Pussy Riots Maria Aljochina
Wurde in Russland zu zwei Jahren Straflager verurteilt: die Aktivistin und Musikerin Maria Aljochina. © AFP / Joel Saget
„Mein Russland ist im Gefängnis“
12:51 Minuten
Maria Aljochina ist mit ihrer Band Pussy Riot auf Deutschlandtournee. Die Russin wirft dem Westen vor, nicht hart genug auf die Krim-Annexion reagiert und so Putin zum Ukrainekrieg ermuntert zu haben. Putins Russland sei aber nicht das wahre Russland.
Vor wenigen Tagen hat Maria Aljochina mit einer Finte Russland verlassen – ihr drohte offenbar die Überstellung in ein Straflager. Nun geht sie mit ihrer Band Pussy Riot auf Tournee in Deutschland.
Der Auftakt war in Berlin.
Um ihren Überwachern in Moskau zu entkommen, habe sie sich als Essenslieferantin verkleidet und das Handy in der Wohnung eines Freundes zurückgelassen, um nicht geortet werden zu können, sagte sie der "New York Times".
Am heutigen Abend spielt sie in Berlin das erste Konzert der Pussy-Riot-Tour. Sie betont, dass sie sich in keiner Weise als Flüchtling sehe und auch keinerlei Absicht habe, Asyl zu beantragen. Sie habe Russland verlassen, um auf Tour zu gehen.
Kreml-Kritik seit 2012
Pussy Riot ist bekannt als kremlkritische Band: 2012 setzten sie mit ihrem Punk-Gebet ein Zeichen und protestierten in einer Kirche gegen den damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Wladimir Putin. Sie und ihre Bandkollegin Nadeschda Tolokonnikowa wurde zu zwei Jahren Straflager verurteilt.
Zwei Monate nach ihrer Freilassung habe Russland die Krim annektiert, erinnert sich Aljochina. "Das war ein harter Moment: Der Westen hat meiner Meinung nach nicht angemessen reagiert." Die Sanktionen seien nicht sehr hart gewesen.
Das habe Putin und Co. das Signal gegeben, "dass es möglich und o. k. ist, sich das Territorium anderer Länder einzuverleiben, und dass das zu fast keiner Reaktion führt", sagt sie. "Deshalb gibt es jetzt diesen Krieg, und deshalb zahlt die Ukraine für ganz Europa mit dem Blut seiner Bürger."
Die russische Führungsriege und der Westen
In all den acht Jahren seit der Krim-Annexion habe es in Russland Proteste gegeben, betont Aljochina: Große Versammlungen, einzelne Demonstrationen, künstlerische Protestaktionen, der Versuche, in die offizielle Politik zu gehen. Menschen seien inhaftiert oder vergiftet worden. "Boris Nemzow beispielsweise wurde ganz in der Nähe der Kreml erschossen", sagt sie.
Die Führungsriege in Russland brauche eine ständige Kriegssituation, um dem Volk die schlechten Lebensverhältnisse zu verkaufen, meint Aljochina. Sie brauche das, um zu erklären, warum die Armut wachse und warum die ökonomische Lage schrecklich sei, während bestimmte Leute ihre durch Korruption und Diebstahl erlangten Reichtürmer legalisierten, indem sie Villen bauten.
"Wie ist es möglich, dass diese Leute Villen und Jachten kaufen können, wie kann es sein, dass ihre Kinder im Westen lernen und studieren und dann nach Russland zurückkommen und das Regime billigen?", fragt die Musikerin und Aktivistin rhetorisch mit Blick auf den Westen.
"Das wahre Russland"
Pussy Riot haben mit "NFTs" drei Millionen Dollar als Hilfe für die Menschen in der Ukraine und die ukrainischen Flüchtlinge gesammelt. Unter NFTs (Non-fungible Tokens) versteht man nicht kopierbare digitale Sammelobjekte wie zum Beispiel Kunstwerke, die mit Kryptowährung bezahlt werden. Ganz frisch haben die Musikerinnen und Aktivistinnen auch ein Lied gegen den Krieg geschrieben.
Auch mit den Konzerten wollen sie die Ukraine unterstützen, wie Aljochina sagt. Die Show werde eine Mischung aus Statements, Songs und Videos sein. "Es wird die Geschichte von unserer Entscheidung erzählt, nicht an der Seite zu stehen, sondern zu handeln."
Aljochina sagt, es müsse ein Kriegsverbrechertribunal geben für Putin und alle, die dem Krieg den Boden bereitet und Hass verbreitet hätten. "Ohne ein Kriegsverbrechertribunal gibt es keine Zukunft", sagt sie.
"Mein Russland ist ein anderes Russland, mein Russland ist im Gefängnis", fügt sie an. "Nicht nur Alexej Nawalny, der wahrscheinlich wichtigste Held, sei in Haft, auch Tausende andere Menschen seien hinter Gittern, und jeden Tag gebe es neue Anklagen und neue Verhaftungen.
"Das ist das wahre Russland, aber das ist versteckt vor den Augen des Westens", sagt sie zur Lage der Kritiker von Präsident Putin und dessen Politik.