Mann und Hund
Eine Frau holt sich ausgerechnet den Hund ins Haus, der sie angegriffen und verletzt hat. Ein fremder Mann wird fast zerfleischt von der Bestie - und dann greift der Hund auch noch ihren Gefährten an.
Sylvia Geist ist Lyrikerin. Und die Lust an der Wortfindung und Worterfindung trägt sie immer wieder auch hinein in ihre Prosatexte. Ohne dabei je in die Falle eines sprachverliebten Turtelns mit ihren Protagonisten zu laufen.
Sylvia Geist spielt nicht mit Worten, sie zielt mit ihnen. Und das mit großer Genauigkeit. Ton und Erzählung müssen haarfein übereinstimmen, jede Handlung hat ihre eigene Sprachmelodie, jede Geschichte ruft den Leser mit ihrer Weise.
Die Mannigfaltigkeit der Themen und Milieus ihrer Geschichten und der sichere Zugriff auf fast jede sind bestechend.
Da ist Mia. Zwölf Jahre alt. Verängstigt, weil die Großmutter stirbt, die Mutter krank ist, die Stille zu Hause sich in der Hitze staut. Und dann ist da noch der Neue in der Klasse. Den niemand so richtig wahrnimmt in seiner "merkwürdig schlappen Knochigkeit." Der aber anfängt, Mia zu verfolgen. Ihr dunkler Schatten wird. Sie mit Kies bewirft.
Näher kommt und sie an der Ampel von der Bordsteinkante stößt. Und eines Tages spricht er zu ihr. Sie müsse sich beeilen, sagt er, ihre Mutter liege im Sterben.
Das kann er nicht wissen. Dieser rätselhafte Junge. So mitahnend können nur Freunde sein. Aber er ist ihr Feind. Oder etwa nicht?
Das ist eine wundersam vage kleine Erzählung über die verwickelten Fäden, in denen man sich verheddert, wenn man zwölf ist und bald schon ein bisschen erwachsen wird. Und noch nicht wissen kann, dass hinter hässlichen Taten manchmal zärtliche Wünsche nisten können. Oder war es doch ein teuflischer Knabe?
Eine Frau reist mit ihrem Mann, der offenbar auf der Flucht ist - vor sich, vor seiner Ruhelosigkeit, seinen Manien vielleicht oder vor Depressionen. Der die Gefahr sucht, die Erinnerung, die Verletzung. Seine Frau kann ihn von Woche zu Woche weniger einschätzen. Doch sie bleibt bei ihm. Steigt immer wieder zu ihm ins Auto. Fährt mit. Lässt sich fahren. Will sie ihn retten? Wird sie sich retten? Man liest so atem- wie ratlos diese Erzählung der Besessenheit, von der man nicht weiß, wohin sie rast. In welches Verderben oder welches Überleben.
Eine Frau holt sich ausgerechnet den Hund ins Haus, der sie angegriffen und verletzt hat. Ein gefährliches Tier. Die Freunde bleiben bald weg, weil sie Angst haben. Ein fremder Mann wird fast zerfleischt von der Bestie. Und dann greift die auch noch ihren Gefährten an. Den Mann, den sie wohl liebt. Oder es jedenfalls mal getan hat. Doch sie empfindet den Hund als ihren einzigen Freund. Nur auf ihn, so meint sie, kann sie sich wirklich verlassen.
Wieder ein peinigender Konflikt, wieder gequälte, unerlöste Kreaturen, die einen Halt suchen im Universum ihres Lebens. Und diese Geschichte endet nicht mit einem ungewissen Ausgang, sondern mit einem furiosen, gewaltigen, gewalttätigen Finale. Es sei denn – die Tat ist nur geträumt.
Kaum eine Erzählung in diesem Band, aus der man nicht mit Fragen entlassen wird. Mit einem hellwachen Hirn. Weil wir es hier mit einer Autorin zu tun haben, die uns zumutet und zutraut, selber denken und fantasieren zu können.
Rezensiert von Gabriele von Arnim
Sylvia Geist: Letzte Freunde
Luftschacht Verlag Wien 2011,
140 Seiten, 16,95 Euro
Sylvia Geist spielt nicht mit Worten, sie zielt mit ihnen. Und das mit großer Genauigkeit. Ton und Erzählung müssen haarfein übereinstimmen, jede Handlung hat ihre eigene Sprachmelodie, jede Geschichte ruft den Leser mit ihrer Weise.
Die Mannigfaltigkeit der Themen und Milieus ihrer Geschichten und der sichere Zugriff auf fast jede sind bestechend.
Da ist Mia. Zwölf Jahre alt. Verängstigt, weil die Großmutter stirbt, die Mutter krank ist, die Stille zu Hause sich in der Hitze staut. Und dann ist da noch der Neue in der Klasse. Den niemand so richtig wahrnimmt in seiner "merkwürdig schlappen Knochigkeit." Der aber anfängt, Mia zu verfolgen. Ihr dunkler Schatten wird. Sie mit Kies bewirft.
Näher kommt und sie an der Ampel von der Bordsteinkante stößt. Und eines Tages spricht er zu ihr. Sie müsse sich beeilen, sagt er, ihre Mutter liege im Sterben.
Das kann er nicht wissen. Dieser rätselhafte Junge. So mitahnend können nur Freunde sein. Aber er ist ihr Feind. Oder etwa nicht?
Das ist eine wundersam vage kleine Erzählung über die verwickelten Fäden, in denen man sich verheddert, wenn man zwölf ist und bald schon ein bisschen erwachsen wird. Und noch nicht wissen kann, dass hinter hässlichen Taten manchmal zärtliche Wünsche nisten können. Oder war es doch ein teuflischer Knabe?
Eine Frau reist mit ihrem Mann, der offenbar auf der Flucht ist - vor sich, vor seiner Ruhelosigkeit, seinen Manien vielleicht oder vor Depressionen. Der die Gefahr sucht, die Erinnerung, die Verletzung. Seine Frau kann ihn von Woche zu Woche weniger einschätzen. Doch sie bleibt bei ihm. Steigt immer wieder zu ihm ins Auto. Fährt mit. Lässt sich fahren. Will sie ihn retten? Wird sie sich retten? Man liest so atem- wie ratlos diese Erzählung der Besessenheit, von der man nicht weiß, wohin sie rast. In welches Verderben oder welches Überleben.
Eine Frau holt sich ausgerechnet den Hund ins Haus, der sie angegriffen und verletzt hat. Ein gefährliches Tier. Die Freunde bleiben bald weg, weil sie Angst haben. Ein fremder Mann wird fast zerfleischt von der Bestie. Und dann greift die auch noch ihren Gefährten an. Den Mann, den sie wohl liebt. Oder es jedenfalls mal getan hat. Doch sie empfindet den Hund als ihren einzigen Freund. Nur auf ihn, so meint sie, kann sie sich wirklich verlassen.
Wieder ein peinigender Konflikt, wieder gequälte, unerlöste Kreaturen, die einen Halt suchen im Universum ihres Lebens. Und diese Geschichte endet nicht mit einem ungewissen Ausgang, sondern mit einem furiosen, gewaltigen, gewalttätigen Finale. Es sei denn – die Tat ist nur geträumt.
Kaum eine Erzählung in diesem Band, aus der man nicht mit Fragen entlassen wird. Mit einem hellwachen Hirn. Weil wir es hier mit einer Autorin zu tun haben, die uns zumutet und zutraut, selber denken und fantasieren zu können.
Rezensiert von Gabriele von Arnim
Sylvia Geist: Letzte Freunde
Luftschacht Verlag Wien 2011,
140 Seiten, 16,95 Euro