Sternekoch fordert Perspektive für Gastronomie
08:57 Minuten
Das Gastgewerbe ist vom Shutdown wegen des Coronavirus besonders hart getroffen. Trotz in Aussicht gestellter Unterstützung droht fast einem Drittel der Betriebe die Pleite. Sternekoch Marco Müller wünscht sich eine klare Exit-Strategie seitens der Politik.
Der Sterne-Koch Marco Müller bekam Anfang März für sein Restaurant Rutz seinen dritten Michelin-Stern verliehen. Es ist das erste Mal, dass in Berlin einem Lokal diese Ehre zuteil wird. Dennoch könne er im Moment gar nicht genau sagen, was in ihm vorgehe, meint Müller. Zwar habe er sich sehr gefreut, Geschichte geschrieben und die höchste Auszeichnung als Koch erhalten zu haben, aber schließlich sei sein Restaurant jetzt geschlossen.
Ehrung und Schließung - ein Wechselbad der Gefühle
Man habe sich am Tag der Bekanntgabe des dritten Sterns schon damit auseinandersetzen müssen, wie es weitergehe und hatte dann gerade mal vierzehn Tage Zeit, die Auszeichnung mit den Gästen zusammen zu genießen. "Das ist schon so ein Wechselbad der Gefühle, wie so ein heißkalter Schauer. Das war schon ganz schön bitter."
Es falle ihm schwer "runterzufahren", und er möchte das auch gar nicht, meint Müller. Man sei bisher immer auf 100 Prozent gelaufen und jetzt seien alle seine Mitarbeiter auf Kurzarbeit. Die Ungewissheit wann man wieder öffnen dürfe, mache ihm zu schaffen.
"Die ganze Szene weiß gerade nicht, wie es weitergeht und auch die ganzen Zulieferer, unsere Produzenten." Viele hätten auch gar nicht mehr die Hoffnung, dass sie es schaffen. "Und ich glaube auch, es wird nicht allen so gut gehen, auch wenn wir wieder aufmachen dürfen", so Müller.
Forderung nach einem differenzierten Blick
"Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich möchte nicht in der Haut unserer Politiker stecken und dafür verantwortlich sein, die Regeln aufzustellen." Aber es gebe Regeln, unter denen man Restaurants vielleicht wieder öffnen kann, betont Müller. "Und es gibt garantiert auch Restaurants oder Gastronomiebetriebe, die nicht ganz so zuverlässig in der Vergangenheit gearbeitet haben, die vielleicht auch nicht ganz so auf Hygiene geachtet haben." Da müsse man vielleicht auch genauer hinschauen. "Ich glaube, man kann das nicht alles über einen Kamm scheren."
Es gebe beispielsweise viele Restaurants mit Terrassen, bei denen man Konzepte erarbeiten könne, wie der Abstand zum Gast und der Abstand unter den Gästen gewahrt werden könne. "Da ist dann die Gefahr nicht größer als bei der Schlange vor der Post, die ich jeden Tag bei mir vor dem Haus sehe. Da bin ich dann der Meinung, dass man auch wieder Gastronomie öffnen könnte."
Zudem werde man bei der Wiedereröffnung wegen des Abstands weniger Gästezahlen haben als vorher. "Man kann nach Wegen suchen. Aber für uns wäre es auch langsam interessant, nach welchen Wegen wir eigentlich suchen sollen. Und von daher würde ich mir wünschen, dass die Politik da jetzt auch ein bisschen mit der Sprache rausrückt."
(rja)