Einem Sterbenden die Hand halten darf nicht verboten sein
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Die Theologin Margot Käßmann fordert eine Lockerung der Coronaeinschränkungen bei Bestattungen: Sie verstehe nicht, warum bei Trauerfeiern im Freien nur zehn Menschen anwesend sein dürfen. Auch ein Abschied von Sterbenden müsse möglich sein.
"Ein Abschied mit Würde auf dem Friedhof gehört auch zum Respekt gegenüber Menschen", sagt Margot Käßmann. Die evangelische Theologin kritisiert die derzeitigen Einschränkungen bei Bestattungen wegen des Coronavirus. Diese sehen vor, dass nur zehn Personen bei Trauerfeiern anwesend sein dürfen.
"Das finde ich tatsächlich auch problematisch", sagt sie, "weil ich als Pfarrerin auch bei Beerdigungen immer wieder erlebt habe, dass es für die Witwe, die Kinder, den Witwer doch so wichtig ist, dass da eine Gemeinschaft ist."
Im Supermarkt mehr Menschen auf engem Raum
Zurzeit finden alle Trauerfeiern im Freien und nicht in der Friedhofkapelle statt. "Da könnten auch 40 stehen, auf Abstand, ein Lied singen, ein Vaterunser beten", sagt Käßmann im Deutschlandfunk Kultur.
Denn gerade jetzt sei Seelsorge und Trost gefragt: "Wenn ich als Tochter nicht kommen darf, wenn mein Vater bestattet wird, das ist eine lebenslange Belastung auch für Menschen. Da verstehe ich die Regeln nicht. Wenn ich in einen Edeka gehen darf, hier bei mir um die Ecke sind oft mehr als zehn Menschen auf einem engen Raum."
Gerade in Zeiten der Coronakrise solle das Augenmerk nicht nur auf Disziplin und die Einhaltung von Regeln, sondern auch auf Achtsamkeit gelegt werden: "Wir wissen doch aus der Depressionsforschung, dass seelische Belastungen Menschen in Abgründe ziehen können. Und deshalb bin ich wirklich dafür, dass darauf mehr Achtsamkeit gelegt wird."
Die Kirchen für Gläubige öffnen
Dass Gottesdienste weiterhin nicht zugelassen sind, ist aus Sicht Käßmanns eine akzeptable Regelung. "Auf den Gottesdienst lässt sich eine bestimmte Zeit verzichten, aber ich finde es wichtig, dass die Kirchen geöffnet sind."
Gestern habe sie in der geöffneten Marktkirche in Hannover Gläubige betreut: "Ich habe gesehen, wie wichtig das für Menschen ist, da reinkommen zu können – mit Abstand, mit Handdesinfektion, eine Kerze anzuzünden und zu beten. Wir müssen auch darauf achten, dass Menschen mit ihrer Seele diese Krise bewältigen können – und nicht nur mit Disziplin. Wir müssen auch achtsam auf die Seele sein. Und mir tut es endlos Leid um Trauernde, die nicht wirklich Abschied nehmen können, im großen Kreis. Und ich sage auch als Seelsorgerin: Ich muss doch in eine Klinik oder ein Altenheim gehen können und einem Sterbenden die Hand halten. Das darf nicht verboten sein."
(lkn)