Nach Goeckes Hunde-Attacke
Die Hundekot-Attacke auf eine Ballett-Kritikerin hat eine Debatte über Pressefreiheit ausgelöst. © imago / imagebroker
Staatsoper Hannover trennt sich von Ballettdirektor
Der Ballettchef der Staatsoper Hannover, Marco Goecke, hat der Kritikerin Wiebke Hüster bei einer Premiere einen Hundekot-Beutel ins Gesicht gedrückt. Nun wurde sein Vertrag mit sofortiger Wirkung und im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst.
Der Vorfall hat nicht nur für internationale Schlagzeilen gesorgt, sondern auch weitreichende Konsequenzen für Choreograf Marco Goecke: Wegen seiner Hundekot-Attacke auf die Deutschlandfunk- und FAZ-Kritikerin Wiebke Hüster hat sich die Staatsoper Hannover von ihm getrennt. Sein Vertrag als Ballettdirektor sei mit sofortiger Wirkung im gegenseitigen Einverständnis aufgelöst worden, sagte Intendantin Laura Berman.
Die Polizei ermittelt
Der Eklat ereignete sich während der Premiere des Ballettabends „Glaube – Liebe – Hoffnung“ am 11. Februar 2023. In der ersten Pause habe sich Goecke im Foyer vor Hüster gestellt und ihr vorgeworfen, dass sie immer so schlimme persönliche Kritiken schreibe, berichtet die Kritikerin in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ).
Plötzlich habe Goecke eine Plastiktüte mit Hundekot aus der Tasche gezogen und ihr mit der offenen Seite ins Gesicht gerieben. Hüster erstattete Anzeige, die Polizei ermittelt wegen Beleidigung und Körperverletzung.
Erst rechtfertigen, dann Entschuldigung
Zunächst rechtfertigte Marco Goecke seine Handlung. Drei Tage nach seiner Hundekot-Attacke leistete er dann öffentlich Abbitte: "Ich möchte mich bei allen Beteiligten, an erster Stelle bei Frau Hüster, für meine absolut nicht gutzuheißende Aktion aufrichtig entschuldigen", schrieb der 50-Jährige in einer Stellungnahme.
"Im Nachhinein wird mir klar bewusst, dass dies eine schändliche Handlung im Affekt und eine Überreaktion war." Gleichzeitig machte Goecke der Journalistin erneut Vorwürfe und sprach von "oft gehässigen Kritiken".
Hüster sah in dem Statement daher kein angemessenes Entgegenkommen: "Was für eine Art von Entschuldigung soll denn das bitte sein?", sagte sie in der 3sat-Sendung Kulturzeit. "Das ist eine Rechtfertigung. Plus: Wir reden hier über einen Straftatbestand. Das ist Beleidigung und Körperverletzung."
Auseinandersetzung dauert schon Jahre an
Die Auseinandersetzung zwischen Hüster und Goecke dauert wohl schon über mehrere Jahre an, wie
Henning Queren berichtet
. Der Feuilleton-Chef der „Neue Presse“ Hannover war ebenfalls bei dem Premierenabend dabei. „Bekannt ist, dass Wiebke Hüster den Tanzstil von Marco Goecke nicht weiter schätzt.“
Nach Hüsters Vermutung könnte sich Goeckes Ärger vor allem auf ihre Rezension seines jüngsten Tanzstücks für das Nederlands Dans Theater bezogen haben. „Man wird beim Zuschauen abwechselnd irre und von Langeweile umgebracht“, schreibt Hüster darin. Und weiter: „Es ist eine Blamage und eine Frechheit.“
"Angriff auf die Pressefreiheit"
Die FAZ spricht von einem Angriff auf die freie, kritische Kunstbetrachtung generell. „Der Vorfall löst auf erschreckend tatsächliche Weise ein, was in Kunstkreisen inzwischen offenbar häufig über Kritik und Kritiker gedacht und gesagt wird“, heißt es in dem FAZ-Artikel. „Goeckes Grenzüberschreitung offenbart das gestörte Verhältnis eines Kunstschaffenden zur Kritik.“ Der niedersächsische Landesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Frank Rieger, sieht in dem Vorfall einen "Angriff auf die Pressefreiheit".
Der vielfach prämierte 50-jährige Choreograf Goecke war seit der Spielzeit 2019/20 Direktor des Staatsballetts Hannover. Er trat stets mit Sonnenbrille auf und hatte auch im Opernhaus in Hannover oft seinen Dackel Gustav in einer Tasche dabei.
(Quellen: lkn, dpa, faz, ndr)