"Mangelnde Ausbildungsreife"

Von Georg Gruber |
Hohe Anforderungen – knallharte Konkurrenz: so lässt sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt im Moment beschreiben. Die Lage ist trotz Ausbildungspakt und vieler guter Worte noch ernster als im vorigen Jahr und die Klagen über sogenannte "ausbildungsunfähige" Jugendliche reißen nicht ab. Was müssen Jugendliche – außer einem akzeptablen Zeugnis – mitbringen, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen?
Junge: " Ich bin auf der Suche nach einer Lehrstelle, aber im Moment ist es sehr schwierig, ich hab um die 40 Bewerbungen abgeschickt bis jetzt, nur 10 hab ich zurück gekriegt bis jetzt und das sind alles Absagen. Als KFZ-Mechatroniker hab ich mich beworben…"

Mädchen: " Es kamen nur Absagen bis jetzt, als Bürokauffrau, aber nur alles Absagen, noch nicht mal ein Vorstellungsgespräch."


Eine 10. Klasse in einer Realschule in Berlin. Von 24 Schülerinnen und Schülern haben gerade mal drei eine Lehrstelle:

Junge: " Als Maler und Lackierer hab ich einmal eine Ausbildungsstelle bekommen und eine Variante wäre auch noch für mich, die ich auch bekommen hätte, als Bootsmechaniker, durch meinen Vater, weil der auch eine eigene Firma hat."

Die Banknachbarin wird, wenn alles glatt läuft, in den kommenden Tagen einen Vertrag als Arzthelferin unterschreiben. Viele Realschüler wollen aufs Gymnasium oder an andere weiterführende Schulen, um damit ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu verbessern.

Junge: "Ich möchte weiter zur Schule gehen, mein Fachabi, und dann mal kucken, vielleicht Polizist…"

Polizist – in Krisenzeiten ein Wunschberuf von vielen Jugendlichen, vor zehn Jahren noch wäre das undenkbar gewesen. Aber auch hier sind Bewerber mit Realschulabschluss nur zweite Wahl. Schulleiter Werner Lindemeier kann sich an bessere Zeiten erinnern.

"Im Grunde ist der Realschüler immer noch bevorteilt, ist noch anders dran als ein Hauptschüler, der ist noch schlechter dran, aber die Gespräche, die wir in den 80er Jahren geführt haben, dort hatten die meisten Schüler von der Schule immer eine Lehrstelle, ein, zwei fielen raus, ist auch immer so gewesen, aber die meisten hatten eine Lehrstelle, bzw. gingen in die gymnasiale Oberstufe, dieses ist Jahr für Jahr schlechter geworden, aber das ist ablesbar an der allgemeinen Lehrstellensituation."

Während sich Schulabgänger schwer tun, eine Stelle zu finden, klagt die Wirtschaft über die mangelnde Ausbildungsreife der Jugendlichen. Anja Nußbaum, Bereichsleiterin Bildungspolitik bei der Industrie und Handelskammer Berlin:

"Wir als IHK gehen davon aus, dass 25 % der Jugendlichen nicht ausbildungsfähig sind, die Wirtschaft erwartet von den Jugendlichen drei Dinge: Rechnen, Schreiben, Lesen, die so genannten kognitiven Fähigkeiten, soziale Kompetenz und persönliche Motivation. "

Hinzu kommt, dass sich die Berufe enorm weiterentwickelt haben und die Ausbildung schwieriger geworden ist.
Anja Nussbaum, IHK Berlin: "Wenn sie überlegen, früher im KFZ-Bereich war es so, dass die Tätigkeiten eher manuell sind, aber heute sind doch elektronische Geräte eingesetzt worden, das heißt der Jugendliche muss dann technische Geräte bedienen können, das gleiche kann ich für die Banken nennen, die vom einfachen am Schalter stehen jetzt eben stark mit Computer arbeiten und insofern muss der Jugendliche eben große Anforderung erfüllen."

Und in dem Maße, wie die Anforderung steigen, steigen auch die Ansprüche der Unternehmen in teilweise unrealistische Höhen. In Lehrstellenbörsen werden Auszubildende mit Abitur für den Beruf der Floristin oder des Dekorateurs gesucht, deutsch und Mathe möglichst zwei. Aber auch solche Angebote finden dankbare Bewerber.

Wie ernst die Lage ist, sei - trotz der fünf Millionen Arbeitslosen – vielen der Schüler nur schwer zu vermitteln, meint Schulleiter Werner Lindemeyer. Er müht sich zusammen mit seinen Kollegen, den Schülern die Kompetenzen zu vermitteln, die sei eigentlich von zu Hause mitbringen müssten:

"Natürlich versuchen wir in der Schule dieses sehr stringent zu machen, zum Beispiel die Begriffe der Pünktlichkeit, Anwesenheit, da legen wir sehr viel wert drauf, des Benehmens, des Verhaltens, das, was oft in den Medien ist, das machen wir seit Jahren schon, und trotzdem kommt es eben nicht so an, weil es insgesamt in der Gesellschaft nicht so wahrgenommen wird."