Mansfeld

Das Luther-Museum im Nirgendwo

In Mansfeld in Sachsen-Anhalt steht das Elternhaus von Martin Luther.
In Mansfeld in Sachsen-Anhalt steht das Elternhaus von Martin Luther. © dpa / picture alliance
Von Christoph Richter |
Für 3,5 Millionen Euro hat sich Mansfeld in Sachsen-Anhalt ein Luther-Museum gegönnt - gegenüber dem Elternhaus des Reformators. Die Zahl der Besucher ist bislang überschaubar. War der teure Bau wirklich nötig?
Lehrer: Martin, dekliniere rex
Martin: Rex, reges, rege…
Lehrer: Regi. Hast du in der letzten Stunde nicht aufgepasst?
Luthers Kindheit – eine Medienstation im Mansfelder Museum. Es wird sehr deutlich, in welcher Strenge, Gelehrsamkeit und Zucht der kleine, noch schmächtige Schüler Martin Luther aufwuchs.
Die ersten 13 Lebensjahre hat Luther in Mansfeld verbracht. Eine kleine Stadt, eingebettet in einen leicht hügeligen Landstrich am Südharz, der über Jahrhunderte durch den Abbau von Kupferschiefer geprägt war. Eine Gegend, die vor etwa 500 Jahren durch das Montanwesen einen rasanten Aufstieg erlebte. Binnen kürzester Zeit kamen hier viele Menschen zu Wohlstand. Auch die Luders, wie die Luthers damals noch hießen.
"Man weiß natürlich, dass Martin Luther Reformator war, aber ich glaube, gerade hier in dieser Region, einer eher säkularen Region, kann es eher interessant sein, zu zeigen, wie Luther gelebt hat. Das Interesse an Luther über die Lebensumstände zu wecken."
Der kleine Martin kam aus gutem Hause
Ein Luther-Museum in Mansfeld. Es gehe nicht um Heldenverehrung, betont Kurator Christian Philipsen. Vielmehr will das Museum zeigen, dass Martin Luther aus - man würde heute sagen - gutem Hause kam. Anders als es Luther selbst - beispielsweise in seinen Tischreden - immer dargestellt hat.
So erfährt man hier, dass der kleine Martin in einem recht herrschaftlichen Anwesen aufwuchs, sein Vater war ein erfolgreicher Bergbauunternehmer. Der gehobene soziale Standard spiegelt sich in der Ausstattung des Hauses wider. Die Fenster waren verglast, in der Wohnung standen Kachelöfen, so dass man die Räume rauchfrei heizen konnte. Zeichen des Wohlstands.
"Die Luthers konnten sich frischen Fisch in der Fastenzeit leisten. Und eben nicht, wie sonst üblich bei den ärmeren Leuten, Stockfisch oder Salzhering. Sondern frischen Fisch, zum Beispiel den sehr beliebten Karpfen."
Als besondere Delikatesse kamen bei den Luthers gebratene Singvögel auf den Tisch. Davon zeugen zentimeterkleine Knochen, die man in der Abfallgrube der Luthers gefunden hat. Fundstücke eines wohlhabenden Lebens, die im Museum in Schaukästen in einer Art Guckkastenprinzip präsentiert werden. Man will Luther als Menschen fassbar machen. Gerade für Kinder und Jugendliche.
13 Übernachtungsgäste im ganzen Jahr
Das Museum hat durchaus seinen Reiz, wenngleich der Bau nicht unbedingt mit dem städtebaulichen Umfeld korrespondiert. Die Außenhaut besteht aus grauem Sichtbeton, in die man Steine aus der Region mit eingearbeitet hat. Man muss es so sagen, ein Bau wie ein UFO in Mansfeld. In einer von der Welt vergessenen Stadt, die seit dem Ende des Kupferschieferbergbaus Anfang der 1990er-Jahre einen radikalen Niedergang erlebt.
Viele Häuser sind grau, stehen leer und verfallen. Menschen sieht man wenige in den Straßen. Auch Touristen verirren sich nur selten nach Mansfeld. Allein 2013 hätte der Bürgermeister jeden Übernachtungsgast per Handschlag begrüßen können. Genau 13 verzeichnet die Statistik. Ist dies der richtige Ort für ein Luther-Museum? Wer nach dem Museumsbesuch einen Kaffee trinken oder in Mansfeld gar etwas essen will, hat ein echtes Problem.
"Das sieht eben schlecht bei uns in Mansfeld aus, auf Deutsch gesagt", sagt Thomas Pilz, einer der Nachbarn. "Tut mir auch leid. Wenn ich von woanders kommen würde, da wäre es auch angebracht, hier in der Nähe ein Gebäude zu haben, wo man Mittag essen oder eine Tasse Kaffee trinken könnte. Das gab es ja früher. Aber alles kaputt. Nicht schön."
Landespolitiker lästern hinter vorgehaltener Hand
Ob es sinnvoll ist, ein Museum in eine Gegend zu bauen, wo eigentlich jeder Cent für Arbeitsplätze investiert werden müsste; ob es sinnvoll ist, in einer säkularisierten Region, in der die meisten Menschen noch nie eine Kirche von innen gesehen haben, 3,5 Millionen Euro in einen neuen Luther-Museumsbau zu investieren - obwohl es bereits in der Nähe das Wittenberger Lutherhaus, das Geburtshaus und das Sterbehaus gibt - dazu wollte keiner der Verantwortlichen etwas sagen.
Mit 5000 bis 8000 Besuchern im Jahr rechnet man, ist zu hören. Eine großzügige Schätzung. Jährlich 2000 bis 3000 Gäste, das sei realistisch, sagen selbst Landespolitiker hinter vorgehaltener Hand. So steht nun in Mansfeld - wo die Arbeitslosigkeit weit über dem Landesdurchschnitt liegt - ein teures, aber leider kaum frequentiertes Museum. Fast glaubt man auch beim Kurator Christian Philipsen bei der Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Besucherinteresse leichte Zweifel im Gesicht zu erkennen. Doch schnell wischt er sie beiseite.
"Das ist natürlich eine Frage, mit der sich die Mansfelder beschäftigen müssen. Natürlich. An dieser Infrastruktur muss sich noch etwas ändern."
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