombach vom Freizeitforschungsinstitut sagte im Deutschlandradio Kultur, Wohlstand definiere sich heute " sehr viel mehr durch soziale und mentale Komponenten".
Kassel: Wenn Experten darüber reden, wie es um den Wohlstand in Deutschland bestellt ist, dann geht es gerne mal um Durchschnittseinkommen, Wohnungsgrößen, Privatbesitz. Offenbar ist das anders, wenn ganz normale Menschen darüber reden, denn im Zusammenhang mit Wohlstand fallen da Begriffe wie "stressfrei leben" oder "einfach glücklich sein". Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des BAT-Freizeitforschungsinstituts in Hamburg und zuständig für diese Studie war unter anderem Julia Rombach. Schönen guten Tag, Frau Rombach.

Rombach: Guten Tag.

Kassel: Kann man denn bei einem Menschen, der, sagen wir mal, so um die 900, 950 Euro im Monat verdient, wirklich von Wohlstand reden, wenn er gleichzeitig gute Freunde, keinen Zeitdruck und eine hübsche Landschaft vor der Tür hat?

Rombach: Ja, das ist eine schwierige Frage. Eine häufig genannte Erkenntnis der Gegenwart ist ja, dass Materielles und Konsum alleine nicht glücklich machen, kurzfristig vielleicht, aber längerfristig fehlt die Sinnperspektive. Nichtsdestotrotz ist natürlich klar, dass, bevor nicht ein Existenzminimum geschaffen ist, es schwierig ist, dauerhaft glücklich zu sein. Aber man kann durchaus wenig Güter besitzen und trotzdem glücklich sein.

Kassel: Nun fällt uns, glaube ich, sofort auch die Werbung eines großen Kreditinstitutes ein: "Mein Haus, mein Boot, mein Auto, meine Frau", das ist jetzt nicht materiell, aber es ist doch früher durchaus so gewesen, oder täusche ich mich da, dass Wohlstand klar messbar war an Hand der Güter, die man besaß.

Rombach: Es war früher sehr viel stärker mit materiellen Werten verbunden und dem, was man besitzt. Das hat sich aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen heute in eine andere Richtung entwickelt und Wohlstand definiert sich heute sehr viel mehr durch soziale und mentale Komponenten.

Kassel: Machen wir es doch mal konkret. Wen haben Sie, um das herauszufinden, befragt und was genau haben Sie da gefragt?

Rombach: Wir haben eine Repräsentativbefragung, eine bundesweite durchgeführt von 2.000 Personen ab 14 Jahren, und zwar im März dieses Jahres und wir haben die Menschen gefragt, an was sie konkret bei dem Begriff Wohlstand denken.

Kassel: Haben Sie denn da konkrete Begriffe vorgegeben, zum Beispiel ganz weit oben mit 67 Prozent Zustimmung ist ja glücklich sein. Stand das dann quasi auf dem Zettel oder haben das die Leute das selber so formulieren dürfen?

Rombach: Nein, also man gibt in der Regel Antwortmöglichkeiten vor, einfach um eine Denkhilfe zu geben, das ist in der empirischen Forschung gang und gäbe, weil, um den Menschen ein Gerüst vorzugeben, aber die Reihenfolge gibt man nicht vor. Das wird nach einer Art Random-Verfahren befragt, das heißt, die Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten ändert sich bei jedem Befragten.

Kassel: Nun ist es tatsächlich so, dass in dieser Liste verschiedener Begriffe, da geht es um Familie, da geht es um Freunde haben und und und, dass reich sein und Geld haben ganz weit unten steht. War das aufgrund Ihrer Erfahrung ein Ergebnis, dass Sie fast schon erwartet haben, oder war das in dieser Deutlichkeit, unter 50 Prozent assoziieren in dieser Umfrage Wohlstand mit Reichtum und Geld haben, war das in dieser Deutlichkeit doch überraschend?

Rombach: Es war nicht wirklich überraschend, insofern als dass eine Hauptsorge der Menschen im Moment ist, ihren Lebensstandard überhaupt erst zu erhalten, also die reine Wohlstandssteigerung das heißt, viel Geld haben, den Wohlstand erweitern, das war in den 80er Jahren noch eine bedeutendere Sache und war den Menschen wichtiger. Und heute geht es eher darum, den Lebensstandard zu halten. Man möchte sich ein Existenzminimum sichern natürlich, klar, man möchte weiter gut leben können und auf der Basis zählen dann soziale und mentale Werte wieder mehr.

Kassel: Was unter anderem ja laut Ihrer Umfrage auch mehr zählt, ist die Familie. Ist das eine Entwicklung, wo man sagen kann, wenn so viele Leute sagen, ganz wichtig für mich im Leben auch viel wichtiger als viel Geld ist der richtige Partner und sind vielleicht auch Kinder, dann werden wir bald alle unsere demographischen Probleme los sein?

Rombach: Na ja, schön wäre es. Sagen wir mal so, es zeichnet sich im Moment ein grundlegender Einstellungswandel ab, der sich aber nur langsam entwickelt und sicherlich nicht von heute auf morgen demographische Veränderungen zeigen wird. Aber es ist so, dass unsere Studien zeigen, und das ist erfahrungsgemäß auch in der Vergangenheit so gewesen, dass in unruhigen Zeiten der Wunsch der Menschen nach Ruhe und Geborgenheit zunimmt und dass sich die Menschen wieder mehr auf das wirklich Wichtige im Leben besinnen, weil die äußeren Umstände, das heißt Job, die Weltpolitik, keinen Halt und keine Sicherheit bietet, zieht man sich zurück und in dieser Entwicklung steigt auch wieder der Wert der Familie.

Und auch bei jungen Leuten lässt sich beobachten, haben wir in Befragungen ganz deutlich gesehen, dass Ehe, Kinder und Familie durchaus wieder mehr im Mittelpunkt stehen und der reine Spaßfaktor in den Hintergrund getreten ist.

Kassel: Heißt das auch, dass man auch, weil das wäre ja etwas was viele hoffen, wegen der großen Probleme, die wir mit unserem Sozialsystem haben, heißt das auch, dass manche auch wieder hoffen, Hilfe in Notlagen eben in der Familie zu finden und dass dieser Trend zu sagen, ich bin allein und wenn mir gar nichts mehr hilft, gibt es immer noch ein Amt, dass der auch langsam abnimmt. Kann man das auch rauslesen aus diesen Zahlen?

Rombach: Man kann es nicht konkret ablesen, aber es lässt sich schon durchaus erkennen, dass die Menschen immer mehr merken, dass sie auch Verantwortung für sich selbst übernehmen müssen und verstehen, dass sie die Hilfe nicht eins zu eins beim Staat finden und in dem Zuge auch die Bedeutung der Familie wieder mehr steigt, weil man weiß, da findet man Halt und da ist man im Notfall aufgehoben und ja, man orientiert sich wieder mehr zur Familie hin und es könnte nur ein schöner Effekt sein, wenn die Menschen da wieder mehr Verantwortung übernehmen und merken, dass sie um die eigene Lebensqualität steigern oder halten zu können, sich auch selber darum bemühen müssen.

Kassel: Was wird denn das bedeuten, Sie sind ja nun ein Freizeitforschungsinstitut, was wird denn das bedeuten für die Freizeit? Es gab ja schon vor einer Weile diesen Trend, den nannte man ja unter anderem dieses Cocooning, also dass Leute sich auch in ihrer Freizeit zurückziehen, nicht mehr sagen, ich will hinaus in die weite Welt und sonst was treiben, ich möchte gemütlich zu Hause sitzen. Ist es auch ein Trend, den man auch an diesen Zahlen, die Sie jetzt haben, ablesen kann?

Rombach: Also es hat sich parallel zu den Befragungen zum Wohlstand in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen abgezeichnet, dass die Menschen sich wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren oder auf ruhigere, sinnstiftende Dinge, wenn man so sagen kann, und in unseren Befragungen zum Freizeitverhalten der Deutschen hat sich abgezeichnet, dass Freizeitaktivitäten, die mit Konsum verbunden sind, von Essengehen, über Kneipenbesuch, über Kino oder Tanzengehen, alles, was direkt für Konsum steht, abgenommen hat und eher ruhigere, sinnstiftendere Freizeitaktivitäten, sei es jetzt Aktivitäten mit der Familie oder Dinge, die nichts kosten wie Fahrrad fahren oder Bücher lesen, dass die wieder zugenommen haben.

Kassel: Es sind ja auch einige Sachen abgefragt worden in der Studie, die man im weitesten Sinne schon mit Sozialverhalten bezeichnen kann. Sehr gut weg kam zum Beispiel bei der Frage, was mit Wohlstand in Verbindung gebracht wird, auch "in einer intakten Natur leben" und andere Dinge. Und erfahrungsgemäß, wenn es um solche Fragen geht, gibt es immer gravierende Unterschiede bei den Antworten zwischen Männern und Frauen. War das bei Ihrer Untersuchung auch so?

Rombach: Erstaunlicherweise hat jetzt die Befragung zum Thema Wohlstand auffällig wenige Unterschiede zwischen Mann und Frau gezeigt, was uns selber auch gewundert hatte. Normalerweise ist es so, dass gerade bei den sozialen Dingen die Frauen ausgeprägter sind, also dass die mehr die Affinität zu sozialen Dingen haben und Materielles den Männern so ein bisschen wichtiger ist, allerdings war das da wirklich kaum abzusehen. Da waren sie sich relativ einig, bis auf bürgerschaftliches Engagement, also der Wille anderen zu helfen und sich für andere einzusetzen, ist bei Frauen ein bisschen ausgeprägter.

Kassel: Wir haben ja nun schon ganz am Anfang darüber gesprochen, dass man nicht aus diesen Antworten entnehmen kann, dass die Deutschen sich jetzt in Zukunft überhaupt nicht mehr für Geld interessieren, dass das völlig wurscht ist, was man zur Verfügung hat, auf der anderen Seite kann man doch, glaube ich, ziemlich deutlich herausnehmen, dieser Wunsch möglichst Multimillionär zu werden, steht bei den meisten wiederum auch nicht im Vordergrund. Heißt das, wenn man richtig glücklich sein will, dann muss sich das irgendwo in der Mitte einpendeln, nicht arm, aber auch nicht zu reich?

Rombach: Es gibt ja Studien, die aufgezeigt haben, dass die Menschen, die schon alles erreicht haben, also keine Ziele mehr haben, keine materiellen Ziele mehr haben, unglücklich sind. Also man bewegt sich im Mittelfeld am besten, das heißt, man hat eine Existenz, seine sichere Existenz, und hat einen gewissen Lebensstandard, aber man hat immer noch Ziele, auf die man hinarbeiten kann.

Kassel: Nun klingt ja einiges, was da an Antworten gegeben wurde, positiv, aber Sie haben es selbst schon erwähnt, wann auch immer es Krisen gibt, natürlich besonders bei wirtschaftlichen Krisen, aber auch wenn es andere Formen von Bedrohung gibt, dann passiert ungefähr das, was man in dieser Untersuchung auch wieder lesen kann, die Leute legen mehr Wert auf Familie, sie legen mehr Wert auf soziales Engagement.

Wenn wir mal optimistisch denken und davon ausgehen, diese Wirtschaftskrise geht doch wieder vorbei, ganz leicht nimmt ja langsam schon die Arbeitslosigkeit wieder ab und den Menschen geht es wieder besser, würden Sie, Spekulation jetzt, aber würden Sie aus Ihrer Erfahrung sagen, dann ist auch wieder gut, dann fangen sie wieder an wie beim New Economy Boom vor ein paar Jahren und dann ist Geld plötzlich wieder ganz wichtig, oder könnte das, was jetzt passiert, richtig langfristige Wirkung haben?

Rombach: Also ich persönlich denke, dass aus dem New Economy Boom die meisten sehr viel gelernt haben, dass so eine gute Phase, in der wir viel Geld und Möglichkeiten haben, auch irgendwann wieder vorbei sein kann, und dass die Menschen, dass was sie jetzt im Moment lernen, dass es eben auch andere Dinge gibt, die einen Sinn vermitteln können, dass sie gelernt haben, dass das auch in Zeiten, in besseren Zeiten immer noch wichtig ist und dass man das halten muss für die Zeiten, die vielleicht wieder schlechter sind. Also, dass man aus diesem Kontrast, der ja in den letzten sechs, sieben Jahren sehr, sehr offensichtlich war, dass man aus dem gelernt hat.

Kassel: Herzlichen Dank, Julia Rombach vom BAT-Freizeitforschungsinstitut über eine neue Umfrage, bei der 67 Prozent der Deutschen angaben, sie dächten beim Wort Wohlstand zuerst ans allgemeine Glücklichsein und nur 46 Prozent dachten ans Geld.