Manganknollen - Schätze auf dem Meeresgrund

Von Jens Wellhöner |
Etwa 120 Milliarden Tonnen betragen die Vorräte an wertvollen Metallen in den sogenannten Manganknollen. Die liegen auf dem Grund der Tiefsee und sehen aus wie ein schwarzer Blumenkohl. Die Knollen haben es in sich: Nickel, Kobalt, Mangan - alles wichtige Rohstoffe für die Industrie.
Ein Abbau auf dem Grund der Tiefsee wäre ein Milliardengeschäft. Bisher weiß die Wissenschaft aber noch nicht viel über diese Knollen. Deutsche Wissenschaftler sind gerade unterwegs zu einem großen Vorkommen. In der Südsee. Sie wollen die geheimnisvollen Knollen erforschen.

Im Hafen von Papeete, der Hauptstadt von Tahiti: Das deutsche Forschungsschiff SONNE legt an. Bald werden Wissenschaftler an Bord kommen. Und letzte Vorbereitungen treffen, für ihre Expedition zu den Manganknollen. Unter ihnen ist Anton Eisenhauer, Meeresgeologe am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. Zweieinhalb Tage dauert für ihn die Reise von Deutschland nach Tahiti. Mit dem Forschungsschiff ist er dann noch eine Woche unterwegs, bis zum Ziel, weit entfernt auf dem offenen Pazifik:


"Der Pazifik wird dort seinem Namen hoffentlich alle Ehre machen und es wird ruhig sein!"

Der Stille Ozean birgt auf seinem Grund ein Geheimnis: Es sieht so aus wie Blumenkohl, ist aber braun-schwarz. Und kiloschwer: Manganknollen. Einige sind so groß wie eine Kartoffel. Andere bringen es auf immerhin einen Meter im Durchmesser. Solche Riesen-Exemplare sind uralt:

"Man kann es nicht genau sagen. Aber ich würde sagen, dass es mehrere Millionen Jahre sind. Vielleicht 10 bis 20 Millionen Jahre."

Diese Methusalems am Meeresgrund sind für die Industrie ein Objekt der Begierde. Sie enthalten nämlich einen wahren Schatz an wertvollen Metallen: Kupfer, Nickel und Kobalt. Meeresgeologe Anton Eisenhauer:

"Diese Manganknollen, Krusten sind attraktiv, immer dann wenn der Weltmarktpreis bestimmter Elemente in die Höhe schnellt. Das ist im Moment der Fall für die Solarzellen, die Solarzellenindustrie. Japan, China produzieren sehr viele. Dort kommt man langsam an Grenzen, was die terrestrischen Lagerstätten angeht. Das heißt man sucht nach neuen Quellen."


Auf dem Festland wird die Rohstoffförderung immer teurer. Durch politische Krisen, Putsche und Bürgerkriege. Aber auch durch Spekulation an der Börse. Seit dem Jahr 2000 stieg der Preis für Kupfer und Nickel zum Beispiel um das dreifache. Die Industrie muss durch die teuren Rohstoffe immer mehr Geld für ihre Produktion ausgeben, allein in Deutschland zwischen den Jahren 2003 und 2007 über 90 Milliarden Euro. Und so werden auch Halbleiter, Solarzellen und Autos immer teurer. Die Manganknollen sollen nun einen Ausweg bieten, aus der Preisspirale. Geplant ist ein Abbau in der Tiefsee, ein gigantisches Unternehmen. Aber:

"Alles eine Frage des Preises. Wenn die Rohstoffpreise weiter anziehen und das bezahlbar wird und die Menschheit bereit ist, den Preis dafür zu bezahlen, wird das sicherlich kommen."

Aber zuerst wollen die Wissenschaftler die wertvollen Knollen erst einmal genauer kenne lernen. Bisher wissen sie nämlich nicht viel mehr, als das es sie gibt. Wie sie entstanden sind, warum sie an einigen Stellen der Tiefsee geradezu massenhaft auftreten: Das ist unklar. Das Forschungsschiff Sonne wird von Tahiti aus zur sogenannten Clarion-Clipperton-Bruchzone fahren, einem Gebiet am Meeresgrund im Pazifik. Dicht am Äquator. Diese Zone ist riesig, von Ost nach West misst sie 7000 Kilometer. Mitten in diesem Gebiet ist quasi eine Hochburg der Manganknollen:

Vulkane gibt es hier am Meeresgrund zuhauf.

Denn zwei Erdplatten reiben sich in dieser Zone aneinander, es kommt zu Vulkanismus und Brüchen in der Erdkruste. Und so besteht die Clarion-Clipperton-Zone aus fast unzählig vielen Bergen, Ebenen und Klippen. Als hätte ein Riesenpflug den Meeresboden aufgerissen. Und das alles in einer Tiefe von über 4000 Metern. Dieses Gebiet hat noch eine wichtige Eigenschaft: Hier gibt es kaum Sedimente, also Ablagerungen am Meeresgrund:

"Aufgrund dieser Eigenschaft wachsen am Boden dieser Clarion-Clipperton-Fracture-Zone diese sogenannten Manganknollen. Und an den unterseeischen Bergen, den sogenannten Sea-Mounds, haben wir eine große Menge von Krusten, die die Hänge dieser Berge bedecken."

Und jede dieser Krusten ist so groß wie mehrere Fußballfelder. Und sie sind sehr dick:


"Ja, es gibt Belegdichten von mehreren hundert bis zu hundert Kilogramm pro Quadratmeter."

Eine gewaltige Menge an wertvollem Metall.

Fahren die Forscher mit einem Tiefseetauchboot über solche Krusten, präsentiert sich ihnen eine Mondlandschaft aus Abertausenden von Knollen, sie liegen dicht an dicht. Wie ein gigantisches Blumenkohlfeld. Auch an anderen Stellen im Ozean gibt es die Manganknollen. Aber hier in der Clarion-Clipperton-Bruchzone wurden bis jetzt die meisten entdeckt. Grund genug für die Industrienationen, ein Auge auf dieses Vorkommen zu werfen.

"Die Bergbaurechte für die internationalen Gewässer werden von der International Seabed Authority vergeben. Das ist eine Unterbehörde der UNO mit Sitz in Kingston/Jamaika."

Sie vergibt Schürfrechte in der Clarion-Clipperton-Bruchzone, sogenannte Claims. Das sind riesige Gebiete am Meeresgrund, groß wie ganze Staaten. Goldgräberstimmung, wie vor 100 Jahren am Klondike in Kanada. Nur das jetzt der Meeresboden verteilt wird. China, Korea und Frankreich sicherten sich schon früh ein großes Stück am Manganknollenkuchen. Die Bundesrepublik kam spät. Es reichte aber immer noch für ein Gebiet halb so groß wie Deutschland selber. Mit vielen Knollen. Anton Eisenhauer:

"Die Menge, die jetzt im deutschen Lizenzgebiet liegt, ist sicherlich sehr hoch. Genaue Zahlen weiß man nicht. Man kann aber von circa einer Milliarde Tonnen an Manganeisenknollen ausgehen."

Ingenieure haben sich schon ausgedacht, wie man die Manganknollen in der Tiefsee abbauen kann. Vom Schiff ferngesteuerte Kettenfahrzeuge sollen wie gigantische Schneemobile den Meeresgrund abweiden. Eine andere Methode ist der sogenannte Meeresstaubsauger. So groß wie ein Einfamilienhaus:

"Er wird in Raupenform über den Meeresgrund fahren und dort großflächig, mehrere Quadratkilometer am Tag abernten können."

Für Umweltschützer sind solche Erntemaschinen am Meeresgrund eine Horrorvorstellung. Sie brechen nämlich den Meeresboden auf. Ingo Ludwichowski, Sprecher des Naturschutzbunds NABU in Schleswig-Holstein:

"Wir gehen davon aus, das mit dem Schürfen am Meeresgrund dieselben Probleme wie mit der Grundnetzfischerei auftreten. Das heißt, es wird dort das Sediment aufgewirbelt. Es werden dort die Strukturen, die dort zu finden sind, wie etwa Korallen, zerstört. Und es gelangen beim Absaugen Organismen in die Maschinerie."


Die Tiefsee ist ein artenreiches Ökosystem, reich an kleinen Fischen und Bakterien. Und sie erholt sich nur langsam von Eingriffen: Bei einem Versuch rissen Forscher mit einer Art Egge den Meeresboden auf. Noch nach zweieinhalb Jahren hatte sich das Leben am Meeresgrund nicht normalisiert. Die Umweltschützer erkennen zwar an, dass Metalle gebraucht werden, um neue Sonnenkollektoren zu bauen. Sie sehen aber ein Dilemma: Um nachhaltige Energieformen zu fördern wird die Umwelt am Meeresgrund geschädigt. Ingo Ludwichowski:

"Nachhaltigkeit sieht sicherlich anders aus. Man wird auch darüber nachdenken müssen, die Recycling-Basis dieser Metallen zu erhöhen. Das heißt, auf die Art und Weise der Bedarf an diesen Metallen verringert wird."

Der Vertreter des NABU sieht noch ein weiteres Problem: Das Ökosystem Tiefsee ist noch kaum erforscht:

"Zumindest sollte man vorher untersuchen, was man dort anrichtet, um dann möglichst, wenn es nicht aufzuhalten ist, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten."

Die deutschen Wissenschaftler sollen jetzt mehr über die Knollen am Meeresgrund heraus bekommen. Das ist auch eine Auflage der UNO für die Schürflizenz. Meeresgeologe Eisenhauer interessiert zum Beispiel, wie die Manganknollen überhaupt entstanden sind. Eines ist schon sicher: Am Anfang der Entstehung steht bei einigen Knollen:


"Ein Haifischzahn. Dieser Haifischzahn kann als Substrat wirken. Und aus irgend welchen Gründen, chemischen Prozessen, lagert sich dann das im Wasser gelöste Metall - Mangan, Eisen oder andere Spurenelemente - an diesem Zahn ab. Und dann Lage für Lage wächst dieser Zahn zu. Und mit der Zeit bildet sich eben so eine Knolle."

Den Zahn entdeckten die Forscher mitten in der Knolle. Ein Zahn oder ein Fischskelett: Irgend etwas festes brauch es, damit sich eine Manganknolle bilden kann. Und sie wächst unvorstellbar langsam. Einen Millimeter pro einer Million Jahre. Einer der langsamsten chemischen Prozesse der Welt. Dabei fangen sie quasi aus dem Meerwasser viele verschiedenen Metalle ein: Besonders spannend für den Meeresgeologen:

"Und alle diese Metalle oder ihre Konzentration oder Elementverhältnisse erzählen uns etwas über die Geschichte des Meerwassers."

Die Methusalems der Tiefsee sind also Archive der Vergangenheit der Ozeane. Und können so den Forschern viel verraten, auch über Klimaänderungen in der Erdgeschichte. Denn die zeichnen sich auch in der Zusammensetzung des Meerwassers ab. Es gibt also viel zu forschen.

Die Knollen liegen allerdings ja in einer Tiefe von über 4000 Metern. Es ist so, als wenn man vom Mont Blanc hinunterschaut ins tiefste Tal: Sagt Anton Eisenhauer. Um an den Knollen heran zu kommen, benutzen er und seine Kollegen auf dem Forschungsschiff Sonne einen High-Tech-Greifer:

"Man muss sich das vorstellen wie eine große, überdimensionale Baggerschaufel. Die wir an einem Drahtseil über eine Winde in die Tiefe abfieren können. Und wir können dann durch eine eingebaute Videokamera den Meeresboden beobachten. Und können uns dann aussuchen, wo wir eine Probe nehmen."


So hoffen die Wissenschaftler mehr und mehr Geheimnisse der Manganknollen zu lüften. Und sie im wahrsten Sinn ans Licht zu bringen. Allerdings: Andere Nationen wollen schnell mit dem Bergbau unter Wasser beginnen. Und zwar in ihren eigenen Hoheitsgewässern, ohne lange Anfahrtswege, die die Förderung verteuern. Und ohne Umweltschutzauflagen der UNO. So hoffen zum Beispiel Südseestaaten wie die Marshallinseln auf ein großes Geschäft. Die Deutschen werden da nicht mitmachen, versichert Geologe Anton Eisenhauer. Der Kampf um die Knollen der Tiefsee hat also schon begonnen.