"Man kann es gar nicht ernst genug nehmen, dieses stille Stück"
Die Zuschauer in Woodstock waren am 29. August 1952 geschockt: Sie wollten ein Klavierstück hören. Und hörten: Nichts. Denn das Stück "4'33'" besteht aus Stille. Die Idee dahinter habe sicher auch etwas mit der Informationsflut der Zeit zu tun gehabt, meinen Inke Arns und Dieter Daniels, Kuratoren einer Cage-Ausstellung im Dortmunder U.
Stephan Karkowsky: Ich wäre ja gern bei der Uraufführung dabei gewesen am 29. August 1952 in der Maverick Concert Hall bei Woodstock! Angekündigt war ein Stück von John Cage. Der Pianist David Tudor betrat die Bühne. Er setzte sich ans Klavier, öffnete den Klavierdeckel und schloss ihn wieder. Das machte er insgesamt drei Mal. Nach vier Minuten 33 war das Stück vorbei und die Konzertbesucher hatten nicht einen einzigen Ton gehört außer dem Rauschen der Blätter im Wald hinter dem offenen Saal und dem Prasseln des Regens aufs Dach! Damals eine ungeheuerliche Provokation, heute, 60 Jahre später, kurz vor dem 100. Geburtstag John Cages, ist dieses Stück Thema einer Ausstellung im Dortmunder U. Die Kuratoren sind Dr. Inke Arns, guten Morgen, Frau Arns ...
Inke Arns: Morgen!
Karkowsky: ... und Professor Dieter Daniels, auch Ihnen guten Morgen!
Dieter Daniels: Jo, guten Morgen!
Karkowsky: Lassen Sie mich raten, Frau Arns, die Besucher kommen in Ihre Ausstellung ins U und sehen in der Tradition von John Cage absolut nichts!
Arns: Genau, wie man sich das in einer Ausstellung des Hartware MedienKunstVerein vorstellt! Genau darum geht es ja nicht!
Karkowsky: Also, das Konzept hinter "4'33''" lautete ja Kunst ohne Werk. Also, Ausstellung ohne Exponate wäre da ja konsequent gewesen?
Arns: Genau, aber es geht ja in diesem stillen Stück durchaus nicht um Stille, das ist ja ein Missverständnis. Sondern es geht ja darum, dass Cage alle Sounds, die während des Nichterklingens von Instrumenten erklingen, zu Musik erklärt. Das heißt, seine These ist ja, dass es nie still ist, dass immer etwas passiert. Und er erklärt in dem stillen Stück, in "4'33''" alle nicht intentionalen Sounds zu Musik und zu Kunst. Und genau das machen wir im Prinzip auch in der Ausstellung, oder das machen die Künstler, die wir für die Ausstellung eingeladen haben. Wir betrachten dabei jetzt das stille Stück "4'33''" nicht so sehr als einen kunsthistorischen Endpunkt, der es natürlich gewissermaßen auch ist, sondern es ist für uns eher ein Ausgangspunkt für eine ganz aktuelle Beschäftigung oder eine Beschäftigung mit aktuellen Fragestellungen.
Karkowsky: Und dazu haben Sie die Ausstellung wie das Werk im Prinzip in drei Sätze aufgeteilt: Im ersten werden die Parallelen aufgezeigt zu Kunst in den frühen 50ern, die Ähnliches versucht hat wie Cage. Was gibt es da zu sehen?
Arns: Es ist so, dass wir einerseits die Notationen, die vielen verschiedenen Notationen des Stücks "4'33''" zusammen recherchiert haben. Es gibt eine ganz spannende Notationsgeschichte. Es gibt ja drei sehr unterschiedliche Notationsweisen, einmal die Notation auf Notenpapier, also eher die klassische. Aber auch da natürlich interessant zu fragen: Wie notiert man überhaupt Stille? Dann gibt es eine Notation, die nennt sich die sogenannte proportionale Notation, wo die Sätze nur durch vertikale Linien voneinander abgetrennt sind. Und die dritte Fassung ist vielleicht bekannteste, das ist die sogenannte linguistische Fassung, die Tacet-Tacet-Tacet-Fassung. Daneben zeigen wir ganz wichtige Zeitgenossen von John Cage, also, neben den Notationen, neben dem großen Notationsteil, Zeitgenossen wie Guy Debord, wie Heinrich Böll, wie Robert Rauschenberg natürlich, eine wichtige Inspiration für John Cage. Und eben der dritte Satz wären dann die ganz aktuellen Arbeiten, die wirklich einen Großteil der Ausstellung ausmachen.
Karkowsky: Was gibt es von Rauschenberg zu sehen, wo sind die Parallelen zum Werk von Cage?
Arns: Robert Rauschenberg hat 1951 die berühmten "White Paintings" geschaffen und hat damit John Cage eigentlich den Mut gegeben, hat er selber mal gesagt, sein stilles Stück zu komponieren.
Karkowsky: "White Paintings" waren im Prinzip eine weiß gestrichene Leinwand.
Arns: Genau, weiße Leinwände, auf denen nichts zu sehen ist. Und John Cage hat im Prinzip eine musikalische Analogie dazu geschaffen.
Karkowsky: Heinrich Böll haben Sie erwähnt, wie hängt er mit Cage zusammen?
Daniels: Es gibt diese bekannte Novelle von Heinrich Böll, "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen", die ja sogar im Radio hauptsächlich handelt. Es geht um diesen Redakteur im Radiosender, der die Schnipsel der Stille, die rausgeschnitten werden und auf den Boden fallen, heimlich zusammensammelt und dann zu Hause zusammenklebt und abends zur Entspannung anhört. Oder sich auch von seiner netten Freundin mal ein Band beschweigen lässt, unterbrochen vom punktuellen Protest der Freundin.
Karkowsky: Herr Daniels, was würden Sie denn sagen: Verbindet all diese Werke, in denen ja das Fehlen von etwas im Mittelpunkt steht, auch ein musikphilosophischer Ansatz? Haben alle diese Künstler das gehabt oder stand, wie man vermuten könnte, oft genug auch die Lust an der Provokation im Vordergrund?
Daniels: Ja, ich glaube, dass sich gerade in der Mitte der 50er-Jahre etwas im Bewusstsein und im Wahrnehmungshabitus geändert hat. Es ist ja kein Zufall, dass vier Positionen, die wir jetzt aufgelistet haben, sich mit dem Nichts, mit der Stille, mit der Absenz beschäftigen. Ich denke, dass in den 50er-Jahren zum ersten Mal so was wie ein Informationsüberfluss deutlich wurde und unterschiedliche Gattungen - Film, Musik, Literatur, bildende Kunst - darauf reagiert haben, indem sie einen Leerraum schaffen wollten, einen Freiraum für die Reflektion, für die Selbstbesinnung. Gegen den "Information-Overflow". Und die wussten ja gar nichts voneinander. Also, Yves Klein wäre auch noch zu erwähnen, Sie wissen, die Ausstellung der "Leere", und er hat sich zeitgleich mit Cage intensiv mit der Stille befasst und hat eine stille Sinfonie komponiert, und die zwei Herren wussten nicht, dass jeweils auf der anderen Seite des Atlantiks so eine ähnliche Idee entstanden ist. Und ich glaube, das hat einen bestimmten Einfluss des Zeitgeists, der da deutlich wird und den man eigentlich gar nicht so rational erklären kann.
Karkowsky: Sie hören Professor Dieter Daniels gemeinsam mit Imke Arns, Kurator einer Ausstellung im Dortmunder U zum 60. Jahrestag der Uraufführung von "Four Minutes, 33 Seconds" von John Cage. Eins frage ich mich, seitdem ich von "4'33''" zum allerersten Mal gehört habe: Wie ernst war es John Cage eigentlich damit? Also, ich stelle mir vor, dass er damals in Woodstock hinter der Bühne stand und sich über das Entsetzen des Publikums auch königlich amüsiert hat!
Daniels: Ja, es gibt sogar ein späteres Interview, wo ihn ein Interviewer gefragt hat, sagen Sie mal, das war doch irgendwie ein Scherz und das war doch reine Provokation? Und Cage hat dann wahrscheinlich tief Luft geholt und hat gesagt, nein, man kann es gar nicht ernst genug nehmen, dieses stille Stück! Das hört sich dann nun heute fast wieder akademisch an. Wir haben diese Aussage, dass man es nicht ernst genug nehmen kann, selber eigentlich erst mal ernst genommen und haben versucht, unterschiedlichen Sinnschichten in Cages Stille nachzuspüren und sie zu entfalten. Am Schluss haben wir uns dann aber trotzdem auch ein bisschen Humor erlaubt und ich glaube, dass man heute, 60 Jahre später, es vielleicht nicht mehr so ernst nehmen muss, wie es der Autor selber gemeint hat, sondern dass ein freier, auch spielerischer Umgang damit ihm eigentlich, auch den eigenen Ideen, die Cage sonst so entwickelt hat, durchaus gerecht werden kann.
Karkowsky: Zum Schluss natürlich die wichtige Frage: Was hat John Cage geleistet für die Musik, für die Philosophie, für uns alle mit diesem Stück vor 60 Jahren?
Daniels: Ja, ich glaube, dass er vor allen Dingen eine Anregungs- und Motivationsstrategie entwickelt hat. Denn es ist ja eigentlich selten, dass über 60 Jahre hinweg immer wieder neue Sichtweisen, neue Perspektiven möglich sind. Und das hat uns auch am meisten überrascht. Je länger wir über das Stück geforscht, recherchiert, mit Leuten gesprochen haben, sind wir immer wieder auf noch weitere Varianten gekommen. Auch am Schluss, als wir längst fertig waren mit der Ausstellungsplanung, sind noch neue hinzugekommen, die wir jetzt gar nicht mehr haben aufnehmen können. Und dass man eben mit dem Thema Stille heute, glaube ich, noch lange nicht fertig ist, sondern dass es vielleicht immer aktueller und immer wichtiger wird, weil wir immer weniger Gelegenheiten zur Stille haben und vielleicht selber auch immer weniger bereit sind, Stille zu ertragen, wenn sie denn mal da ist. Weil wir immer mehr auf einen ständigen Informationsfluss hin konditioniert sind. Und insofern ist es eigentlich ständig aktueller geworden, seit 60 Jahren, wenn man so will!
Karkowsky: Gerne würden wir nun das Stück spielen, über das wir jetzt fast zehn Minuten geredet haben, aber dann müssten wir erst wieder die komplizierten Sicherungen ausschalten, die im Radio nämlich nach einer bestimmten Zeit der Stille zum automatischen Einschalten von Musik führen! Vorige Nacht haben wir das getan im Deutschlandradio Kultur, da war das Stück zu hören in der Sendung "Klangkunst" kurz nach Mitternacht, und das können Sie jetzt noch immer im Internet nachhören auf dradio.de. Ich bedanke mich für dieses Gespräch bei Imke Arns und bei Dieter Daniels, den Kuratoren der Ausstellung "Sounds like silence" im Dortmunder U. Morgen geht's los, bis zum 06.01. ist geöffnet. Ihnen vielen Dank!
Arns: Vielen Dank!
Daniels: Danke, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Inke Arns: Morgen!
Karkowsky: ... und Professor Dieter Daniels, auch Ihnen guten Morgen!
Dieter Daniels: Jo, guten Morgen!
Karkowsky: Lassen Sie mich raten, Frau Arns, die Besucher kommen in Ihre Ausstellung ins U und sehen in der Tradition von John Cage absolut nichts!
Arns: Genau, wie man sich das in einer Ausstellung des Hartware MedienKunstVerein vorstellt! Genau darum geht es ja nicht!
Karkowsky: Also, das Konzept hinter "4'33''" lautete ja Kunst ohne Werk. Also, Ausstellung ohne Exponate wäre da ja konsequent gewesen?
Arns: Genau, aber es geht ja in diesem stillen Stück durchaus nicht um Stille, das ist ja ein Missverständnis. Sondern es geht ja darum, dass Cage alle Sounds, die während des Nichterklingens von Instrumenten erklingen, zu Musik erklärt. Das heißt, seine These ist ja, dass es nie still ist, dass immer etwas passiert. Und er erklärt in dem stillen Stück, in "4'33''" alle nicht intentionalen Sounds zu Musik und zu Kunst. Und genau das machen wir im Prinzip auch in der Ausstellung, oder das machen die Künstler, die wir für die Ausstellung eingeladen haben. Wir betrachten dabei jetzt das stille Stück "4'33''" nicht so sehr als einen kunsthistorischen Endpunkt, der es natürlich gewissermaßen auch ist, sondern es ist für uns eher ein Ausgangspunkt für eine ganz aktuelle Beschäftigung oder eine Beschäftigung mit aktuellen Fragestellungen.
Karkowsky: Und dazu haben Sie die Ausstellung wie das Werk im Prinzip in drei Sätze aufgeteilt: Im ersten werden die Parallelen aufgezeigt zu Kunst in den frühen 50ern, die Ähnliches versucht hat wie Cage. Was gibt es da zu sehen?
Arns: Es ist so, dass wir einerseits die Notationen, die vielen verschiedenen Notationen des Stücks "4'33''" zusammen recherchiert haben. Es gibt eine ganz spannende Notationsgeschichte. Es gibt ja drei sehr unterschiedliche Notationsweisen, einmal die Notation auf Notenpapier, also eher die klassische. Aber auch da natürlich interessant zu fragen: Wie notiert man überhaupt Stille? Dann gibt es eine Notation, die nennt sich die sogenannte proportionale Notation, wo die Sätze nur durch vertikale Linien voneinander abgetrennt sind. Und die dritte Fassung ist vielleicht bekannteste, das ist die sogenannte linguistische Fassung, die Tacet-Tacet-Tacet-Fassung. Daneben zeigen wir ganz wichtige Zeitgenossen von John Cage, also, neben den Notationen, neben dem großen Notationsteil, Zeitgenossen wie Guy Debord, wie Heinrich Böll, wie Robert Rauschenberg natürlich, eine wichtige Inspiration für John Cage. Und eben der dritte Satz wären dann die ganz aktuellen Arbeiten, die wirklich einen Großteil der Ausstellung ausmachen.
Karkowsky: Was gibt es von Rauschenberg zu sehen, wo sind die Parallelen zum Werk von Cage?
Arns: Robert Rauschenberg hat 1951 die berühmten "White Paintings" geschaffen und hat damit John Cage eigentlich den Mut gegeben, hat er selber mal gesagt, sein stilles Stück zu komponieren.
Karkowsky: "White Paintings" waren im Prinzip eine weiß gestrichene Leinwand.
Arns: Genau, weiße Leinwände, auf denen nichts zu sehen ist. Und John Cage hat im Prinzip eine musikalische Analogie dazu geschaffen.
Karkowsky: Heinrich Böll haben Sie erwähnt, wie hängt er mit Cage zusammen?
Daniels: Es gibt diese bekannte Novelle von Heinrich Böll, "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen", die ja sogar im Radio hauptsächlich handelt. Es geht um diesen Redakteur im Radiosender, der die Schnipsel der Stille, die rausgeschnitten werden und auf den Boden fallen, heimlich zusammensammelt und dann zu Hause zusammenklebt und abends zur Entspannung anhört. Oder sich auch von seiner netten Freundin mal ein Band beschweigen lässt, unterbrochen vom punktuellen Protest der Freundin.
Karkowsky: Herr Daniels, was würden Sie denn sagen: Verbindet all diese Werke, in denen ja das Fehlen von etwas im Mittelpunkt steht, auch ein musikphilosophischer Ansatz? Haben alle diese Künstler das gehabt oder stand, wie man vermuten könnte, oft genug auch die Lust an der Provokation im Vordergrund?
Daniels: Ja, ich glaube, dass sich gerade in der Mitte der 50er-Jahre etwas im Bewusstsein und im Wahrnehmungshabitus geändert hat. Es ist ja kein Zufall, dass vier Positionen, die wir jetzt aufgelistet haben, sich mit dem Nichts, mit der Stille, mit der Absenz beschäftigen. Ich denke, dass in den 50er-Jahren zum ersten Mal so was wie ein Informationsüberfluss deutlich wurde und unterschiedliche Gattungen - Film, Musik, Literatur, bildende Kunst - darauf reagiert haben, indem sie einen Leerraum schaffen wollten, einen Freiraum für die Reflektion, für die Selbstbesinnung. Gegen den "Information-Overflow". Und die wussten ja gar nichts voneinander. Also, Yves Klein wäre auch noch zu erwähnen, Sie wissen, die Ausstellung der "Leere", und er hat sich zeitgleich mit Cage intensiv mit der Stille befasst und hat eine stille Sinfonie komponiert, und die zwei Herren wussten nicht, dass jeweils auf der anderen Seite des Atlantiks so eine ähnliche Idee entstanden ist. Und ich glaube, das hat einen bestimmten Einfluss des Zeitgeists, der da deutlich wird und den man eigentlich gar nicht so rational erklären kann.
Karkowsky: Sie hören Professor Dieter Daniels gemeinsam mit Imke Arns, Kurator einer Ausstellung im Dortmunder U zum 60. Jahrestag der Uraufführung von "Four Minutes, 33 Seconds" von John Cage. Eins frage ich mich, seitdem ich von "4'33''" zum allerersten Mal gehört habe: Wie ernst war es John Cage eigentlich damit? Also, ich stelle mir vor, dass er damals in Woodstock hinter der Bühne stand und sich über das Entsetzen des Publikums auch königlich amüsiert hat!
Daniels: Ja, es gibt sogar ein späteres Interview, wo ihn ein Interviewer gefragt hat, sagen Sie mal, das war doch irgendwie ein Scherz und das war doch reine Provokation? Und Cage hat dann wahrscheinlich tief Luft geholt und hat gesagt, nein, man kann es gar nicht ernst genug nehmen, dieses stille Stück! Das hört sich dann nun heute fast wieder akademisch an. Wir haben diese Aussage, dass man es nicht ernst genug nehmen kann, selber eigentlich erst mal ernst genommen und haben versucht, unterschiedlichen Sinnschichten in Cages Stille nachzuspüren und sie zu entfalten. Am Schluss haben wir uns dann aber trotzdem auch ein bisschen Humor erlaubt und ich glaube, dass man heute, 60 Jahre später, es vielleicht nicht mehr so ernst nehmen muss, wie es der Autor selber gemeint hat, sondern dass ein freier, auch spielerischer Umgang damit ihm eigentlich, auch den eigenen Ideen, die Cage sonst so entwickelt hat, durchaus gerecht werden kann.
Karkowsky: Zum Schluss natürlich die wichtige Frage: Was hat John Cage geleistet für die Musik, für die Philosophie, für uns alle mit diesem Stück vor 60 Jahren?
Daniels: Ja, ich glaube, dass er vor allen Dingen eine Anregungs- und Motivationsstrategie entwickelt hat. Denn es ist ja eigentlich selten, dass über 60 Jahre hinweg immer wieder neue Sichtweisen, neue Perspektiven möglich sind. Und das hat uns auch am meisten überrascht. Je länger wir über das Stück geforscht, recherchiert, mit Leuten gesprochen haben, sind wir immer wieder auf noch weitere Varianten gekommen. Auch am Schluss, als wir längst fertig waren mit der Ausstellungsplanung, sind noch neue hinzugekommen, die wir jetzt gar nicht mehr haben aufnehmen können. Und dass man eben mit dem Thema Stille heute, glaube ich, noch lange nicht fertig ist, sondern dass es vielleicht immer aktueller und immer wichtiger wird, weil wir immer weniger Gelegenheiten zur Stille haben und vielleicht selber auch immer weniger bereit sind, Stille zu ertragen, wenn sie denn mal da ist. Weil wir immer mehr auf einen ständigen Informationsfluss hin konditioniert sind. Und insofern ist es eigentlich ständig aktueller geworden, seit 60 Jahren, wenn man so will!
Karkowsky: Gerne würden wir nun das Stück spielen, über das wir jetzt fast zehn Minuten geredet haben, aber dann müssten wir erst wieder die komplizierten Sicherungen ausschalten, die im Radio nämlich nach einer bestimmten Zeit der Stille zum automatischen Einschalten von Musik führen! Vorige Nacht haben wir das getan im Deutschlandradio Kultur, da war das Stück zu hören in der Sendung "Klangkunst" kurz nach Mitternacht, und das können Sie jetzt noch immer im Internet nachhören auf dradio.de. Ich bedanke mich für dieses Gespräch bei Imke Arns und bei Dieter Daniels, den Kuratoren der Ausstellung "Sounds like silence" im Dortmunder U. Morgen geht's los, bis zum 06.01. ist geöffnet. Ihnen vielen Dank!
Arns: Vielen Dank!
Daniels: Danke, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.