Margaret Glaspy: "Emotions And Math"

Lieder des gesammelten Lebens

Album-Cover: "Emotions And Math" von Margaret Glaspy
"Emotions And Math", das Debütalbum von Margaret Glaspy © ATO Records
Von Eric Leimann |
Die intensive Arbeit am ersten Album hat sich gelohnt: Mit ihrer fabelhaften Stimme und dem virtuosen Gitarrenspiel transportiert Margaret Glaspy viel Gefühl. Die Songs auf "Emotions And Math" handeln von Beziehungen und Selbstzweifeln.
Beginnen wir mit Anthony, einem Maler, sei er fiktiv oder echt, in den Margaret Glaspy verliebt war, der sich aber für alles andere nur nicht für sie interessierte. Der Schmerz und die Selbstzweifel in diesem Song sind echt und fühlbar, auch wenn das Lied vor so vielen Jahren geschrieben wurde wie die Jugendtage der Künstlerin im nordkalifornischen Kaff Red Bluff zurückliegen. "Emotions and Math" ist ein Album des gesammelten Lebens:
"Ich mache manchmal selbst den Witz, dass ich 27 Jahre an dieser Platte gearbeitet habe. Es fühlt sich in jedem Fall an, als wäre sie sehr lange unterwegs gewesen. Ich fing an, Songs zu schreiben. Seit dieser Zeit lege ich Sachen zurück - für mein Albumdebüt. Bis jetzt hatte ich nicht das Gefühl, die richtigen Lieder beisammen zu haben. Ich bin froh, dass ich so lange gewartet habe. Acht oder neun Jahre Songwriting sind es schon, die auf dem Album versammelt sind. Zeit, die ich brauchte, um meine Stimme zu finden".

Exzellentes Gitarrenspiel, expressive Stimme

Es ist gar nicht so leicht, den Stil Margaret Glaspys zu beschreiben. "Emotions And Math", der Song, der so heißt wie das Album, erinnert an das spartanische, neopunkig-raue Songwriting von Liz Phair. Anderes hingegen klingt so fragil und dunkel, als würde man einem weiblichen Elliott Smith zuhören. Und dann gibt es Songs, die könnte man fast als fröhlich abgespeckten Southern- oder Country-Rock bezeichnen. Was alle zwölf Lieder gemein haben, sind die exzellent gespielten Gitarren zu einer fabelhaft expressiven Stimme. "Emotions and Math" wurde weitgehend live im klassischen Rock-Trio aufgenommen: Schlagzeuger, Bassist und singende E-Gitarristin. Natürlich sind diese fast rührend altmodischen Arrangements kein Zufall:
"Ja, das war eine bewusste Entscheidung. Ich wollte eine bandzentrierte Platte - und die sollte durchgängig in ihrer Instrumentierung sein. Ich habe das Album selbst produziert und wollte kein Sammelsurium im Sinne einer bunten Collage aufnehmen. Einer der Knackpunkte bei der Arbeit war, schnell loszulassen und nicht allzu lang über Fehler nachzudenken. Der andere war mein Wunsch nach Minimalismus. Ich wollte, dass nur wenige Musiker auf dieser Platte spielen. Deren Qualität war aber so gut, dass diese Idee Sinn ergab."

Als Kind bei Fiddle-Wettbewerben

Wenn man sich zu den exakten Bluesrock-Riffs von Margaret Glaspy dem Kopfnick-Impuls hingibt, glaubt man nicht, dass diese zierliche, attraktive Frau früher als geigender Folkie unterwegs war. Als Kind spielte sie landesweit bei Fiddle-Wettbewerben, dachte aber auch über eine Karriere abseits der Musik nach:
"Ich wusste schon sehr lange, dass ich professionell irgendetwas Kreatives machen wollte. Es gab aber auch andere Dinge, die mich interessieren: Sprache zum Beispiel. Ich dachte ernsthaft darüber nach, Sprachwissenschaftlerin zu werden. Auch in der Wissenschaft oder der Mathematik zu arbeiten, interessierte mich. Außerdem schauspielerte ich als Kind und machte die ganze Zeit Musik. Als ich 16 oder 17 war, wusste ich, dass Musik mein Ding sein würde".
Ein Semester in Boston am berühmten Berklee College of Music war Margaret Glaspys Ticket raus aus der Kleinstadt. Als das Geld schnell alle war, studierte sie noch eine Weile heimlich weiter, bevor sie 2010 ins Kreativzentrum New York umzog.

Drei Anläufe für die Aufnahme

Ihr Album "Emotions And Math" nahm Margaret Glaspy insgesamt dreimal auf. Zweimal daheim - zunächst als raues Demo, dann aufwändiger mit selbst angeschaffter Technik. Schließlich folgte Version drei im Sear Sound-Studio New York City mit Toningenieur, als die Künstlerin einen Plattenvertrag ergattert hatte. Die Bedeutung des Titels "Emotions And Math" bleibt jedoch die gleiche:
"Ich glaube, der Titel reflektiert die Entstehungsgeschichte des Albums. Ich merkte, dass so ein Prozess einerseits sehr gefühlsbeladen ist, andererseits sehr viel analytisches Geschick erfordert. Ich denke allerdings in ähnlicher Weise über den Menschen - dass er eine Mischung aus Gefühl und Mathematik ist. Insgesamt war 'Emotions And Math' eine Zeile, die gut beschreibt, wie ich arbeite, funktioniere und wie ich ein Album aufnehme".
Auf dem Albumcover sieht man ein Schwarzweißporträt Margaret Glaspys, mit schlichter weißer Bluse bekleidet, die sich mit der Hand durchs lange Haar fährt. Das gleiche Album hätte auch 1976 erscheinen können - so wie Joni Mitchells Meisterwerk "Hejira", an dessen Artwork die Optik von "Emotions And Math" bis hin zum Schriftbild der Texte erinnert.

Transparenz bei den Gesangsvorbildern

Margaret Glaspy, die ungern über die Beziehungsstudien-Bilder ihrer Texte spricht, hat immerhin kein Problem, die Vorbilder ihres fein pointierten Gesangs und Songwritings zu benennen:
"Es waren die Platten anderer Leute, die mich inspirierten. Früher war ich ein Riesenfan von Michael Jackson. Auch Elliott Smith ist ein wichtiger Einfluss für mich als Sängerin. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob das in meiner Musik rüberkommt. Am wichtigsten für mich ist aber wohl Joni Mitchell. Wenn man ihre Musik hört, fühlt man sich von etwas Großem, Wichtigen umgeben. Ich ziehe daraus vor allem die Auftrag, mir Mühe zu geben, mit dem, was ich tue. Ich will wirklich versuchen will, sehr gute Alben aufzunehmen".
Margaret Glaspy ist mit "Emotions And Math" ein bewusst altmodisches, aber sehr starkes Album gelungen. Songwriting weit über dem Durchschnitt, dazu der fesselnde Dialog dieser ausdrucksstarken Stimme mit einer rhythmisch groovenden Gitarre - wenn es gerecht zugeht, sollte man von Margaret Glaspy bald sehr viel mehr hören.
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