Mappus und die kollabierte Demokratie
Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Mappus hatte unter der Regie des Bankers Dirk Notheis den Rückkauf von Anteilen am Energiekonzern EnBW durch das Land Baden-Württemberg einfädelt. Damit belege er den Verfall der politischen Kultur, meint Günther Lachmann.
Nicht nur im "Ländle" fragen sich die Menschen heute: Wie kann so etwas geschehen? Deshalb versucht ein Untersuchungsausschuss, die Umstände des Rückkaufs aufzuklären. Die Abgeordneten des Landtages wollen unter anderem herausfinden, wer wann was mit wem abgesprochen hat. Dem Anspruch einer rechtlichen Aufarbeitung mag das genügen.
Wer aber den Schaden für die Demokratie ermessen will, der muss die Strukturen offenlegen, die ein solches Handeln überhaupt erst ermöglichten; der muss eindringen in eine Landespartei, die unter der Herrschaft Familien ähnlicher Clans zu einem fragwürdigen Machtapparat mutierte. Da sind der Teufel-Clan, der Oettinger-Clan oder eben auch der Mappus-Clan. Gemeinsam dominieren sie - und folglich auch ihre Interessen - die baden-württembergische CDU.
Solche Parteiapparate verselbstständigen sich, wenn sie, wie in Baden-Württemberg, seit Jahrzehnten unangefochten die Regierung stellten. Sie entfernen sich von den Bedürfnissen der Menschen, von den Wünschen der Wähler und verfolgen vorrangig die Ziele ihrer machthungrigen Karrierenetzwerke.
Auf diese Weise verlieren die Parteien jene Fähigkeit, die sie einst groß und erfolgreich machten, nämlich die der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den in der Gesellschaft schwelenden Debatten. Und irgendwann können diese Parteien die Voraussetzungen der repräsentativen Demokratie nicht mehr erfüllen.
Je stärker aber die politisch-inhaltliche Verankerung schwindet, desto demonstrativer erheben die Parteiführungen den Anspruch, sie wüssten am ehesten, was gut für die Menschen und das Land sei. Mit diesem autokratischen Selbstverständnis regieren sie. Und es ist diese völlig verzerrte Selbstwahrnehmung, die sie zu Brüdern und Schwestern im Geiste jener Autokraten an der Spitze der Finanzwirtschaft macht, denen das parlamentarische System, das auf Konsenssuche ausgelegt ist, schon immer ein Gräuel war.
Im Zustand dieser machtpolitischen Hybris kaufte Mappus unter Anleitung seines Freundes und Verbündeten Notheis für 4,5 Milliarden Euro die ENBW-Anteile zurück.
Warum? Angeblich, weil das Unternehmen sonst in die Hände der Russen geraten wäre und dies schlecht für Baden-Württemberg und seine Bürger sei. In Wahrheit versprach sich Mappus davon wohl einen weiteren Zugewinn an Macht und Einfluss in der Bundes-CDU. Notheis lockte der schnöde Mammon - ihm winkte eine hohe Provision.
Obwohl die Opposition aus SPD und Grünen am 15. Dezember 2010 aus Protest den Saal verließ, sanktionierte die Mehrheit der Regierungsfraktionen aus CDU und FDP den Kauf. Auch das ist typisch für diese sich verselbstständigenden Machtapparate. Die von ihnen dominierten Parlamente verlieren nahezu vollständig ihre konstitutionelle Funktion. Eine Kontrolle der Regierung findet nicht mehr statt, da die Mehrheitsfraktion deren Vorgaben stets nur noch nachvollzieht.
Was also ist die wahre, die eigentliche Dimension der Machenschaften der CDU-Baden-Württemberg, von Mappus und Notheis? Sie stellen die demokratische Verfasstheit der Bundesrepublik infrage. Sie offenbaren den vollständigen Respektsverlust politischer und wirtschaftspolitischer Akteure vor den Institutionen der Demokratie. Sie sind Ausdruck der Verachtung gegenüber dem Wählerwillen.
Unter einer Regierungspartei, die von Familien ähnlichen Clans beherrscht ist, erlebte das Land einen multiplen Infarkt der repräsentativen parlamentarischen Demokratie.
Günther Lachmann, Jahrgang 1961, ist Journalist und Buchautor. Er verantwortet die politische Berichterstattung auf "Welt Online". Zuvor war er viele Jahre politischer Korrespondent der "Welt am Sonntag" und der Tageszeitung "Die Welt". Im Piper-Verlag erschienen von ihm die Bücher "Tödliche Toleranz - Die Muslime und unsere offene Gesellschaft" sowie "Von Not nach Elend - Eine Reise durch deutsche Landschaften und Geisterstädte von morgen".
Welche Auswirkungen hat aus Ihrer Sicht die Affäre Mappus?
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Wer aber den Schaden für die Demokratie ermessen will, der muss die Strukturen offenlegen, die ein solches Handeln überhaupt erst ermöglichten; der muss eindringen in eine Landespartei, die unter der Herrschaft Familien ähnlicher Clans zu einem fragwürdigen Machtapparat mutierte. Da sind der Teufel-Clan, der Oettinger-Clan oder eben auch der Mappus-Clan. Gemeinsam dominieren sie - und folglich auch ihre Interessen - die baden-württembergische CDU.
Solche Parteiapparate verselbstständigen sich, wenn sie, wie in Baden-Württemberg, seit Jahrzehnten unangefochten die Regierung stellten. Sie entfernen sich von den Bedürfnissen der Menschen, von den Wünschen der Wähler und verfolgen vorrangig die Ziele ihrer machthungrigen Karrierenetzwerke.
Auf diese Weise verlieren die Parteien jene Fähigkeit, die sie einst groß und erfolgreich machten, nämlich die der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den in der Gesellschaft schwelenden Debatten. Und irgendwann können diese Parteien die Voraussetzungen der repräsentativen Demokratie nicht mehr erfüllen.
Je stärker aber die politisch-inhaltliche Verankerung schwindet, desto demonstrativer erheben die Parteiführungen den Anspruch, sie wüssten am ehesten, was gut für die Menschen und das Land sei. Mit diesem autokratischen Selbstverständnis regieren sie. Und es ist diese völlig verzerrte Selbstwahrnehmung, die sie zu Brüdern und Schwestern im Geiste jener Autokraten an der Spitze der Finanzwirtschaft macht, denen das parlamentarische System, das auf Konsenssuche ausgelegt ist, schon immer ein Gräuel war.
Im Zustand dieser machtpolitischen Hybris kaufte Mappus unter Anleitung seines Freundes und Verbündeten Notheis für 4,5 Milliarden Euro die ENBW-Anteile zurück.
Warum? Angeblich, weil das Unternehmen sonst in die Hände der Russen geraten wäre und dies schlecht für Baden-Württemberg und seine Bürger sei. In Wahrheit versprach sich Mappus davon wohl einen weiteren Zugewinn an Macht und Einfluss in der Bundes-CDU. Notheis lockte der schnöde Mammon - ihm winkte eine hohe Provision.
Obwohl die Opposition aus SPD und Grünen am 15. Dezember 2010 aus Protest den Saal verließ, sanktionierte die Mehrheit der Regierungsfraktionen aus CDU und FDP den Kauf. Auch das ist typisch für diese sich verselbstständigenden Machtapparate. Die von ihnen dominierten Parlamente verlieren nahezu vollständig ihre konstitutionelle Funktion. Eine Kontrolle der Regierung findet nicht mehr statt, da die Mehrheitsfraktion deren Vorgaben stets nur noch nachvollzieht.
Was also ist die wahre, die eigentliche Dimension der Machenschaften der CDU-Baden-Württemberg, von Mappus und Notheis? Sie stellen die demokratische Verfasstheit der Bundesrepublik infrage. Sie offenbaren den vollständigen Respektsverlust politischer und wirtschaftspolitischer Akteure vor den Institutionen der Demokratie. Sie sind Ausdruck der Verachtung gegenüber dem Wählerwillen.
Unter einer Regierungspartei, die von Familien ähnlichen Clans beherrscht ist, erlebte das Land einen multiplen Infarkt der repräsentativen parlamentarischen Demokratie.
Günther Lachmann, Jahrgang 1961, ist Journalist und Buchautor. Er verantwortet die politische Berichterstattung auf "Welt Online". Zuvor war er viele Jahre politischer Korrespondent der "Welt am Sonntag" und der Tageszeitung "Die Welt". Im Piper-Verlag erschienen von ihm die Bücher "Tödliche Toleranz - Die Muslime und unsere offene Gesellschaft" sowie "Von Not nach Elend - Eine Reise durch deutsche Landschaften und Geisterstädte von morgen".
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