Mandolin Orange ist jetzt Watchhouse

Neuer Name, gleicher Sound

06:08 Minuten
Emily Frantz und Andre Marlin stehen auf dem schwarzweiß Fotodicht beisammen. Frantz bettet von hinten ihren Kopf auf Marlins Schulter und schmiegt sich an ihn. Beide tragen dunkle Kleidung.
Emily Frantz und Andrew Marlin waren Mandolin Orange - und sind jetzt Watchhouse. Wegen der Umbenennung haben sie auch Hasskommentare erhalten. © Shervin Lainez
Von Kerstin Poppendieck |
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Das Americana/Folk-Duo Mandolin Orange hatte sich gerade zu einer vielbeachteten Größe in der Szene entwickelt und Hallen gefüllt, da benennt es sich plötzlich um. Warum?
"Keine Mandoline mehr im Namen, aber immer noch viele Mandolinen in der Band" – so fasst Andrew Marlin, eine Hälfte des Duos Watchhouse, den Namenswechsel zusammen.
Was ist schon ein Name, könnte man sagen – laut Goethes Faust nur Schall und Rauch. Aber bei einem Bandnamen ist es doch etwas anders: Da ist der Name gleichzeitig eine Marke, im besten Fall ein Synonym für einen bestimmten Klang. Solch einen Namen zu etablieren dauert nicht selten Jahre, gerade wenn man aus der Indie-Szene kommt.

Tschüss Mandolin Orange

Andrew Marlin und seine Partnerin Emily Frantz hat das aber nicht davon abgehalten, sich vom Bandnamen Mandolin Orange zu verabschieden. "Ich wollte schon lange den Bandnamen ändern", sagt er. "Als wir uns für den Namen entschieden, waren wir Anfang 20, jetzt bin ich 34."
Vieles habe sich verändert in dieser Zeit, fährt er fort: "Wir haben viele Erfahrungen gesammelt, neue Einflüsse gefunden. Das zusammen mit der Pandemie war für mich ein guter Zeitpunkt für einen Neustart: Das ist eine künstlerische Reise, die wir machen, keine kapitalistische."
Das neue Album heißt genauso, wie die Band jetzt auch heißt: "Watchhouse".

Der Klang und die Musik bleiben

Was Andrew Marlin mit "Neustart" genau meint, bleibt unklar, wenn man das Album hört. Am Klang des Duos hat sich nichts geändert: Instrumente, die in der traditionellen Americana Musik verankert sind, bestimmen den Klang: akustische Gitarren, Geigen, Mundharmonika und natürlich Mandolinen. Leise, intensive Folksongs mit dem wundervollen Harmoniegesang von Emily Frantz und Marlin.
Für ihn sei es bei der Namensänderung auch nie darum gegangen, den Musikstil zu verändern, erklärt Andrew Marlin. "Es gab einen Ort, zu dem wir immer gefahren sind, als ich 14, 15, 16 war. Watchhouse hieß dieser Platz, eine kleine Hütte auf Stelzen ohne Strom. Da sind wir Boot gefahren, waren schwimmen und angeln. Da waren wir wirklich fernab jeglicher Zivilisation, und ich fand's toll."
In der letzten Zeit habe er viel im Kopf gehabt, sagt der Musiker, er habe sich nach dieser unbeschwerten Zeit im Watchhouse zurückgesehnt. "Der Bandname beschreibt also nicht die Band, sondern einen Ort, an den Leute gehen können, um unsere Musik zu hören."

Ermutigend und empathisch

Sich fallen lassen, abschalten, den alltäglichen Stress für 40 Minuten ausblenden, genau das schafft Watchhouse mit diesem Album. Nichts an dieser eingängigen, harmonischen Musik regt auf oder irritiert.
Dem einen oder anderen könnte das vielleicht zu glattgeschliffen und belanglos sein. Auch wenn die neun Songs fast übergangslos ineinanderfließen, ist nichts an diesem Album belanglos: angefangen bei den vielschichtigen Arrangements bis hin zu den Texten.
Selbst bei Themen wie Klimawandel oder Cybermobbing schaffen es Watchhouse, einen empathischen Ton zu finden. Weniger vorwurfsvoll, mehr ermutigend. Wie in dem Song "Better Way", wenn Andrew Marlin singt: "Ich hoffe, Du findest einen Weg, freundlicher zu sein."
"Ich stelle in diesem Lied einfach nur Fragen", sagt Marlin dazu. "Zum Beispiel, warum Menschen andere Menschen im Internet fertigmachen. Es gibt so viel Hass im Internet, wahrscheinlich, weil sich diese Leute im Internet anonym fühlen und glauben, das Recht zu haben, Künstler niederzumachen, Politiker niederzumachen, wen auch immer. Dabei haben wir gerade so viele Probleme in unserer Gesellschaft, dass das das genaue Gegenteil von dem ist, was wir jetzt tun sollten."

Hasskommentare im Internet

Auch Andrew Marlin und Emily Frantz müssen oft Hasskommentare über sich im Internet lesen, zuletzt aufgrund der Namensänderung, mit der viele Fans offensichtlich ein Problem haben.
Für Emily Frantz und Andrew Marlin dagegen beginnt mit Watchhouse ein neues Kapitel in ihrer Karriere – und auch in ihrem Leben. Die beiden machen nicht nur zusammen Musik, sie sind auch privat ein Paar und haben vor kurzem ein Baby bekommen.
Ein Großteil des Albums entstand deshalb nachts. Und das ist auch die beste Zeit, es zu hören: Nachts, wenn die Welt alle Farben verloren hat und kein Tagesstress ablenkt, dann spürt man diese Musik am intensivsten. Mandolin Orange heißt jetzt Watchhouse – sonst ändert sich zum Glück nix.
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