Mann mit Weitblick
Es war einst Galilei, der das allgemeine Fernrohr in die Astronomie einführte - zumindest rudimentär. Allerdings wusste selbst er nicht, warum man damit weit entfernte Dingen sehen konnte. Erst dem deutschen Mathematiker und Astronomen Johannes Kepler gelang es, den zugrunde liegenden physikalischen Mechanismus zu klären.
Den Sternenhimmel zum ersten Mal durch ein Fernrohr zu betrachten: Das war für die Astronomen des 17. Jahrhunderts ein fantastisches, fast berauschendes Erlebnis. Doch bis sie ihren Augen wirklich trauten, dauerte es seine Zeit. Als erster baute sich Galileo Galilei 1609 ein eigenes Teleskop. Man sprach damals von einem "Durchschaugerät" oder "Perspicillum" – eine Erfindung des holländischen Brillenmachers Hans Lipperhey.
Galilei entdeckte mit dem Linsenfernrohr vier Jupitermonde. Der Mond schien plötzlich so zerklüftet wie die Erde, und die geheimnisvolle Milchstraße entpuppte sich als "nichts anderes als eine Ansammlung zahlloser, haufenförmig angeordneter Sterne". Doch viele wollten Galilei zunächst nicht glauben. Und er selber wusste nicht genau, wie das eigentlich funktionierte: dass weit entfernte Dinge plötzlich so nah erschienen, bloß weil man durch speziell geformte Linsen schaute.
Mit der Bitte um ein fachmännisches Urteil schickte Galilei seinen im März 1610 veröffentlichten "Sternenboten" an Johannes Kepler, damals Kaiserlicher Hofmathematiker in Prag. Kepler, ein erklärter Anhänger des kopernikanischen Weltbildes, hatte sich 1604 in seiner "Astronomiae pars optica" schon einmal mit den Mechanismen der optischen Wahrnehmung befasst. Er war vom Fernrohr fasziniert. Und so schluckte er seinen Ärger, dass Galilei auf seine eigenen Briefe jahrelang nichts hatte von sich hören lassen, herunter.
"Ich habe die bescheidene Hoffnung, dir mit diesem Brief dazu zu verhelfen, dass du besser gewappnet seiest gegen die griesgrämigen Kritiker alles Neuen, denen das Unbekannte unglaubhaft, und alles, was jenseits der gewohnten Grenzpfähle der Aristotelischen Enge liegt, schädlich und gar frevelhaft vorkommt",
schrieb Kepler im April 1610 an Galilei.
Der Text, den er wenig später unter dem Titel "Dissertatio cum Nuncio Sidereo" oder: "Unterredung mit dem Sternenboten" publizierte, enthielt erste Ansätze für eine Theorie des Fernrohrs. Schon allein die Tatsache, dass er sich auf dieses Thema einließ, sei ihm hoch anzurechnen, meint Keplers Biografin Anna Maria Lombardi:
"Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts wäre es geradezu unschicklich gewesen, wenn ein Gelehrter, statt sich mit Phänomenen der perfekten Schöpfung zu beschäftigen, die Funktionsweise von Objekten wie Linsen zu erklären suchte. Etwas so Profanes wie die gläserne Linse war den Brillenmachern überlassen oder Gauklern und Magiern, welche die Zuschauer mit Tricks beeindrucken und verblüffen wollten. Verständlich also, dass zunächst auch ein neues Gerät wie das Fernrohr als ein Mittel der Täuschung diskreditiert wurde, das ernsthafter Erkenntnis nicht dienen könne, da es die Realität verändere."
Ende August 1610 schaute Kepler erstmals selber durch ein "Perspicillum". Der Erzbischof von Köln stellte ihm das Gerät während eines Aufenthalts in Prag zur Verfügung. In einem wahren Schaffensrausch schrieb der 39-Jährige danach seine 80-seitige "Dioptrik", mit der er die Optik als eigenständige Wissenschaft begründete. Das Buch, das 1611 in Augsburg gedruckt wurde, bestand aus 141 "Lehrsätzen", in denen Kepler – in verschiedene Kategorien unterteilt – seine Erkenntnisse über die Prinzipien des Sehens und die Wirkung optischer Gläser darlegte.
Für den Historiker Friedrich Samhaber zählen die "Astronomiae pars optica" und die "Dioptrik", die 2008 vom Harri Deutsch Verlag neu herausgegeben wurden, zu Keplers "großartigsten" Werken:
"Er erklärt erstmalig darin präzise die Physik des Auges, die Akkomodation, das Zustandekommen von Weit- und Kurzsichtigkeit, die Gesetze des Strahlenganges in Linsen, die Theorie der Einzellinsen und der kombinierten Linsen, der Lupe, die Theorie des Galileischen Fernrohres und entwickelt ein neues, wesentlich leistungsstärkeres Fernrohr durch Kombination von zwei Bikonvexlinsen - das astronomische oder Kepler-Fernrohr."
Als einer der ersten hat der Ingolstädter Jesuit Christoph Scheiner 1613 ein "Keplersches Fernrohr" gebaut. Und Galilei, der seinem deutschen Kollegen so viel verdankte? Er hat zu Keplers Werken inhaltlich nie Stellung genommen. Gegenüber dem französischen Kanonikus Jean Tarde, der Galilei im November 1614 in Florenz besuchte, hat er sich über die Dioptrik sogar ziemlich abfällig geäußert. In seinem Tagebuch zitierte Tarde den Italiener mit den Worten, das Buch sei "so dunkel, dass der Verfasser es vielleicht selber nicht verstanden hat" – ein Zeichen dafür, dass Galilei sich für die Wissenschaft der Optik letztlich gar nicht interessierte.
Galilei entdeckte mit dem Linsenfernrohr vier Jupitermonde. Der Mond schien plötzlich so zerklüftet wie die Erde, und die geheimnisvolle Milchstraße entpuppte sich als "nichts anderes als eine Ansammlung zahlloser, haufenförmig angeordneter Sterne". Doch viele wollten Galilei zunächst nicht glauben. Und er selber wusste nicht genau, wie das eigentlich funktionierte: dass weit entfernte Dinge plötzlich so nah erschienen, bloß weil man durch speziell geformte Linsen schaute.
Mit der Bitte um ein fachmännisches Urteil schickte Galilei seinen im März 1610 veröffentlichten "Sternenboten" an Johannes Kepler, damals Kaiserlicher Hofmathematiker in Prag. Kepler, ein erklärter Anhänger des kopernikanischen Weltbildes, hatte sich 1604 in seiner "Astronomiae pars optica" schon einmal mit den Mechanismen der optischen Wahrnehmung befasst. Er war vom Fernrohr fasziniert. Und so schluckte er seinen Ärger, dass Galilei auf seine eigenen Briefe jahrelang nichts hatte von sich hören lassen, herunter.
"Ich habe die bescheidene Hoffnung, dir mit diesem Brief dazu zu verhelfen, dass du besser gewappnet seiest gegen die griesgrämigen Kritiker alles Neuen, denen das Unbekannte unglaubhaft, und alles, was jenseits der gewohnten Grenzpfähle der Aristotelischen Enge liegt, schädlich und gar frevelhaft vorkommt",
schrieb Kepler im April 1610 an Galilei.
Der Text, den er wenig später unter dem Titel "Dissertatio cum Nuncio Sidereo" oder: "Unterredung mit dem Sternenboten" publizierte, enthielt erste Ansätze für eine Theorie des Fernrohrs. Schon allein die Tatsache, dass er sich auf dieses Thema einließ, sei ihm hoch anzurechnen, meint Keplers Biografin Anna Maria Lombardi:
"Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts wäre es geradezu unschicklich gewesen, wenn ein Gelehrter, statt sich mit Phänomenen der perfekten Schöpfung zu beschäftigen, die Funktionsweise von Objekten wie Linsen zu erklären suchte. Etwas so Profanes wie die gläserne Linse war den Brillenmachern überlassen oder Gauklern und Magiern, welche die Zuschauer mit Tricks beeindrucken und verblüffen wollten. Verständlich also, dass zunächst auch ein neues Gerät wie das Fernrohr als ein Mittel der Täuschung diskreditiert wurde, das ernsthafter Erkenntnis nicht dienen könne, da es die Realität verändere."
Ende August 1610 schaute Kepler erstmals selber durch ein "Perspicillum". Der Erzbischof von Köln stellte ihm das Gerät während eines Aufenthalts in Prag zur Verfügung. In einem wahren Schaffensrausch schrieb der 39-Jährige danach seine 80-seitige "Dioptrik", mit der er die Optik als eigenständige Wissenschaft begründete. Das Buch, das 1611 in Augsburg gedruckt wurde, bestand aus 141 "Lehrsätzen", in denen Kepler – in verschiedene Kategorien unterteilt – seine Erkenntnisse über die Prinzipien des Sehens und die Wirkung optischer Gläser darlegte.
Für den Historiker Friedrich Samhaber zählen die "Astronomiae pars optica" und die "Dioptrik", die 2008 vom Harri Deutsch Verlag neu herausgegeben wurden, zu Keplers "großartigsten" Werken:
"Er erklärt erstmalig darin präzise die Physik des Auges, die Akkomodation, das Zustandekommen von Weit- und Kurzsichtigkeit, die Gesetze des Strahlenganges in Linsen, die Theorie der Einzellinsen und der kombinierten Linsen, der Lupe, die Theorie des Galileischen Fernrohres und entwickelt ein neues, wesentlich leistungsstärkeres Fernrohr durch Kombination von zwei Bikonvexlinsen - das astronomische oder Kepler-Fernrohr."
Als einer der ersten hat der Ingolstädter Jesuit Christoph Scheiner 1613 ein "Keplersches Fernrohr" gebaut. Und Galilei, der seinem deutschen Kollegen so viel verdankte? Er hat zu Keplers Werken inhaltlich nie Stellung genommen. Gegenüber dem französischen Kanonikus Jean Tarde, der Galilei im November 1614 in Florenz besuchte, hat er sich über die Dioptrik sogar ziemlich abfällig geäußert. In seinem Tagebuch zitierte Tarde den Italiener mit den Worten, das Buch sei "so dunkel, dass der Verfasser es vielleicht selber nicht verstanden hat" – ein Zeichen dafür, dass Galilei sich für die Wissenschaft der Optik letztlich gar nicht interessierte.