"Man muss sich endlich auf einen Fahrplan einigen"
Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer hält es für unwahrscheinlich, dass auf der 17. Weltklimakonferenz in Durban eine Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll gefunden wird. Man dürfe dennoch nicht resignieren, sagte Töpfer.
Nana Brink: Zwei Grad, das ist das Ziel, um zwei Grad höchstens soll die Erderwärmung steigen. Darauf hatte sich die Staatengemeinschaft vor einem Jahr geeinigt. Ein hehres Ziel, allein, es fehlt bis heute ein Beschluss darüber, wie das erreicht werden soll. Ab heute werden Vertreter von 190 Staaten beim 17. Klimagipfel der Vereinten Nationen wieder zwei Wochen lang über ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll beraten, das ja eine Verringerung der Treibhausgasemission vorsieht. Die Ausgangsbasis für dieses Treffen ist eher düster. Der globale Ausstoß von CO2 hat 2010 eine neue Rekordmarke erreicht. Am Telefon ist jetzt der ehemalige Umweltminister und ehemalige Chef des UN-Klima-Programms Klaus Töpfer. Er leitet heute das Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam, also ein Institut, das sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Einen schönen guten Morgen, Herr Töpfer!
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!
Brink: Man könnte fast resignieren, haben Sie wörtlich gestern gesagt. Was kann in Durban überhaupt noch erreicht werden?
Töpfer: Man darf nicht resignieren und deswegen ist es richtig, dass die Verantwortlichen der Staaten dort wieder zusammenkommen. Was man erreichen kann, das ist wahrscheinlich nicht, dass wir eine Anschlussregelung für dieses sogenannte Kyoto-Protokoll bekommen, also klare Zielsetzung und Zeitpläne, wie man die klimabelastende Stoffe, vornehmlich also Kohlendioxyd, aber auch Methan oder Ozon und andere in den Griff bekommt. Und das ist dringlich notwendig, weil wir – Sie sagten es – im letzten Jahr einen Zuwachs an CO2-Emissionen in der Größenordnung von 5,8 Prozent weltweit gehabt haben. Also, nicht nur, dass wir nicht weiter ansteigen oder gar sinken in der Belastung der Atmosphäre, es geht weiter massiv voran. Und das ist das, was mich dazu gebracht hat ... Die Ausgangslage lässt einen fast resignieren, aber ich sage es noch einmal: Fast bereut man, dass man es gesagt hat, einfach deswegen, weil dann vielleicht andere müde werden könnten. Es geht darum, die Wege zu finden, die andere, gerade auch in Entwicklungsländern, mitgehen können, die ja anders als wir wirklich noch von großer Not gepeinigt werden. Ich bin acht Jahre lang in Afrika gewesen, ich weiß, dass man da dringlich wirtschaftliche Entwicklung braucht, dasselbe gilt für weite Teile Asiens, Lateinamerikas. Und von daher gesehen brauchen wir Energie.
Brink: Herr Töpfer, Sie selbst haben sich ja nun überaus skeptisch gezeigt: Was soll denn ein neues Abkommen mindestens beinhalten?
Töpfer: Ja, zumindest müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir das, was wir zum Schutz der Wälder machen – Wälder sind ja Aufnahmeflächen für diese Klimagase –, dass wir das jetzt auch wirklich umsetzen. Zweitens, es muss klargemacht werden, dass wir uns an Klimaveränderung anpassen müssen, und das fällt denen, die am stärksten betroffen sind und am wenigsten dazu beigetragen haben, nämlich den Entwicklungsländern, massiv schwer, in Technik und finanziellen Leistungen. Also muss dort was weitergebracht werden, was wir als einen sauberen, grünen Fonds bezeichnen. Und da weiß ich, wie schwer das ist, wenn Sie sehen, welche Schuldendesaster wir in den sogenannten hoch entwickelten, in Anführungsstrichen "reichen" Ländern haben, die ja da in diesen Fonds einzahlen müssen. Also, das ist der nächste Punkt, der wirklich erreicht werden muss. Es muss erreicht werden, dass wir einen Technologietransfer haben, dass wir saubere Energietechniken von den hoch entwickelten Ländern, also auch von uns hier in Deutschland, diesen Ländern zur Verfügung stellen können. Eine Sache, die ganz, ganz zwingend und notwendig ist, weil man sonst die eingefahrenen, alten Wege weitergehen wird, mit denen auch wir ja einmal unser Wirtschaftswachstum ökologisch subventioniert haben. Also, das sind Mindestgrößen, die man haben muss, und man muss sich endlich auf einen Fahrplan einigen können, wie man gemeinsam weltweit gegen diese Probleme vorgeht, immer mit dem Hinweis darauf: Diejenigen, die da vorangehen, werden auch ökonomische Vorteile haben, denn das sind die Energietechniken, die wir in der Zukunft brauchen.
Brink: Aber wie kann man sich gemeinsam auf einen Fahrplan einigen, wenn zum Beispiel die USA nach wie vor behindern oder auch China, eines der größten Treibhausproduzenten, sich überhaupt irgendwelchen Verpflichtungen verweigert?
Töpfer: Ja, bei China wäre ich erst mal vorsichtig, die Chinesen wissen jetzt natürlich sehr, sehr klar, dass sie die Hauptleidtragenden des Klimawandels auch sind. Sie haben nicht zufälligerweise ihren neuen Fünfjahresplan als, wie es englisch heißt, Low Carbon Economy, also niedrige Kohlenstoffwirtschaft, gekennzeichnet. Sie gehen ran, die Energieeffizienz deutlich zu erhöhen, sie investieren intensivst in alternative Energien, vor allen Dingen in Wind und in Sonne, und sie sind dabei, intern in China auch die Handelsregelung zu finden für CO2, die wir in Europa ebenfalls haben. Die sind noch nicht so weit, dass sie sagen, wir machen das international verbindlich, aber sie gehen da voran. Ich habe große Sorgen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, wo wir nach wie vor die klare Absage an jede Klimapolitik etwa von einer der großen Parteien ... nicht der Demokraten, die regieren, die sicherlich da weitergehen würden, sondern die Republikaner, die opponieren und die aber die Mehrheit mit in einem Haus haben, im Senat brauchen wir beide. Also, dort gibt es eine gewaltige, schwierige Situation, die man sehen muss, und dass dort ... Die Amerikaner haben noch nie verbindliche Ziele akzeptiert, auch nicht in Kyoto. Dass man dort jetzt vorankommt, ist eben die große Schwierigkeit. Und deswegen sage ich noch einmal: Auch wenn man dieses jetzt nicht bekommt, ist Handeln das Gebot der Stunde. Deswegen ist es ja richtig gewesen, dass wir in Deutschland so nachhaltig und so intensiv auf erneuerbare Energien setzen. Das sind auch Exportartikel, das sind Belege dafür, dass man wirtschaftliche Stabilität erhalten kann, ohne dass man verstärkt in Kohle oder Mineralöl investiert, und gleichzeitig auch die Kernenergie zu Ende bringt.
Brink: Sie waren ja Vorsitzender der Ethikkommission, die diese Energiewende in Deutschland eingeleitet hat. Sie haben es angesprochen, wird denn der Ausbau der erneuerbaren Energie in Deutschland schnell genug vorangehen?
Töpfer: Also, man muss erst mal festhalten, er ist schneller vorangegangen, als viele, viele gedacht haben. Wir haben jetzt schon einen Anteil von etwas über 20 Prozent an der Stromerzeugung, der von den erneuerbaren Energien kommt, und dabei ist Deutschland ein Land, das nur sehr wenig Wasserkraft hat. Dass die Anteile in Österreich zum Beispiel wesentlich größer sind, ist von der Situation dort auch der anderen Topografie her mitgegeben. Wir sehen, dass wir das Ziel, bis 2020 35 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu bekommen, von der Bundesregierung beschlossen haben, dass dieses auch allgemein in der Gesellschaft so akzeptiert wird. Wir sehen, sehr viel ist großartig in Gang gekommen bei dem, was wir mit Energiegenossenschaften sehen. Also, mit den Bewegungen von unten, die Bürger werden mit eingebunden. Alles das ist ja nicht nur eine energiepolitisch bedeutsame Tatsache, sondern auch eine demokratiepolitische, ganz, ganz wichtige Veränderung. Das sollte man nie unterschätzen. Und ich sage noch einmal: Wir müssen belegen, dass es geht, ohne mehr fossile Energien und ohne Kernenergie wirtschaftliche Stabilität zu erhalten. Wird uns das bei uns nicht gelingen, wird es extrem schwer sein, auch Entwicklungsländer davon zu überzeugen, dass sie ihren dringlich notwendigen wirtschaftlichen Entwicklungsprozess nur mit erneuerbaren Energien und ohne Belastung des Klimas durchführen.
Brink: Der ehemalige Umweltminister und Chef des UN-Klima-Programms Klaus Töpfer. Schönen Dank, Herr Töpfer, für das Gespräch!
Töpfer: Danke Ihnen auch herzlich, alles Gute für Sie, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!
Brink: Man könnte fast resignieren, haben Sie wörtlich gestern gesagt. Was kann in Durban überhaupt noch erreicht werden?
Töpfer: Man darf nicht resignieren und deswegen ist es richtig, dass die Verantwortlichen der Staaten dort wieder zusammenkommen. Was man erreichen kann, das ist wahrscheinlich nicht, dass wir eine Anschlussregelung für dieses sogenannte Kyoto-Protokoll bekommen, also klare Zielsetzung und Zeitpläne, wie man die klimabelastende Stoffe, vornehmlich also Kohlendioxyd, aber auch Methan oder Ozon und andere in den Griff bekommt. Und das ist dringlich notwendig, weil wir – Sie sagten es – im letzten Jahr einen Zuwachs an CO2-Emissionen in der Größenordnung von 5,8 Prozent weltweit gehabt haben. Also, nicht nur, dass wir nicht weiter ansteigen oder gar sinken in der Belastung der Atmosphäre, es geht weiter massiv voran. Und das ist das, was mich dazu gebracht hat ... Die Ausgangslage lässt einen fast resignieren, aber ich sage es noch einmal: Fast bereut man, dass man es gesagt hat, einfach deswegen, weil dann vielleicht andere müde werden könnten. Es geht darum, die Wege zu finden, die andere, gerade auch in Entwicklungsländern, mitgehen können, die ja anders als wir wirklich noch von großer Not gepeinigt werden. Ich bin acht Jahre lang in Afrika gewesen, ich weiß, dass man da dringlich wirtschaftliche Entwicklung braucht, dasselbe gilt für weite Teile Asiens, Lateinamerikas. Und von daher gesehen brauchen wir Energie.
Brink: Herr Töpfer, Sie selbst haben sich ja nun überaus skeptisch gezeigt: Was soll denn ein neues Abkommen mindestens beinhalten?
Töpfer: Ja, zumindest müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir das, was wir zum Schutz der Wälder machen – Wälder sind ja Aufnahmeflächen für diese Klimagase –, dass wir das jetzt auch wirklich umsetzen. Zweitens, es muss klargemacht werden, dass wir uns an Klimaveränderung anpassen müssen, und das fällt denen, die am stärksten betroffen sind und am wenigsten dazu beigetragen haben, nämlich den Entwicklungsländern, massiv schwer, in Technik und finanziellen Leistungen. Also muss dort was weitergebracht werden, was wir als einen sauberen, grünen Fonds bezeichnen. Und da weiß ich, wie schwer das ist, wenn Sie sehen, welche Schuldendesaster wir in den sogenannten hoch entwickelten, in Anführungsstrichen "reichen" Ländern haben, die ja da in diesen Fonds einzahlen müssen. Also, das ist der nächste Punkt, der wirklich erreicht werden muss. Es muss erreicht werden, dass wir einen Technologietransfer haben, dass wir saubere Energietechniken von den hoch entwickelten Ländern, also auch von uns hier in Deutschland, diesen Ländern zur Verfügung stellen können. Eine Sache, die ganz, ganz zwingend und notwendig ist, weil man sonst die eingefahrenen, alten Wege weitergehen wird, mit denen auch wir ja einmal unser Wirtschaftswachstum ökologisch subventioniert haben. Also, das sind Mindestgrößen, die man haben muss, und man muss sich endlich auf einen Fahrplan einigen können, wie man gemeinsam weltweit gegen diese Probleme vorgeht, immer mit dem Hinweis darauf: Diejenigen, die da vorangehen, werden auch ökonomische Vorteile haben, denn das sind die Energietechniken, die wir in der Zukunft brauchen.
Brink: Aber wie kann man sich gemeinsam auf einen Fahrplan einigen, wenn zum Beispiel die USA nach wie vor behindern oder auch China, eines der größten Treibhausproduzenten, sich überhaupt irgendwelchen Verpflichtungen verweigert?
Töpfer: Ja, bei China wäre ich erst mal vorsichtig, die Chinesen wissen jetzt natürlich sehr, sehr klar, dass sie die Hauptleidtragenden des Klimawandels auch sind. Sie haben nicht zufälligerweise ihren neuen Fünfjahresplan als, wie es englisch heißt, Low Carbon Economy, also niedrige Kohlenstoffwirtschaft, gekennzeichnet. Sie gehen ran, die Energieeffizienz deutlich zu erhöhen, sie investieren intensivst in alternative Energien, vor allen Dingen in Wind und in Sonne, und sie sind dabei, intern in China auch die Handelsregelung zu finden für CO2, die wir in Europa ebenfalls haben. Die sind noch nicht so weit, dass sie sagen, wir machen das international verbindlich, aber sie gehen da voran. Ich habe große Sorgen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, wo wir nach wie vor die klare Absage an jede Klimapolitik etwa von einer der großen Parteien ... nicht der Demokraten, die regieren, die sicherlich da weitergehen würden, sondern die Republikaner, die opponieren und die aber die Mehrheit mit in einem Haus haben, im Senat brauchen wir beide. Also, dort gibt es eine gewaltige, schwierige Situation, die man sehen muss, und dass dort ... Die Amerikaner haben noch nie verbindliche Ziele akzeptiert, auch nicht in Kyoto. Dass man dort jetzt vorankommt, ist eben die große Schwierigkeit. Und deswegen sage ich noch einmal: Auch wenn man dieses jetzt nicht bekommt, ist Handeln das Gebot der Stunde. Deswegen ist es ja richtig gewesen, dass wir in Deutschland so nachhaltig und so intensiv auf erneuerbare Energien setzen. Das sind auch Exportartikel, das sind Belege dafür, dass man wirtschaftliche Stabilität erhalten kann, ohne dass man verstärkt in Kohle oder Mineralöl investiert, und gleichzeitig auch die Kernenergie zu Ende bringt.
Brink: Sie waren ja Vorsitzender der Ethikkommission, die diese Energiewende in Deutschland eingeleitet hat. Sie haben es angesprochen, wird denn der Ausbau der erneuerbaren Energie in Deutschland schnell genug vorangehen?
Töpfer: Also, man muss erst mal festhalten, er ist schneller vorangegangen, als viele, viele gedacht haben. Wir haben jetzt schon einen Anteil von etwas über 20 Prozent an der Stromerzeugung, der von den erneuerbaren Energien kommt, und dabei ist Deutschland ein Land, das nur sehr wenig Wasserkraft hat. Dass die Anteile in Österreich zum Beispiel wesentlich größer sind, ist von der Situation dort auch der anderen Topografie her mitgegeben. Wir sehen, dass wir das Ziel, bis 2020 35 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu bekommen, von der Bundesregierung beschlossen haben, dass dieses auch allgemein in der Gesellschaft so akzeptiert wird. Wir sehen, sehr viel ist großartig in Gang gekommen bei dem, was wir mit Energiegenossenschaften sehen. Also, mit den Bewegungen von unten, die Bürger werden mit eingebunden. Alles das ist ja nicht nur eine energiepolitisch bedeutsame Tatsache, sondern auch eine demokratiepolitische, ganz, ganz wichtige Veränderung. Das sollte man nie unterschätzen. Und ich sage noch einmal: Wir müssen belegen, dass es geht, ohne mehr fossile Energien und ohne Kernenergie wirtschaftliche Stabilität zu erhalten. Wird uns das bei uns nicht gelingen, wird es extrem schwer sein, auch Entwicklungsländer davon zu überzeugen, dass sie ihren dringlich notwendigen wirtschaftlichen Entwicklungsprozess nur mit erneuerbaren Energien und ohne Belastung des Klimas durchführen.
Brink: Der ehemalige Umweltminister und Chef des UN-Klima-Programms Klaus Töpfer. Schönen Dank, Herr Töpfer, für das Gespräch!
Töpfer: Danke Ihnen auch herzlich, alles Gute für Sie, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.