"Man spielt für sich selbst, mit guten Musikern, mit Freunden"
Das Angebot an Musik und Konzerten in Berlin sei enorm, sagt Elena Bashkirova, künstlerische Leiterin des International Chamber Music Festival in Jerusalem, das ab morgen in Berlin zu Gast ist. Aber ein Kammermusikfestival - das gebe es in der deutschen Hauptstadt nicht.
Susanne Führer: Seit 15 Jahren gibt es in Jerusalem das International Chamber Music Festival, also das internationale Kammermusikfestival, immer im September, ein kultureller Höhepunkt in der Stadt. Die Gründerin und künstlerische Leiterin des Festivals ist die Pianistin Jelena Bashkirova, die in dieser Woche die Berliner Kammermusikfreunde beglücken wird. Das Jerusalemer Kammermusikfestival findet dann nämlich im Jüdischen Museum Berlin statt, sechs Abende lang gibt es Kammermusik von Mozart über Schönberg bis Betty Olivero. Herzlich willkommen, Frau Bashkirova!
Elena Bashkirova: Guten Tag!
Führer: Bevor wir auf Berlin blicken, betrachten wir erst noch mal das Original: Erzählen Sie uns, was ist eigentlich das Besondere an Ihrem Kammermusikfestival in Jerusalem?
Bashkirova: Diese Festivalbesonderheit, wenn man über so große Besonderheiten spricht, ist natürlich der Ort, Jerusalem selber. Die Stadt, die so anzieht, dass, sagen wir, seit Tausenden von Jahren alle Völker und alle Religionen versuchen, sie für sich zu erkämpfen. Aber uns geht es natürlich nicht darum, diese Stadt zu erkämpfen, sondern gerade, glaube ich, zu helfen, die Bevölkerung ein bisschen zu ermuntern. Weil, diese Stadt leidet seit mehreren, mehreren Jahren unter diesen Spannungen, ob das religiöse, politische Spannungen sind. Und die Leute leiden sehr darunter. Und man sieht, dass von Jahr zu Jahr dieses säkulare kulturelle Leben praktisch zugrunde geht. Also, so ein Festival ... Wir alle Musiker, wir spüren, dass wir wirklich was Wichtiges für diese Stadt tun und für dieses Publikum, das noch da ist.
Führer: Ich habe gelesen, die internationalen Interpreten, große Stars, große Namen kommen aus der ganzen Welt angereist und spielen bei Ihnen, für Sie, ohne Gage. Also, es muss etwas haben, dieses Festival, das andere nicht haben!
Bashkirova: Wissen Sie, ich finde, überhaupt ist Kammermusik, sagen wir, nicht diese Art Musik, wo man großes Geld machen kann. Da spielt man eigentlich für sich und mit guten Musikern, mit Freunden, und freut sich auf schönes Repertoire in einem kleineren Raum mit guten Kollegen und manchmal mit neuen Kollegen. Und da gibt es nicht mal so ein Wort, Star! Ich mag dieses Wort überhaupt nicht, das ist also, was ist Star? Wie gesagt, das ist also ... Wir denken nicht, wer ist mehr bekannt, und gerade die Bekanntschaft kann man auch nicht wiegen. Also, die Leute kommen ... Es ist, ich denke, einfach aus Qualität und auch in Freundschaft. Also, viele von den Kollegen sind gute Freunde und gute Musikerkollegen. Allein für das Publikum zu spielen, das kultiviert ist, intelligent, sie versteht, und trotzdem nicht gesättigt ist von vielen Sachen, die es immer bekommt, es ist ein wunderbares Gefühl! Ein wunderbares Gefühl, das wir alle haben, auf diese Bühne zu kommen und zu wissen, dass es in diesem Moment nichts Wichtigeres für diese Leute gibt.
Führer: Das Publikum ist nicht so gesättigt in Jerusalem, sagen Sie. Es gibt ja auch nicht mehr so viele Möglichkeiten in Jerusalem, Musik zu erleben. Die Menschen fahren dann nach Tel Aviv ...
Bashkirova: ... sie fahren nach Tel Aviv, die fahren ... manchmal gehen sie ins Ausland und so was, aber, nein, Jerusalem ist wirklich arm in dem Sinne. Und deswegen ist es wichtig, dort zu machen.
Führer: So, und jetzt kommen Sie nach Berlin, was ja nun nicht arm an Konzerten ist ...
Bashkirova: ... gerade das Gegenteil, das macht mich ein bisschen bange, muss ich sagen! Weil, es gibt so viel, Angebot ist enorm in Berlin natürlich. Die Idee war, unser Jerusalemer Festival hier in Berlin zu zeigen, und das ist nur möglich im Rahmen von einem kleinen Festival. Nicht ein einzelnes Konzert, von einzelnen Konzerten gibt es in Berlin so viele und so viele wunderbare Konzerte und alle großen Interpreten, jung alt, alle kommen hierher, man kann alles finden. Nur, es ist nicht so eine, sagen wir, Festivals gibt es hier von Kammermusik nicht. Es gibt einzelne Sachen, Serien und so was, und das ist vielleicht das einzige Festival, das ich kenne.
Führer: Das Jerusalemer Festival - Sie haben es gerade auch so ein bisschen angedeutet - wird ja immer auch beschrieben, dass da so eine ganz besondere Atmosphäre herrscht, also, die sich dort einfach einstellt, weil dort die Musiker eben am Rande der Wüste ein bisschen in dieser kulturellen Wüste Jerusalem dann da spielen. Hoffen Sie, dass Sie das auch in diese laute, große Stadt Berlin transportieren können?
Bashkirova: Es wird ganz anders sein, klar. Ich hoffe, dass wir, sagen wir, den Geist transportieren können und gute Musik transportieren können und interessante Programme, die sozusagen ... Zusammenstellungen, alles, was dazugehört, dass die Konzerte gut sind. Und das die Leute ein bisschen diese Form von diesen Konzerten begreifen, dass es nicht einfach so eine Kollektion von verschiedenen Stücken ist. Es gibt immer eine Dramaturgie, in jedem Programm. Was hier sein wird, weiß ich nicht, es ist eine Überraschung. Mit dem großen Berlin und lauten Berlin weiß ich nicht, weil das Jüdische Museum, wo wir das spielen, schon ein besonderer Ort ist. Da herrscht eine besondere Atmosphäre, es ist sehr ruhig an sich. Und ich hoffe, dass man diese Ruhe dazu benutzen kann, um diese besondere Atmosphäre wieder zu schaffen, eine andere besondere Atmosphäre.
Führer: Jelena Bashkirova im Deutschlandradio Kultur, wir sprechen über ihr Jerusalem International Chamber Music Festival, das morgen in Berlin beginnen wird. Kommen wir mal ein bisschen zu dem Programm jetzt hier in Berlin, Frau Bashkirova: Es gibt viel Mozart, habe ich gesehen, viel Schönberg, kein Beethoven, zu meiner Enttäuschung ...
Bashkirova: ... es tut mir leid! ...
Führer: ... und ein für das Festival extra komponiertes Werk, nämlich "Requiem" von Matan Porat, ich hoffe, ich spreche das richtig aus ...
Bashkirova: Matan Porat.
Führer: Matan Porat. Was ist das für ein Werk?
Bashkirova: Ja, erst mal muss ich zu Mozart zurückkommen: Wir haben in jedem Konzert, sagen wir, ein Schwerpunkt ist ein anderer Komponist eigentlich. Mozart ist im ersten Konzert, morgen. Dann kommen, zum Beispiel im zweiten Konzert ist russische Musik Schwerpunkt, und drittes Konzert ist Schumann Schwerpunkt, viertes ist Brahms und am Samstag ist Schubert, Sonntag Mendelssohn. Also, was ist ... Natürlich, ein gemeinsamer, sagen wir, roter Faden ist Schönberg. In jedem Konzert gibt es ein größeres Stück von Schönberg, weil, ich finde, das ist wichtig. Schönberg ist also die Brücke. Einmal ist es die Brücke zwischen, sagen wir, Klassik und heute ...
Führer: ... Moderne, ja ...
Bashkirova: ... ja, man kann das ... Manche bezeichnen das als gerade sozusagen revolutionär und manche denken, dass er alles verdorben hat. Aber auf alle Fälle ist er ein sehr, sehr wichtiger Komponist, und ich finde, gerade im Jüdischen Museum in Berlin ist es ein angebrachter Platz, seine Werke zu spielen. Und so hat jedes Konzert ein Schönberg-Stück. Und so wie in Jerusalem möchte ich hier, wenn es geht, eine Tradition auch anfangen mit neuen Werken. Wir haben dort seit zehn Jahren praktisch jedes Jahr ein oder zwei Werke in Auftrag gegeben und uraufgeführt und das ist sehr wichtig!
Führer: Und dieses "Requiem" jetzt?
Bashkirova: "Requien", das ist ein neues Stück und der Matan Porat ist ein sehr begabter junger israelischer Pianist und Komponist und er hat auch vor zehn Jahren schon, glaube ich, oder acht Jahren bei uns angefangen. Damals nur Klavier und dann hat man auch seine Werke ein paar Mal gespielt. Und er ist sehr begabt und ich dachte, das wäre doch toll, hier eine Premiere zu machen, eine Uraufführung.
Führer: Das Festival wird sechs Tage dauern, es gibt jeden Abend fünf verschiedene Werke, es kommen bekannte, große Interpreten, es kommen auch junge, noch nicht so bekannte. Vielleicht ist die Frage gemein: Also, bei diesen 30 Stücken, die aufgeführt werden, aber gibt es eines, auf das Sie sich besonders freuen?
Bashkirova: Ich freue mich praktisch auf alle Stücke. Ich habe das nicht genau gezählt. Ich habe die Programme so gestellt, dass die Sinn haben, aber nein, in jedem Konzert gibt es so, sagen wir, bekanntere Stücke und weniger bekannte Stücke. Und ich glaube, fürs Publikum wird das bestimmt interessant, weil sich keine Besetzung wiederholt. Es sind immer andere Leute und andere Besetzungen auf der Bühne.
Führer: Wo Sie Besetzung sagen: Also, Sie treten natürlich auch selbst auf und es wird ja ein richtiges Familientreffen, Ihr Mann, Daniel Barenboim, wird auch auftreten, und Ihr Sohn Michael Barenboim auch!
Bashkirova: Ja, dafür kann ich nichts! Die sind meine Familie und ...
Führer: Dafür können Sie nichts?
Bashkirova: Dafür kann ich nichts, aber, dass sie sozusagen ... Das sind natürlich fantastische Musiker, mein Mann, wie gesagt, ich bin sehr glücklich, dass er die Zeit gefunden hat, mitzumachen. Für mich war das eine große Überraschung und ich bin wahnsinnig froh!
Führer: Sie haben vorhin schon den besonderen Ort erwähnt, Frau Bashkirova, an dem das Festival stattfindet, nämlich im Jüdischen Museum Berlin. Warum eigentlich dort, warum nicht im wunderbaren Kammermusiksaal der Philharmonie?
Bashkirova: Wegen wunderbarem Kammermusiksaal der Philharmonie ... Ich bin nicht so ein großer Fan von diesem Saal, ich bin ein enormer Fan von der großen Philharmonie! Die finde ich fantastisch. Und der sogenannte kleine Saal ist sehr groß. Wenn man denkt, das sind mehr als 1000 Sitze! Das ist für Kammermusik beinahe zu groß. Auch atmosphärisch finde ich es nicht, es ist ziemlich kühl. Andere Säle in Berlin sind entweder zu klein oder befinden sich in Orten, die ein bisschen schwierig sind ... Auf alle Fälle gibt es praktisch keinen idealen Saal für Kammermusik hier. Und dann habe ich diesen Saal im Jüdischen Museum mal gesehen und der sieht sehr gut aus. Und vor allem ist es eine gute Größe für Kammermusik, da können 400 oder 500 Leute sitzen und es hat eine ziemlich gute Akustik. Das ist ein Pilotprojekt, ein Experiment, sagen wir. Und wenn das gut läuft, ich hoffe das für die Berliner und für das Museum, dass sie das weiter verfolgen. Für das Festival, aber auch für normale Konzerte!
Führer: Sehen Sie Ihr Kammermusikfestival eigentlich - ob jetzt in Jerusalem oder in Berlin - als eine rein musikalische, eine rein künstlerische Veranstaltung, oder ist es so ein bisschen ähnlich wie ... Ihr Mann, Daniel Barenboim, hat ja solche Projekte, große Projekte in diese Richtung gemacht ...
Bashkirova: ... ja, er hat dieses große Projekt mit West-Eastern Divan ... Nein, Jerusalem Festival ist ein rein musikalisches Projekt, da gibt es nichts Politisches. Und das ist auch gut so, ich finde, das muss man auch machen!
Führer: Sagt die Pianistin Jelena Bashkirova, sie ist die künstlerische Leiterin des International Chamber Music Festival, das nun ab morgen, ab Dienstag, sechs Abende lang im Jüdischen Museum in Berlin gastiert. Und ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihren Besuch hier, Frau Bashkirova!
Bashkirova: Hat mich sehr gefreut, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Elena Bashkirova: Guten Tag!
Führer: Bevor wir auf Berlin blicken, betrachten wir erst noch mal das Original: Erzählen Sie uns, was ist eigentlich das Besondere an Ihrem Kammermusikfestival in Jerusalem?
Bashkirova: Diese Festivalbesonderheit, wenn man über so große Besonderheiten spricht, ist natürlich der Ort, Jerusalem selber. Die Stadt, die so anzieht, dass, sagen wir, seit Tausenden von Jahren alle Völker und alle Religionen versuchen, sie für sich zu erkämpfen. Aber uns geht es natürlich nicht darum, diese Stadt zu erkämpfen, sondern gerade, glaube ich, zu helfen, die Bevölkerung ein bisschen zu ermuntern. Weil, diese Stadt leidet seit mehreren, mehreren Jahren unter diesen Spannungen, ob das religiöse, politische Spannungen sind. Und die Leute leiden sehr darunter. Und man sieht, dass von Jahr zu Jahr dieses säkulare kulturelle Leben praktisch zugrunde geht. Also, so ein Festival ... Wir alle Musiker, wir spüren, dass wir wirklich was Wichtiges für diese Stadt tun und für dieses Publikum, das noch da ist.
Führer: Ich habe gelesen, die internationalen Interpreten, große Stars, große Namen kommen aus der ganzen Welt angereist und spielen bei Ihnen, für Sie, ohne Gage. Also, es muss etwas haben, dieses Festival, das andere nicht haben!
Bashkirova: Wissen Sie, ich finde, überhaupt ist Kammermusik, sagen wir, nicht diese Art Musik, wo man großes Geld machen kann. Da spielt man eigentlich für sich und mit guten Musikern, mit Freunden, und freut sich auf schönes Repertoire in einem kleineren Raum mit guten Kollegen und manchmal mit neuen Kollegen. Und da gibt es nicht mal so ein Wort, Star! Ich mag dieses Wort überhaupt nicht, das ist also, was ist Star? Wie gesagt, das ist also ... Wir denken nicht, wer ist mehr bekannt, und gerade die Bekanntschaft kann man auch nicht wiegen. Also, die Leute kommen ... Es ist, ich denke, einfach aus Qualität und auch in Freundschaft. Also, viele von den Kollegen sind gute Freunde und gute Musikerkollegen. Allein für das Publikum zu spielen, das kultiviert ist, intelligent, sie versteht, und trotzdem nicht gesättigt ist von vielen Sachen, die es immer bekommt, es ist ein wunderbares Gefühl! Ein wunderbares Gefühl, das wir alle haben, auf diese Bühne zu kommen und zu wissen, dass es in diesem Moment nichts Wichtigeres für diese Leute gibt.
Führer: Das Publikum ist nicht so gesättigt in Jerusalem, sagen Sie. Es gibt ja auch nicht mehr so viele Möglichkeiten in Jerusalem, Musik zu erleben. Die Menschen fahren dann nach Tel Aviv ...
Bashkirova: ... sie fahren nach Tel Aviv, die fahren ... manchmal gehen sie ins Ausland und so was, aber, nein, Jerusalem ist wirklich arm in dem Sinne. Und deswegen ist es wichtig, dort zu machen.
Führer: So, und jetzt kommen Sie nach Berlin, was ja nun nicht arm an Konzerten ist ...
Bashkirova: ... gerade das Gegenteil, das macht mich ein bisschen bange, muss ich sagen! Weil, es gibt so viel, Angebot ist enorm in Berlin natürlich. Die Idee war, unser Jerusalemer Festival hier in Berlin zu zeigen, und das ist nur möglich im Rahmen von einem kleinen Festival. Nicht ein einzelnes Konzert, von einzelnen Konzerten gibt es in Berlin so viele und so viele wunderbare Konzerte und alle großen Interpreten, jung alt, alle kommen hierher, man kann alles finden. Nur, es ist nicht so eine, sagen wir, Festivals gibt es hier von Kammermusik nicht. Es gibt einzelne Sachen, Serien und so was, und das ist vielleicht das einzige Festival, das ich kenne.
Führer: Das Jerusalemer Festival - Sie haben es gerade auch so ein bisschen angedeutet - wird ja immer auch beschrieben, dass da so eine ganz besondere Atmosphäre herrscht, also, die sich dort einfach einstellt, weil dort die Musiker eben am Rande der Wüste ein bisschen in dieser kulturellen Wüste Jerusalem dann da spielen. Hoffen Sie, dass Sie das auch in diese laute, große Stadt Berlin transportieren können?
Bashkirova: Es wird ganz anders sein, klar. Ich hoffe, dass wir, sagen wir, den Geist transportieren können und gute Musik transportieren können und interessante Programme, die sozusagen ... Zusammenstellungen, alles, was dazugehört, dass die Konzerte gut sind. Und das die Leute ein bisschen diese Form von diesen Konzerten begreifen, dass es nicht einfach so eine Kollektion von verschiedenen Stücken ist. Es gibt immer eine Dramaturgie, in jedem Programm. Was hier sein wird, weiß ich nicht, es ist eine Überraschung. Mit dem großen Berlin und lauten Berlin weiß ich nicht, weil das Jüdische Museum, wo wir das spielen, schon ein besonderer Ort ist. Da herrscht eine besondere Atmosphäre, es ist sehr ruhig an sich. Und ich hoffe, dass man diese Ruhe dazu benutzen kann, um diese besondere Atmosphäre wieder zu schaffen, eine andere besondere Atmosphäre.
Führer: Jelena Bashkirova im Deutschlandradio Kultur, wir sprechen über ihr Jerusalem International Chamber Music Festival, das morgen in Berlin beginnen wird. Kommen wir mal ein bisschen zu dem Programm jetzt hier in Berlin, Frau Bashkirova: Es gibt viel Mozart, habe ich gesehen, viel Schönberg, kein Beethoven, zu meiner Enttäuschung ...
Bashkirova: ... es tut mir leid! ...
Führer: ... und ein für das Festival extra komponiertes Werk, nämlich "Requiem" von Matan Porat, ich hoffe, ich spreche das richtig aus ...
Bashkirova: Matan Porat.
Führer: Matan Porat. Was ist das für ein Werk?
Bashkirova: Ja, erst mal muss ich zu Mozart zurückkommen: Wir haben in jedem Konzert, sagen wir, ein Schwerpunkt ist ein anderer Komponist eigentlich. Mozart ist im ersten Konzert, morgen. Dann kommen, zum Beispiel im zweiten Konzert ist russische Musik Schwerpunkt, und drittes Konzert ist Schumann Schwerpunkt, viertes ist Brahms und am Samstag ist Schubert, Sonntag Mendelssohn. Also, was ist ... Natürlich, ein gemeinsamer, sagen wir, roter Faden ist Schönberg. In jedem Konzert gibt es ein größeres Stück von Schönberg, weil, ich finde, das ist wichtig. Schönberg ist also die Brücke. Einmal ist es die Brücke zwischen, sagen wir, Klassik und heute ...
Führer: ... Moderne, ja ...
Bashkirova: ... ja, man kann das ... Manche bezeichnen das als gerade sozusagen revolutionär und manche denken, dass er alles verdorben hat. Aber auf alle Fälle ist er ein sehr, sehr wichtiger Komponist, und ich finde, gerade im Jüdischen Museum in Berlin ist es ein angebrachter Platz, seine Werke zu spielen. Und so hat jedes Konzert ein Schönberg-Stück. Und so wie in Jerusalem möchte ich hier, wenn es geht, eine Tradition auch anfangen mit neuen Werken. Wir haben dort seit zehn Jahren praktisch jedes Jahr ein oder zwei Werke in Auftrag gegeben und uraufgeführt und das ist sehr wichtig!
Führer: Und dieses "Requiem" jetzt?
Bashkirova: "Requien", das ist ein neues Stück und der Matan Porat ist ein sehr begabter junger israelischer Pianist und Komponist und er hat auch vor zehn Jahren schon, glaube ich, oder acht Jahren bei uns angefangen. Damals nur Klavier und dann hat man auch seine Werke ein paar Mal gespielt. Und er ist sehr begabt und ich dachte, das wäre doch toll, hier eine Premiere zu machen, eine Uraufführung.
Führer: Das Festival wird sechs Tage dauern, es gibt jeden Abend fünf verschiedene Werke, es kommen bekannte, große Interpreten, es kommen auch junge, noch nicht so bekannte. Vielleicht ist die Frage gemein: Also, bei diesen 30 Stücken, die aufgeführt werden, aber gibt es eines, auf das Sie sich besonders freuen?
Bashkirova: Ich freue mich praktisch auf alle Stücke. Ich habe das nicht genau gezählt. Ich habe die Programme so gestellt, dass die Sinn haben, aber nein, in jedem Konzert gibt es so, sagen wir, bekanntere Stücke und weniger bekannte Stücke. Und ich glaube, fürs Publikum wird das bestimmt interessant, weil sich keine Besetzung wiederholt. Es sind immer andere Leute und andere Besetzungen auf der Bühne.
Führer: Wo Sie Besetzung sagen: Also, Sie treten natürlich auch selbst auf und es wird ja ein richtiges Familientreffen, Ihr Mann, Daniel Barenboim, wird auch auftreten, und Ihr Sohn Michael Barenboim auch!
Bashkirova: Ja, dafür kann ich nichts! Die sind meine Familie und ...
Führer: Dafür können Sie nichts?
Bashkirova: Dafür kann ich nichts, aber, dass sie sozusagen ... Das sind natürlich fantastische Musiker, mein Mann, wie gesagt, ich bin sehr glücklich, dass er die Zeit gefunden hat, mitzumachen. Für mich war das eine große Überraschung und ich bin wahnsinnig froh!
Führer: Sie haben vorhin schon den besonderen Ort erwähnt, Frau Bashkirova, an dem das Festival stattfindet, nämlich im Jüdischen Museum Berlin. Warum eigentlich dort, warum nicht im wunderbaren Kammermusiksaal der Philharmonie?
Bashkirova: Wegen wunderbarem Kammermusiksaal der Philharmonie ... Ich bin nicht so ein großer Fan von diesem Saal, ich bin ein enormer Fan von der großen Philharmonie! Die finde ich fantastisch. Und der sogenannte kleine Saal ist sehr groß. Wenn man denkt, das sind mehr als 1000 Sitze! Das ist für Kammermusik beinahe zu groß. Auch atmosphärisch finde ich es nicht, es ist ziemlich kühl. Andere Säle in Berlin sind entweder zu klein oder befinden sich in Orten, die ein bisschen schwierig sind ... Auf alle Fälle gibt es praktisch keinen idealen Saal für Kammermusik hier. Und dann habe ich diesen Saal im Jüdischen Museum mal gesehen und der sieht sehr gut aus. Und vor allem ist es eine gute Größe für Kammermusik, da können 400 oder 500 Leute sitzen und es hat eine ziemlich gute Akustik. Das ist ein Pilotprojekt, ein Experiment, sagen wir. Und wenn das gut läuft, ich hoffe das für die Berliner und für das Museum, dass sie das weiter verfolgen. Für das Festival, aber auch für normale Konzerte!
Führer: Sehen Sie Ihr Kammermusikfestival eigentlich - ob jetzt in Jerusalem oder in Berlin - als eine rein musikalische, eine rein künstlerische Veranstaltung, oder ist es so ein bisschen ähnlich wie ... Ihr Mann, Daniel Barenboim, hat ja solche Projekte, große Projekte in diese Richtung gemacht ...
Bashkirova: ... ja, er hat dieses große Projekt mit West-Eastern Divan ... Nein, Jerusalem Festival ist ein rein musikalisches Projekt, da gibt es nichts Politisches. Und das ist auch gut so, ich finde, das muss man auch machen!
Führer: Sagt die Pianistin Jelena Bashkirova, sie ist die künstlerische Leiterin des International Chamber Music Festival, das nun ab morgen, ab Dienstag, sechs Abende lang im Jüdischen Museum in Berlin gastiert. Und ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihren Besuch hier, Frau Bashkirova!
Bashkirova: Hat mich sehr gefreut, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.