Maria Lassnig

Eine Hirnforscherin in der Malerei

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Ausschnitt aus Maria Lassnigs Gemälde "Brettl vorm Kopf": Zu sehen ist eine menschliche Figur, die ein helles Rechteck vor den Augen hat. Das Bild ist überwiegend in Blau- und Grüntönen gehalten.
Mit "Brettl vorm Kopf" - hier ein Ausschnitt - schuf Maria Lassnig eine Selbstdarstellung, die grundiert ist von Schonungslosigkeit und bitterem Humor. © Maria Lassnig Stiftung
Von Rudolf Schmitz |
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Maria Lassnig gilt als eine der wichtigsten Malerinnen des 20. Jahrhunderts. Mit ihren "Körperbewusstseinsbildern" hat sie einen eigenen Weg zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit gefunden. Die Staatsgalerie Stuttgart widmet ihr eine Ausstellung.
"Herzselbstporträt im grünen Zimmer" oder "Brettl vorm Kopf" heißen die Ölgemälde von Maria Lassnig. Da sieht man eine ameisenhaft sich krümmende rotbraune Figur auf grünem Grund oder eine fragmentierte menschliche Gestalt mit aufgerissenem Mund und grünlicher Rechteckfläche vor der Stirn. Selbstdarstellungen, wie man sie von Künstlerinnen selten sieht. Grundiert von Schonungslosigkeit und bitterem Humor. Christiane Lange, Direktorin der Stuttgarter Staatsgalerie:
"Es ist, denke ich, wirklich ein in sich hinein Spüren, aber nicht so ein, wie man sagen würde: das ist typisch weiblich, die malt jetzt ihre Emotionen, die malt jetzt ihr Glück oder ihre Trauer, darum geht es überhaupt nicht. Es geht um ein anderes Fühlen, es ist diese Erfahrung, wie Kafka sie nennt: Das einzig Reale ist der Schmerz.
Wenn man Fotos von ihr beim Arbeiten sieht - sie liegt ja oft auf ihren Leinwänden, mit geschlossenen Augen. Sie malt eben nicht sehend. Weil sie nicht die Wirklichkeit abbildet, sondern das, was sie spürt, in eine von uns sehbare und dann wieder umsetzbare Sprache übersetzt".
Es sind Gemälde aus den 1960er-Jahren, die Christiane Lange zusammen mit dem Galeristen Helmut Klewan ausgesucht hat, weil sie die erstaunliche Originalität dieser Künstlerin vor dem Hintergrund von Pop Art oder wilder deutscher Malerei am besten demonstrieren.

Lassnig wollte Gefühle zum Ausdruck bringen

Der Galerist Klewan, der 1970 seine Wiener Galerie mit den Wiener Aktionisten eröffnete und dann ab 1978 auch eine Filiale in München führte, beschreibt die Freundschaft mit Maria Lassnig als immerwährenden Kampf. Jedes Bild musste er ihr abschwätzen, die Aussicht, ein Bild nicht mehr zurück zu bekommen, war der Künstlerin unerträglich.
Vermutlich, weil Maria Lassnig die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität als Forschung mit Haut und Haar verstand. Christiane Lange sagt dazu:
"Das eigene Ich ist eben weniger von der oberflächlichen Physis als von unseren Gefühlen bestimmt. Wir sehen ja nicht nur mit den Augen, wir nehmen ja mit allen Sinnen wahr. Und dieses mit allen Sinnen Wahrnehmen ist etwas, das man dann auch in der Kunst verdichten kann. Und das ist das Schöne an so großartigen malerischen Positionen wie Francis Bacon oder Maria Lassnig: dass sie verdichten, dass sie fokussieren. Das ist das Faszinierende, wie so komplexe Themenfelder dann in Malerei so sinnliche Erlebnisse werden können".
Die Malerin Maria Lassnig steht vor einem ihrer Gemäde - ein Esel, der von einem bunten Menschen auf den Schultern getragen wird, stemmt die Hände in die Hüften und lacht in die Kamera.
Was man heute gerne Selbsterfahrungsgruppe nennt, ist bei Maria Lassnig eine lebenslange Ich-AG. © dpa picture alliance/ AP Photo/ David Turner/ Women's Wear Daily
Der Saal mit den Zeichnungen aus mehreren Jahrzehnten zeigt dann, wie unermüdlich und unerschrocken Maria Lassnig dieser Sinnes- und Selbstwahrnehmung nachspürte. Da sieht man das Aquarell eines ruhenden Tigers und, in ähnlicher Körperhaltung, wie ein Schatten, eine ruhende weibliche Gestalt. Oder, mit Bleistift ausgeführt, zwei gesteinsartige Figuren in schroffem Dialog. Titel: "Alpenbegegnung". Lange erklärt:
"Dieser unglaublich sensible, intensiv fühlende Strich, das sind wirklich sehr klare Zeichnungen, die über die äußere Form versuchen, das Ganze zu packen."

Eine andere Art, neurologische Erkenntnisse sichtbar zu machen

Was man heute gerne Selbsterfahrungsgruppe nennt, ist bei Maria Lassnig eine lebenslange Ich-AG. Ob es um Verschmelzung mit Tieren, mit der Natur geht, oder, wie in den Gemälden, mit einem Sessel oder prothesenhaften Apparaten.
"Und das, was parallel im 20. Jahrhundert die Hirnforschung, die Neurologie mit vielen, vielen neuen Erkenntnissen erforscht hat und Puzzlesteinchen auf Puzzlesteinchen in unser Bewusstsein rückt, hat sie in eine Formen- und Farbsprache gebannt, die uns über genau diese Dinge eben auch auf einer anderen Ebene reflektieren lassen. Oder Dinge vielleicht besser verstehen lassen als wenn wir, als Nicht-Mediziner, einen Aufsatz über Neurophysiologie lesen".
Es gibt da eine Hirnforscherin auf dem Terrain der Malerei - genau das will uns die Direktorin der Stuttgarter Staatsgalerie mit dieser Hommage an Maria Lassnig zeigen. Und wir Betrachter haben Gelegenheit, ausgiebig zu staunen.

Die Ausstellung "Maria Lassnig. Die Sammlung Klewan" ist bis zum 28. Juli 2019 in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen.

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