Marcel Duchamps Einfluss auf die Musik

Dadaismus für die Ohren

Timo Blunck mit Bass - bei einem Konzert der Gruppe "Palais Schaumburg" 1982 in Hamburg.
Dada-Pop auf die Ohren: Die Band "Palais Schaumburg" bei einem Konzert 1982 in Hamburg © Imago/Future Images
Von Klaus Walter |
Der französisch-amerikanische Künstler Marcel Duchamp beeinflusste mit seinen Ideen nicht nur die Kunstwelt, sondern auch die Pop-Musik - von der New Wave Band XTC über Musiker wie Jean Michel Basquiat bis hin zur Hamburger Band Palais Schaumburg.
XTC versammelte 1980 auf dem Album "Miniatures - A Sequence of Fifty-One Tiny Masterpieces" eine Kollektion von 51 Miniaturen, maximal 60 Sekunden lang, zusammengestellt vom britischen Musiker Morgan Fisher, inspiriert von Marcel Duchamp.
1981 nimmt Eno mit David Byrne "My life in the bush of ghosts" auf. Das bahnbrechende Album arbeitet mit "found objects", so steht es auf dem Cover, also mit Fundstücken aus dem Radio, akustische Readymades im Geiste von Duchamp: Stimmen von Discjockeys, Evangelisten, libanesische und ägyptische Sängerinnen.
Zur selben Zeit entsteht in New York ein Musikstil, der heute unseren Planeten dominiert: DJs mixen vorgefundenen Readymades aus schwarzem Vinyl zu einer neuen Musik, sie nennen es Hip-Hop. Mittendrin der schwarze Künstler und Musiker Jean Michel Basquiat, auch er: Inspiriert von Marcel Duchamp.

"Kann man was machen, was keine Musik ist?"

"Beat Bop" von Rammelzee, ein Hip-Hop-Gründungsdokument, 1981 produziert von Jean Michel Basquiat. Nach seinem frühen Tod avanciert Basquiat zu einem der teuersten Künstler der Welt. Aber wenn mal wieder ein Basquiat für 50 Millionen Dollar über den Tisch geht, dann wird garantiert gefragt: Ist das Kunst oder kann das weg?
Hinter dieser Ignoranz gegenüber dem schwarzen Künstler Basquiat wittert der afroamerikanische Kritiker Greg Tate Rassismus:
"Wenn sowas passiert, kommt prompt ein Artikel in der 'New York Times', der fragt: Ist das Gemälde so viel Geld wert? Das ist zum Lachen, ich meine, 100 Jahre nach Duchamp zu fragen: Was ist was wert? Kann er sein Instrument spielen? Ist er überhaupt ein Mensch?"
Die Idee steht über dem Handwerk, nach diesem Leitmotiv von Duchamp entsteht in den späten Siebzigern in Deutschland eine neue Bewegung:
"Geniale Dilletanten frei nach Marcel Duchamp: Diese Westberliner Musikbewegung fragte 1981: 'Kann man was machen, was keine Musik ist?' Die Frage bleibt bis heute unbeantwortet", ...
... schrieb Wolfgang Müller, als Gründer der Konzept-Band Die Tödliche Doris eine Schlüsselfigur der Genialen Dilletanten. Bekennende Dilletanten sind auch FSK, Freiwillige Selbstkontrolle. Die Münchner Band leiht sich 2012 den Titel eines berühmten Duchamp-Werke für ihr Album: "Akt, eine Treppe herabsteigend", das Gemälde sorgt 1913 für einen Skandalerfolg.
99 Jahre später besinnen sich die Musiker von FSK zurück auf den Rock, aber eben nicht einfach Rockmusik, wie wir sie kannten. Sondern? Thomas Meinecke und Michaela Melián von FSK:
Thomas Meinecke: "Das ist kubistische Rockmusik, die wir jetzt machen. Von da war es kein langer Weg, sich zu fragen, was hatte der Kubismus in der Kunst geleistet und da war es eben das Gemälde von Marcel Duchamp, das als Zentralwerk des Kubismus gilt, 'Akt, eine Treppe herabsteigend', das als Titel unseres nächsten Albums zu nehmen."

Künstlers Werk und Außenwelts Beitrag

Michaela Melián: "Dieses Gemälde markiert Übergang vom Kubismus zum Futurismus, weil hier plötzlich die Bewegung reinkommt und der Körper fast als Maschine begriffen wird. Für uns kam als Fußnote hinzu, dass Duchamp für drei Monate nach München kam und zum Konzeptkünstler wurde, auch beeinflusst durch Exponate im Deutschen Museum, dass plötzlich diese Dampfmaschinen und die frühen Aeroplane und die technischen Zeichnungen eine ganz wichtige Rolle in seinem Werk gespielt haben. Und das spiegelt sich in der Aktualisierung unserer Musik wider."
"Telefon", die Musik der Hamburger Band Palais Schaumburg, wurde immer wieder als Dada-Pop bezeichnet. Ihr Sänger Holger Hiller hat jedenfalls seinen Duchamp verstanden.
"Über Dada habe ich einiges gelesen, nachdem viele meinten, ich sei dadurch beeinflusst. Ich las zum Beispiel Interviews mit Marcel Duchamp, den ich immer ganz sympathisch fand. Dabei blieben einige seiner Sätze bei mir hängen. Zum Beispiel: 'Der kreative Akt wird nicht nur vom Künstler geschaffen. Die Außenwelt fügt ihren Beitrag hinzu.'"
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