Mann der Schattenfiguren
Klausjörg Herrmann aus dem sächsischen Kreischa ist Drehbuchschreiber und Regisseur. Die Darsteller für seine Filme passen allesamt in eine kleine Schachtel. Denn Herrmann dreht mit Figuren aus schwarzem Karton. Herrmann ist der letzte professionelle Silhouettenfilmer Deutschlands.
Ganz langsam macht der alte Hökerer seinen ersten Schritt.
"Der Fuß muss fest sein. Wenn er steht, dann steht er."
Die Scherenschnittfigur aus schwarzem Karton liegt auf einer beleuchteten Tischplatte aus hellem Milchglas. Kopf, Arme und Beine sind mit Ösen am Körper befestigt.
"Wenn der Fuß hier während der Animation wegrutscht, glaubt man nicht mehr, dass die Figur ein Eigenleben hat. Das sieht wie ein technischer Fehler aus."
Klausjörg Herrmann schiebt erst den Oberkörper der Figur vorsichtig zwei Millimeter nach vorn. Und macht ein Foto. Dann winkelt er ihren Fuß leicht an. Wieder drückt er den Auslöser seiner Kamera.
"Dann ziehe ich den wieder ein Stück nach vorn und knicke aber jetzt das Bein ein und hebe den Fuß. Und jetzt in der Mitte werden die Phasen des Fußes größer."
Nach und nach entsteht so aus der Summe der Fotos eine Bewegung. Und mit viel Geduld hat Herrmann am Ende einen Silhouettenfilm.
"Ich schaffe pro Wochen, wenn ich sehr fleißig bin eine Minute. Aber normal sind so 40 Sekunden."
Herrmann ist der letzte Silhouetten-Trickfilmer Deutschlands. Der 67-Jährige steht im ehemaligen Verwaltungsgebäude einer Gärtnerei im sächsischen Kreischa. Er hat das Haus nach der Wiedervereinigung gekauft und zum Filmstudio ausgebaut. An den Wänden hängen einige seiner alten Filmhelden: Scherenschnittfiguren, die er selbst entworfen hat. An der Silhouette fasziniert Herrmann das Geheimnisvolle, Mystische.
"Plinius der Ältere hat eine Enyklopädie geschrieben. Und da beschreibt er, wie die Tochter des Töpfers Debutatis, Korintia, verliebt ist in einen jungen Mann, der in den Krieg muss. Und da scheint gerade die Sonne. Und da macht sie den Umriss des Schattens an der Hauswand fest. Und der junge Mann kommt nie wieder. Aber sie altert und behält diesen Mann in der Erinnerung so jung wie er gewesen ist. Und das soll der Ausgang des Schattenrisses gewesen sein."
Klausjörg Herrmann hat in den fünfziger Jahren in Dresden Tischler gelernt. In seiner Freizeit spielte er Puppentheater und gewann bei einem DDR-Talentwettbewerb den ersten Preis. So kam er zur DEFA in die Trickfilmabteilung. 1982 machte er sich als Silhouettenfilmer in Kreischa selbständig. Herrmann entwickelte Geschichten für das Sandmännchen und drehte Kurzfilme. Seine aufwändigste Produktion kostete ihn acht Jahre Zeit.
"Zu jener Zeit, als der Schreckenberg und die ganze Umgebung von dichter Waldung überzogen waren, stand am Hang des Dorfes Fronau das Haus des Bergmanns Daniel Knappe."
Es ist ein Film über die Geschichte des weihnachtlichen Lichterbogens und seiner Figuren.
"Ich habe den selbst finanziert. Und zu jeder Figur, die man hier drin sieht – also die Klöpplerin, die zwei Bergleute, den Schnitzer – gibt es eine Sage. Und diese Sagen habe ich mit Hilfe der Silhouettentechnik realisiert."
"Knappe hatte die Hoffnung geschöpft, hier an diesem Ort endlich Erz zu finden."
Während der Film über den Monitor seines Schneideraums flimmert, strahlt Herrmann übers ganze Gesicht. Sein eigener Sohn ist längst erwachsen, nun spielt Herrmann für andere Kinder den Märchenonkel: Er hat freundliche blaue Augen, trägt eine dicke Hornbrille und einen dichten Rauschebart. Die Geräusche für seine Filme nimmt Herrmann selbst auf. Die Musik lässt er komponieren. Am Computer mischt er alles zusammen. Natürlich könnte Herrmann auch seine Figuren am Computer entwerfen. Doch davon hält er nichts.
"Der Computer hat keine Seele. Man muss ihn nutzen, aber man darf ihn nicht überschätzen. Diese 3-D-Animation aus den USA. Das ist doch Irrsinn. So etwas hätte man dem sozialistischen Realismus zugetraut, dass jedes Fellhaar noch zu sehen ist und dass man die Kinder gar nicht mehr in die Lage versetzt, sich eine Figur vorzustellen, was dazu zu denken, sondern in aller Perfektion fotorealistisch vorführt. Das wird nicht ewig dauern."
Seine Filme verkauft Herrmann auf DVD. Doch davon leben kann er nicht. Für seinen Unterhalt produziert er Firmenportraits und Werbestreifen. Außerdem betreibt Herrmann ein Kino. Die nächsten Monate wird er sich mit Krabat beschäftigen, der sorbischen Sagengestalt. Zwar kam erst im Oktober ein Krabat-Spielfilm in die Kinos, doch dieser hat mit der Original-Sage wenig zu tun. Deshalb hat die sorbische Interessenvertretung Domowina Herrmann mit einer Neufassung beauftragt.
"Ich bereite jetzt das Drehbuch vor, werde im Februar anfangen zu drehen – etwa sechs Monate daran drehen. Der Film wird später dreißig Minuten lang sein. Es ist aber doch ein bisschen kompliziert, weil ich den in deutscher Sprachfassung mache, in Obersorbisch, in Niedersorbisch und in dem Schleiferdialekt. Und wenn die da reden, sind die Mundbewegungen anders. Ich muss also manche Einstellung zwei Mal drehen oder anders dann nachbearbeiten, dass die Mundbewegungen stimmen."
Herrmann ist Perfektionist. Kürzlich hat er sich einen neuen Tricktisch gekauft, um auch im Breitbild-Format inszenieren zu können. Ans Aufhören denkt der 67-Jährige noch lange nicht. Er sieht sich in der Tradition von Lotte Reininger. Die deutsche Scherenschneiderin produzierte 1923 den ersten abendfüllenden Trickfilm der Welt – mit Silhouettentechnik.
"Solange ich mich noch bewegen kann, werde ich das auch tun. Erstens macht es mir Spaß. Zweitens macht es Spaß, wenn ich hier ein kleines Kino betreibe und sehe, wie die Kinder sich freuen. Und eine Darstellungsform, die als einzige wirklich ein Beitrag Deutschlands zu Weltfilmkunst war, der muss einfach fortgeführt werden."
"Der Fuß muss fest sein. Wenn er steht, dann steht er."
Die Scherenschnittfigur aus schwarzem Karton liegt auf einer beleuchteten Tischplatte aus hellem Milchglas. Kopf, Arme und Beine sind mit Ösen am Körper befestigt.
"Wenn der Fuß hier während der Animation wegrutscht, glaubt man nicht mehr, dass die Figur ein Eigenleben hat. Das sieht wie ein technischer Fehler aus."
Klausjörg Herrmann schiebt erst den Oberkörper der Figur vorsichtig zwei Millimeter nach vorn. Und macht ein Foto. Dann winkelt er ihren Fuß leicht an. Wieder drückt er den Auslöser seiner Kamera.
"Dann ziehe ich den wieder ein Stück nach vorn und knicke aber jetzt das Bein ein und hebe den Fuß. Und jetzt in der Mitte werden die Phasen des Fußes größer."
Nach und nach entsteht so aus der Summe der Fotos eine Bewegung. Und mit viel Geduld hat Herrmann am Ende einen Silhouettenfilm.
"Ich schaffe pro Wochen, wenn ich sehr fleißig bin eine Minute. Aber normal sind so 40 Sekunden."
Herrmann ist der letzte Silhouetten-Trickfilmer Deutschlands. Der 67-Jährige steht im ehemaligen Verwaltungsgebäude einer Gärtnerei im sächsischen Kreischa. Er hat das Haus nach der Wiedervereinigung gekauft und zum Filmstudio ausgebaut. An den Wänden hängen einige seiner alten Filmhelden: Scherenschnittfiguren, die er selbst entworfen hat. An der Silhouette fasziniert Herrmann das Geheimnisvolle, Mystische.
"Plinius der Ältere hat eine Enyklopädie geschrieben. Und da beschreibt er, wie die Tochter des Töpfers Debutatis, Korintia, verliebt ist in einen jungen Mann, der in den Krieg muss. Und da scheint gerade die Sonne. Und da macht sie den Umriss des Schattens an der Hauswand fest. Und der junge Mann kommt nie wieder. Aber sie altert und behält diesen Mann in der Erinnerung so jung wie er gewesen ist. Und das soll der Ausgang des Schattenrisses gewesen sein."
Klausjörg Herrmann hat in den fünfziger Jahren in Dresden Tischler gelernt. In seiner Freizeit spielte er Puppentheater und gewann bei einem DDR-Talentwettbewerb den ersten Preis. So kam er zur DEFA in die Trickfilmabteilung. 1982 machte er sich als Silhouettenfilmer in Kreischa selbständig. Herrmann entwickelte Geschichten für das Sandmännchen und drehte Kurzfilme. Seine aufwändigste Produktion kostete ihn acht Jahre Zeit.
"Zu jener Zeit, als der Schreckenberg und die ganze Umgebung von dichter Waldung überzogen waren, stand am Hang des Dorfes Fronau das Haus des Bergmanns Daniel Knappe."
Es ist ein Film über die Geschichte des weihnachtlichen Lichterbogens und seiner Figuren.
"Ich habe den selbst finanziert. Und zu jeder Figur, die man hier drin sieht – also die Klöpplerin, die zwei Bergleute, den Schnitzer – gibt es eine Sage. Und diese Sagen habe ich mit Hilfe der Silhouettentechnik realisiert."
"Knappe hatte die Hoffnung geschöpft, hier an diesem Ort endlich Erz zu finden."
Während der Film über den Monitor seines Schneideraums flimmert, strahlt Herrmann übers ganze Gesicht. Sein eigener Sohn ist längst erwachsen, nun spielt Herrmann für andere Kinder den Märchenonkel: Er hat freundliche blaue Augen, trägt eine dicke Hornbrille und einen dichten Rauschebart. Die Geräusche für seine Filme nimmt Herrmann selbst auf. Die Musik lässt er komponieren. Am Computer mischt er alles zusammen. Natürlich könnte Herrmann auch seine Figuren am Computer entwerfen. Doch davon hält er nichts.
"Der Computer hat keine Seele. Man muss ihn nutzen, aber man darf ihn nicht überschätzen. Diese 3-D-Animation aus den USA. Das ist doch Irrsinn. So etwas hätte man dem sozialistischen Realismus zugetraut, dass jedes Fellhaar noch zu sehen ist und dass man die Kinder gar nicht mehr in die Lage versetzt, sich eine Figur vorzustellen, was dazu zu denken, sondern in aller Perfektion fotorealistisch vorführt. Das wird nicht ewig dauern."
Seine Filme verkauft Herrmann auf DVD. Doch davon leben kann er nicht. Für seinen Unterhalt produziert er Firmenportraits und Werbestreifen. Außerdem betreibt Herrmann ein Kino. Die nächsten Monate wird er sich mit Krabat beschäftigen, der sorbischen Sagengestalt. Zwar kam erst im Oktober ein Krabat-Spielfilm in die Kinos, doch dieser hat mit der Original-Sage wenig zu tun. Deshalb hat die sorbische Interessenvertretung Domowina Herrmann mit einer Neufassung beauftragt.
"Ich bereite jetzt das Drehbuch vor, werde im Februar anfangen zu drehen – etwa sechs Monate daran drehen. Der Film wird später dreißig Minuten lang sein. Es ist aber doch ein bisschen kompliziert, weil ich den in deutscher Sprachfassung mache, in Obersorbisch, in Niedersorbisch und in dem Schleiferdialekt. Und wenn die da reden, sind die Mundbewegungen anders. Ich muss also manche Einstellung zwei Mal drehen oder anders dann nachbearbeiten, dass die Mundbewegungen stimmen."
Herrmann ist Perfektionist. Kürzlich hat er sich einen neuen Tricktisch gekauft, um auch im Breitbild-Format inszenieren zu können. Ans Aufhören denkt der 67-Jährige noch lange nicht. Er sieht sich in der Tradition von Lotte Reininger. Die deutsche Scherenschneiderin produzierte 1923 den ersten abendfüllenden Trickfilm der Welt – mit Silhouettentechnik.
"Solange ich mich noch bewegen kann, werde ich das auch tun. Erstens macht es mir Spaß. Zweitens macht es Spaß, wenn ich hier ein kleines Kino betreibe und sehe, wie die Kinder sich freuen. Und eine Darstellungsform, die als einzige wirklich ein Beitrag Deutschlands zu Weltfilmkunst war, der muss einfach fortgeführt werden."