Mannequins in der DDR

Leichter Glamour im Sozialismus

Modedesigner Heinz Bormann mit DDR-Models 1969 in Oberhof
Modedesigner Heinz Bormann mit Models im September 1969 in Oberhof. © imago stock&people / Foto: Harald Lange
von Dieter Bub |
Die DDR-Führung hatte für die Bevölkerung etwas Wohlfühlatmosphäre verordnet und so tourten Jahrzehnte Mannequins mit dem Modeexpress durch die Republik. Auf Frauentags- und Weihnachtsfeiern präsentierten sie Kleider, Pelze und darunter manchmal sogar Dessous.
"Wir waren die Paradiesvögel im Osten und man hat uns einfach in Ruhe gelassen."
Monika Machon gehörte zu diesen Paradiesvögeln, den Mannequins in der DDR.
"Uns kannten die Leute von Fotos, von Zeitungen, aber Namen existierten nicht. So wie das heute ist, dass die Models mit Namen vorgestellt werden, auf den Titeln, das gab´s nicht."
Dennoch gehörten sie neben Schauspielerinnen wie Angelika Domröse, Jenny Grollmann, Anne–Katrin Bürger und Gisela May zu den Stars im Osten, fotografiert für die Titel der Frauenzeitschriften Sybille, Pramo, Für Dich, auch "Für die Sowjetfrau" – deutschsprachig, für die Frau im Sozialismus.
Populär waren sie auch durch ihre Tourneen zwischen Rügen und dem Erzgebirge.
Mit dem Segen Erich Honeckers, der als Nachfolger Walter Ulbrichts für die Bevölkerung der DDR Wohlfühlatmosphäre und bescheidenen Glamour verordnet hatte.
"Sicherlich wurde das vom Politbüro gefördert. Man wollte ja gute Stimmung verbreiten. Und es gab ja auch kleinere Modenschauen."
Detlef Heising, einst selbst Dressman bei der Edelmarke Exquisit nutzte diese Chance und gründete den Modeexpress, eine Tournee, die mehr war als nur die Präsentation von aktuellen Sommer– und Winterkollektionen.
"Wir hatten Choreografen, mit denen wir gearbeitet haben, später auch ein Tanzpaar drin. Wir hatten auch eine erotische Modenschau. Die Damen haben Pelze getragen und Dessous darunter. Wir haben alles bedient, was möglich war."
Pro Monat fünfzig Veranstaltungen
Auf dem Terminkalender des Modeexpress standen pro Monat fünfzig Veranstaltungen, beim Internationalen Frauentag, in der Weihnachtszeit waren es bis zu zehn Shows am Tag. In der DDR wurden Kulturveranstaltungen vielfach über die Betriebe gebucht.
"Es gab viele, viele Veranstaltungen. Man wollte ja den Frauen etwas bieten und die Betriebe mussten ja ihr Geld ausgeben. Es gab einen Kultur- und Sozialfond, wo das Geld vorhanden war. Das konnte man ja für die Kultur ausgeben. Die Leute sind ganz beschwingt nach Hause gegangen. Sie haben ein schönes Programm gesehen, sie haben schöne Mädels gesehen. Die Frauen haben auch gute Dressmen gesehen. Es war eben schönes Programm. Es war ein unterhaltendes Programm."

Etwas Besonderes wurde in Leipzig, Rostock und Suhl geboten: Modebälle. Für die Zuschauer waren diese Abende ein außergewöhnliches Vergnügen, für die Mannequins war aber schon die Anreise unter den realsozialistischen Straßenverhältnissen strapaziös.
"Wir haben in diesem Bus gesessen. Man kann sich vorstellen, bei diesen Straßen. Ich glaube, dieser Bus, das waren diese komischen Rorbur Bus, wie der hieß. Ein Gehuppel. Wir waren fix und fertig, als wir denn da ankamen, sahen blass aus und uns war übel. Die Heizung stank. Es war heiß in dem Bus. Dann dieser Benzin– oder Dieselgestank. Wir waren erst mal am Ende und dann sollten wir natürlich die Schönen sein. Manchmal sind wir aus dem Bus ausgestiegen und da haben die Leute gesagt: ´Das sind die Schönen der DDR`. Na Hilfe, aber als dann die Lichter angingen und wir uns geschminkt hatten und dann auf dem Steg waren, da war´s natürlich wow."
Kampf mit der Mangelwirtschaft
Hinzu kam, dass sie nicht nur auf den Busfahrten mit der Mangelwirtschaft der DDR zu kämpfen hatten.
"Wir mussten immer aussehen wie die Models im Westen, haben aber nie Schminke gehabt."
Gute Schminke gab es nur in den Intershops, für Westgeld, das erst besorgt werden musste. Selbst Geschenke von Elisabeth Arden wurden konfisziert und erst nach Protesten den selbstbewussten Frauen wieder zurückgegeben.
Zu den Höhepunkten des Jahres gehörten die Leipziger Messen. An den Modenschauen, acht an einem Tag, erfreute sich auch die Politikprominenz der DDR, die ihre Schönen bewunderten.
"Wir saßen dann mit den Füßen im kalten Wassereimer, weil wir nicht mehr konnten. Dann kam der Minister und der Minister, Armeegeneral Hoffmann, dann kam Frau Honecker und Herr Honecker. Dann saßen auch irgendwelche Schuhverkäufer aus Italien drin. Es war einfach international. Natürlich waren wir einfach schöne Weiber."
Sie wurden von Westmännern zum Essen und in die Disco eingeladen, auch wenn das unerwünscht war. Zwei von ihnen verliebten sich, heirateten und hatten anschließend noch in den USA und Holland Erfolg.
Die anderen blieben. Der Modeexpress zur Musik von Barry White rollte weiter. Die Mannequins verdienten sehr gut und konnten günstig die Kreationen von Exquisit und des Modeinstituts kaufen. Mit dem Ende der DDR war Schluss. Es gab nur noch ein paar Fototermine.
Die "schönen Weiber" von einst, inzwischen zwischen 60 und 70, sind noch immer attraktiv und selbstbewusst. Monika Machon verbringt den Winter bei ihrem Freund auf La Palma und den Sommer im brandenburgischen Prieros. Und Detlef Heising betreibt in Berlin Köpenick eine kleine Künstleragentur mit Stars aus dem Osten.