Mara-Daria Cojocaru: Anstelle einer Unterwerfung
Gedichte
Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2016
170 Seiten, 20 Euro
Wenn Schnecken Ballett tanzen
Clownfisch, Dungkäfer und Waldtarpan. Sie finden sich in dem Gedichtband "Anstelle einer Unterwerfung". Die Lyrikerin Mara-Daria Cojocaru geht darin mit Poesie gegen die Zerstörung der Natur vor. Ihre Gedichte kreisen um den Konflikt zwischen Mensch und Tier.
Bereits in ihrem ersten Gedichtband "Näherungsweise", mit dem die 1980 in Hamburg geborene Lyrikerin und Philosophin Mara-Daria Cojocaru 2008 ad hoc auf sich aufmerksam machte, wimmelte es von Tieren: Katzen, Fledermäuse, Schmetterlinge oder ein devoter "Himmelsköter" bevölkerten die Szenerie. Im neuen Band "Anstelle einer Unterwerfung" stehen die Tiere nunmehr im Mittelpunkt. Allerdings künden sie von einer Welt, in der die Schöpfung aus dem Gleichgewicht geraten ist, nicht zuletzt durch die zerstörerische Hand des Menschen, der doch als Krone dieser Schöpfung gilt.
Ein ironisch gebrochener Stoßseufzer
Um eben diesen Konflikt zwischen Mensch und Tier, zwischen der "Natur der Dinge"' – so ein Gedichttitel – und den Versehrungen durch Menschenhand kreisen deshalb alle Gedichte des Bandes: insgesamt neun Zyklen und ein Appendix. "Wie schön war die Welt mit uns" lautet der Titel des ersten dieser neun Zyklen – ein Stoßseufzer, der ironisch gebrochen ist, wie vieles in diesen Gedichten, in denen das Auffälligste eine bestechende, da ungewöhnliche Perspektive ist.
In den schönsten der Gedichte – viele von ihnen lyrische Fabeln und Parabeln – schlüpft die Autorin nämlich auf Augenhöhe ihrer Kreaturen: Ein Schneckenballett entfaltet sich vor unseren Augen, Meisen heimeln, Raben lieben, eines der Gedichte führt in die Innenwelt einer Feige. Das klingt niedlich, ist aber stets kühn und kühl zugleich – man merkt der Autorin die Philosophin an. Trotzdem ist Empathie in allen Gedichten zu spüren: Es gibt ein "Epitaph für das durchsichtige Florfliegenmännchen", sie erinnert an das letzte Reh im Zoo von Gaza und konfrontiert uns mit einer Welt, in der wir Menschen die von uns verursachten Schäden nur noch vermerken, gegebenenfalls aber nicht mehr wiedergutmachen können: erlegte Elefanten, Mutationen in atomversuchten Zonen, ölverklebte Fische. "Was wissen wir schon, wie es in so einem Vogel aussieht, zumal wenn er stirbt", heißt es in "Nycticorax nycticorax".
Subtiler Humor und originelle Metaphern
Dennoch intoniert der Band keinen deprimierenden Klagegesang. Vor der Melancholie rettet ihn ein subtiler Humor und eine lyrische Sprache, die sich durch originelle Metaphern ebenso auszeichnet wie durch äußerste Melodik. Tatsächlich muss man diese Gedichte – allesamt im freien Reim gehalten, gebunden aber durch Binnenreime und Klangspielerei – laut lesen: Es knackt und knistert und raschelt und wachtatscht in ihnen. Und: Clownfisch und Bitscherling, Dungkäfer und Kronengreifer, Kauzflügler und Waldtarpan – sie alle erhalten ihren Platz.
Mara-Daria Cojocaru – Mitglied im internationalen Netzwerk Minding Animals, das aus vielerlei Blickwinkeln das Wohlergehen von Tieren erforscht – lässt insofern in ihren Gedichten wieder lebendig werden, was womöglich schon oder bald der Vergangenheit angehört. "Wir müssten leiser werden. Wie die Eisvögel Feuer fangen", heißt es in ihrem Gedicht "Natur der Dinge". Ein frommer Wunsch – den zu erfüllen dieser so sinnliche wie erkenntnisreiche Gedichtband womöglich erleichtern kann.