Manipulieren für die Botschaft
Der Moore-Biograph Kay Sokolowsky hält die jüngsten Vorwürfe gegen den Filmemacher Michael Moore, er manipuliere die Wahrheit, für ungerechtfertigt. Moore habe stets zugegeben, Material zu manipulieren und zu inszenieren, bis es in seine Botschaft passe. Moores Filme sollten nicht als Dokumentarfilme, sondern als Agit-Prop-Stücke verstanden werden, plädierte Sokolowsky.
Lesen Sie im Folgenden Auszüge aus dem Gespräch mit Kay Sokolowsky:
Hettinger: Der amerikanische Filmemacher Michael Moore gilt seinen Fans als Ikone des kritischen Dokumentarfilms: einer, der heiße Eisen anpackt und der die bigotten Seiten der amerikanische Gesellschaft lustvoll aufzeigt. Gut, dabei geht Michael Moore nicht gerade zimperlich zu Werke, aber das weiß man. Nun hat ein kanadisches Dokumentarfilmerpaar einen Film über Michael Moore gedreht, in dem der preisgekrönte Filmemacher alles andere als gut wegkommt. "Manufacturing dissent", die Dissenz-Fabrik, heißt der Film in Anlehnung an ein Buch von Noah Chomsky - dieser Tage hatte er Premiere auf dem Münchner DokFilmFest.
Ist da etwas dran an diesen Enthüllungen? Oder ist das ein Versuch der zahlreichen Moore-Gegner, den Dokumentarfilmer zu diskreditieren? Darüber sprechen wir nun mit Kay Sokolowsky, er ist Buchautor und hat ein Buch geschrieben mit dem Thema: "Michael Moore - Filmemacher, Volksheld, Staatsfeind". Schönen guten Tag, Herr Sokolowsky!
Sokolowsky: Guten Tag!
Hettinger: Herr Sokolowsky, Vorwürfe gegen Michael Moore - das ist nichts neues, der gewichtige Filmemacher stand schon immer in der Kritik. Was ist das Besondere an den Vorwürfen, die die Dokumentarfilmer Debbie Melnyk und Rick Caine in ihrem Film "Manufacturing dissent" erheben?
Sokolowsky: Das einzig besondere oder wirklich neue, was ich jetzt aus diesem Film erfahren habe, ist dass tatsächlich Roger Smith ein Interview gegeben hat für "Roger & me", das dann tatsächlich im Film nicht aufgetaucht ist. Das ist das einzige, was mich überrascht hat. Alle anderen Vorwürfe sind steinalt.
Hettinger: Lassen Sie uns doch die Vorwürfe mal durchgehen. Einer lautet: unzulässige Verkürzung. In "Bowling for Columbine" sieht man Moore, wie er nach einer Konto-Eröffnung ein Gewehr als Dankeschön bekommt - ein Symbol für den Waffen-Wahnsinn in den USA. Nun stellt sich heraus: In der Bank selbst gibt es gar keine Gewehre, Moore hat so lange genervt, bis er eine solche Prämie bekommen hat - und auch das nur nach einer Prüfung seines Leumunds. Hat Michael Moore "die Wahrheit" einer Pointe geopfert?
Sokolowsky: Er hat die Wahrheit so hingedreht, dass er eine Pointe bekommen hat. Die Wahrheit ist, dass diese Bank tatsächlich als Prämie für eine Kontoeröffnung ein Gewehr versprochen hat. Sie hat sie aber nie in der Bank ausgehändigt, bis Michael Moore und sein Team kam. Die haben natürlich keine Gewehre unterm Tresen gehabt, die sie dann schnell rausziehen konnten. Das wird im Film so gezeigt, Moore hat offenbar mit seiner schon fast legendären Sturheit dafür gesorgt, dass die Bankangestellten das gemacht haben. Da kann man dann sagen, das ist inszenierte Wahrheit, denn das Gewehr hätte jeder andere auch bekommen, nur eben nicht in der Bank, sondern bei einem assoziierten Waffenhändler, mit dem die Bank zusammengearbeitet hat.
(…)
Hettinger: Nun könnte man aber einwenden, für einen Dokumentarfilmer frisiert er da ganz schön viel rum?
Sokolowsky: Das hat er von Anfang an gemacht und ich wundere mich, dass man ihm da jetzt vorwirft, er wäre gar nicht der reine Prediger der Wahrheit, nur noch der Prediger bleibt übrig, aber die Wahrheit wäre ganz weg. Ich habe in keinem seiner Filme gesehen, dass er nicht manipuliert oder in diesem Film dafür sorgt, dass das was er möchte an Verbreitung von Botschaften - er hat immer eine Botschaft in seinen Filmen - dass das nicht auch möglichst präzis, konkret, direkt den Zuschauer trifft und zur Not wird dann eben so geschnitten, dass es passt, und zur Not wird halt so mit den Leuten geredet, dass es passt. (…)
Das ist ihm ja nach jedem seiner Filme vorgeworfen worden, dass er die Wahrheit so hinlegt, wie er sie braucht, und Michael Moore hat ja auch, wenn er mal nicht aufgepasst hat, zugegeben, dass das ganz richtig ist und dass das sein Verfahren ist.
Hettinger: Wird dieser Film ihm schaden? Gerade für Moore müsste es doch das Ende der Glaubwürdigkeit bedeuten, wenn ihm Fakten-Verbiegerei nachgewiesen wird?
Sokolowsky: Da bin ich gar nicht so sicher. (…) Seine Filme werden falsch gesehen, wenn man sie nur für Dokumentarfilme hält. (…) Das sind Agit-Prop-Stücke, das sind Stücke, in denen durchaus authentisches Material benutzt wird, um seine Art von Predigt zu verbreiten. Und wenn das authentische Material nicht passt, wird eben so lange geschnitten, oder solange inszeniert, bis es passt.
Sie können das vollständige Interview mit Kay Sokolowsky für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
Hettinger: Der amerikanische Filmemacher Michael Moore gilt seinen Fans als Ikone des kritischen Dokumentarfilms: einer, der heiße Eisen anpackt und der die bigotten Seiten der amerikanische Gesellschaft lustvoll aufzeigt. Gut, dabei geht Michael Moore nicht gerade zimperlich zu Werke, aber das weiß man. Nun hat ein kanadisches Dokumentarfilmerpaar einen Film über Michael Moore gedreht, in dem der preisgekrönte Filmemacher alles andere als gut wegkommt. "Manufacturing dissent", die Dissenz-Fabrik, heißt der Film in Anlehnung an ein Buch von Noah Chomsky - dieser Tage hatte er Premiere auf dem Münchner DokFilmFest.
Ist da etwas dran an diesen Enthüllungen? Oder ist das ein Versuch der zahlreichen Moore-Gegner, den Dokumentarfilmer zu diskreditieren? Darüber sprechen wir nun mit Kay Sokolowsky, er ist Buchautor und hat ein Buch geschrieben mit dem Thema: "Michael Moore - Filmemacher, Volksheld, Staatsfeind". Schönen guten Tag, Herr Sokolowsky!
Sokolowsky: Guten Tag!
Hettinger: Herr Sokolowsky, Vorwürfe gegen Michael Moore - das ist nichts neues, der gewichtige Filmemacher stand schon immer in der Kritik. Was ist das Besondere an den Vorwürfen, die die Dokumentarfilmer Debbie Melnyk und Rick Caine in ihrem Film "Manufacturing dissent" erheben?
Sokolowsky: Das einzig besondere oder wirklich neue, was ich jetzt aus diesem Film erfahren habe, ist dass tatsächlich Roger Smith ein Interview gegeben hat für "Roger & me", das dann tatsächlich im Film nicht aufgetaucht ist. Das ist das einzige, was mich überrascht hat. Alle anderen Vorwürfe sind steinalt.
Hettinger: Lassen Sie uns doch die Vorwürfe mal durchgehen. Einer lautet: unzulässige Verkürzung. In "Bowling for Columbine" sieht man Moore, wie er nach einer Konto-Eröffnung ein Gewehr als Dankeschön bekommt - ein Symbol für den Waffen-Wahnsinn in den USA. Nun stellt sich heraus: In der Bank selbst gibt es gar keine Gewehre, Moore hat so lange genervt, bis er eine solche Prämie bekommen hat - und auch das nur nach einer Prüfung seines Leumunds. Hat Michael Moore "die Wahrheit" einer Pointe geopfert?
Sokolowsky: Er hat die Wahrheit so hingedreht, dass er eine Pointe bekommen hat. Die Wahrheit ist, dass diese Bank tatsächlich als Prämie für eine Kontoeröffnung ein Gewehr versprochen hat. Sie hat sie aber nie in der Bank ausgehändigt, bis Michael Moore und sein Team kam. Die haben natürlich keine Gewehre unterm Tresen gehabt, die sie dann schnell rausziehen konnten. Das wird im Film so gezeigt, Moore hat offenbar mit seiner schon fast legendären Sturheit dafür gesorgt, dass die Bankangestellten das gemacht haben. Da kann man dann sagen, das ist inszenierte Wahrheit, denn das Gewehr hätte jeder andere auch bekommen, nur eben nicht in der Bank, sondern bei einem assoziierten Waffenhändler, mit dem die Bank zusammengearbeitet hat.
(…)
Hettinger: Nun könnte man aber einwenden, für einen Dokumentarfilmer frisiert er da ganz schön viel rum?
Sokolowsky: Das hat er von Anfang an gemacht und ich wundere mich, dass man ihm da jetzt vorwirft, er wäre gar nicht der reine Prediger der Wahrheit, nur noch der Prediger bleibt übrig, aber die Wahrheit wäre ganz weg. Ich habe in keinem seiner Filme gesehen, dass er nicht manipuliert oder in diesem Film dafür sorgt, dass das was er möchte an Verbreitung von Botschaften - er hat immer eine Botschaft in seinen Filmen - dass das nicht auch möglichst präzis, konkret, direkt den Zuschauer trifft und zur Not wird dann eben so geschnitten, dass es passt, und zur Not wird halt so mit den Leuten geredet, dass es passt. (…)
Das ist ihm ja nach jedem seiner Filme vorgeworfen worden, dass er die Wahrheit so hinlegt, wie er sie braucht, und Michael Moore hat ja auch, wenn er mal nicht aufgepasst hat, zugegeben, dass das ganz richtig ist und dass das sein Verfahren ist.
Hettinger: Wird dieser Film ihm schaden? Gerade für Moore müsste es doch das Ende der Glaubwürdigkeit bedeuten, wenn ihm Fakten-Verbiegerei nachgewiesen wird?
Sokolowsky: Da bin ich gar nicht so sicher. (…) Seine Filme werden falsch gesehen, wenn man sie nur für Dokumentarfilme hält. (…) Das sind Agit-Prop-Stücke, das sind Stücke, in denen durchaus authentisches Material benutzt wird, um seine Art von Predigt zu verbreiten. Und wenn das authentische Material nicht passt, wird eben so lange geschnitten, oder solange inszeniert, bis es passt.
Sie können das vollständige Interview mit Kay Sokolowsky für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.