Witziges und Wütendes über das Leben als Frau
Bis zu ihrem Tode war Maria Lassnig kreativ und produktiv, vor zwei Jahren starb sie im Alter von 94 Jahren. Das Museum Folkwang in Essen zeigt in einer großen Ausstellung, wie anregend ihre Arbeiten bis zum Schluss waren.
Fast 70 Jahre liegen zwischen den beiden Selbstporträts, mit denen die Ausstellung eröffnet: Schon auf dem ersten von 1945 malte sich Maria Lassnig mit betont hohen Wangenknochen, wie sie es bis zum Schluss beibehielt. Auf beiden Bildern präsentiert sie sich als Malerin mit Pinsel in der Hand, der den weißen Bildgrund berührt, den sie bis 2013 auf unterschiedlichste Weise füllte, was die folgenden Räume schlaglichtartig und chronologisch geordnet vorführen.
1919 in Kärnten geboren, begann Lassnig mitten im Faschismus ein Kunststudium in Wien. Sie malte erste expressionistische Porträts und musste erleben, so Kuratorin Anna Fricke:
"Dass ihre eigenen Werke als entartete Kunst bezeichnet wurden. Sie ist aus der Klasse von Professor Dachauer rausgeworfen worden, impressionistische und expressionistische Stile waren nicht erlaubt."
Lassnig malte weiter - und erst einmal das, was gerade angesagt war: In den 50er Jahren entstanden dunkle, abstrakte Farbflächenbilder. In den 60ern folgten in Paris "Körperbewusstseinsbilder", eine informelle Malerei, die zumeist aus oval geformten farbigen Liniensträngen bestand.
"Wo sie wirklich vor der Leinwand steht und versucht, die Umrisslinien ihres Körpers auf die Leinwand zu übertragen. Also hier ist die Außenwelt noch nicht so vorhanden wie später."
Das änderte sich 1968! Die seitdem entstandenen Arbeiten bilden den Schwerpunkt der Ausstellung. Und auch, wenn die verwinkelte Ausstellungsarchitektur etwas unübersichtlich wirkt und wichtige Beispiele für in dieser Zeit entstandene große Serien fehlen, führen die Arbeiten vor, wie mitreißend und verstörend, wie erhellend und witzig Malerei sein kann, wenn sie sich nur der Wirklichkeit stellt!
1968 - Maria Lassnig war 49 Jahre alt und wurde vom patriarchalen Kunstmarkt konsequent ignoriert - ging sie nach New York. Dort fand sie zu sich selbst! Sie lernte feministische Künstlerinnen kennen, schloss sich einer Gruppe Filmemacherinnen an und entwickelte kleine Trickfilme, in denen sie ironisch die herrschenden Rollenbilder zerlegte. In "Paare" etwa wird sie von klammernden Liebhabern bedrängt. Sie selbst wiederum nervt ihren Liebsten, er möge mit ihr über Liebe reden.
Im Mittelpunkt: ihr nackter Körper
In ihrer Malerei befreite sich Maria Lassnig von allen abstrakten Kunstmoden und entwickelte eine eigenwillige und mitreißende gegenständliche Bildsprache, die sie bis zu ihrem Tod beibehielt: In deren Mittelpunkt stellte sie ihren nackten Körper, an dem sie in vereinfachenden Formen und in strahlenden Farben witzig, wütend und kritisch vorherrschende Rollenbilder thematisierte, Lust, Liebe und Frust, Krieg, Krankheit und Tod.
In einer Serie sieht man sie zum Beispiel mit Küchengeräten kämpfen. Und weil es schwer ist, das tradierte Frauenbild zu sprengen, malte sie sich mit einer Pfanne auf dem Kopf, aus der ihr etwas Weißes über die Augen rinnt und ihr für einen Moment die Orientierung nimmt.
Ein anderer Raum versammelt Bilder über das Malen. Und bei all dem werden ihre Farben vor allem ab den 90ern immer lichter und heller.
"Wahrscheinlich deshalb, weil wenn man älter wird, die Gefahr ist, dass man das Augenlicht verliert. Und deshalb schätzt man dann das Licht so sehr. Ich mal jetzt zum Beispiel nur, wenn Sonnenlicht ist. Wenn die höchstmöglichste Farbigkeit überhaupt entsteht."
Während des Irakkriegs - Lassnig war 72 Jahre alt - suchte sie nach einer adäquaten Ausdrucksform für die Perversion eines medial-vermittelten, angeblich sauberen Krieges - und zeigte in steril-glatter Malerei martialische Maschinenmenschen.
Dazwischen hängte Anna Fricke, was der Krieg mit Lassnig anrichtete: Wie einen Kadaver malte sie sich - mit abgezogener Haut.
"'Selbstporträt mit Nervenlinien' - das ist jetzt die Innenansicht, das sind jetzt die Nervenlinien, wie sie da so zitternd in Lila durch den Körper bewegen und oben kommen die Augen raus, und das hat mit einem menschlichen Körper im engeren Sinne nicht mehr so viel zu tun."
Den Höhepunkt der Ausstellung bildet der tief berührende letzte Raum mit Bildern über Krankheit, Sterben und Tod. Auch für diese Erfahrungen entwickelte Lassnig völlig neue Bildmotive, wie es sie bisher in der Malerei nicht gab.
"Der junge Mensch glaubt ja überhaupt nicht, dass er mal sterben wird. Und später dann hat man Angst. Dann noch später hat man wieder keine Angst mehr. Und dann kommt wieder eine Angstperiode. Es ist ja furchtbar."
So zeigt sie auf 1,50 Höhe und zwei Metern Breite ein Triptychon ihres eigenen Sterbens: Drei kraftlose Gestalten in Krankenhausbetten, leeren Hüllen mit vergehenden Gesichtern gleich, im Hintergrund ringt ein weiterer Kopf um den letzten Atemzug.