Der sechste Anlauf der AfD im Bundestag
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Im Bundestagspräsidium sind Mitglieder fast aller Fraktionen vertreten - nur die AfD bekam für ihre Vertreter bislang keine Mehrheit. Heute könnte sich das ändern: Die AfD-Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel kandidiert für das Amt der Vizepräsidentin.
Es ist der sechste Anlauf der AfD für die Wahl des Bundestagsvizepräsidenten, und diesmal soll es auch gelingen. Darauf hofft zumindest die Fraktionsspitze der AfD, und für Bernd Baumann, den Parlamentarischen Geschäftsführer, wird es auch höchste Zeit, dass die anderen Parteien der AfD den Posten nicht mehr länger verwehren:
"Es gibt keinen Grund, unseren Kandidaten nicht zu wählen. Mariana Harder-Kühnel ist völlig unbescholten wie unsere anderen Abgeordneten alle auch. Es gibt keinen Grund, sie nicht zu wählen. Es ist von den anderen Fraktionen nicht ein einziger Grund vorgebracht worden, sie nicht zu wählen. Wir haben einen Anspruch darauf. Der Vizepräsident im Bundestag, wenn er das Plenum führt, der kann das Wort erteilen, der kann kritisieren, der kann Ordnungsrufe erteilen, und wir sind da nicht dabei. Das ist eine völlig ungleichgewichtige Veranstaltung, die ist unfair. Wir haben keinen Vizepräsidenten, und das muss sich ändern."
Aus dem gemäßigt-liberalen Flügel der AfD
Die AfD hat sich lange auf den erneuten Versuch vorbereitet. Zwei Mal schon hat es Mariana Harder-Kühnel, obwohl sie anders als Albrecht Glaser bislang nicht durch islamfeindliches Auftreten oder anderes aufgefallen wäre, versucht und war trotzdem durchgefallen. Innerhalb der Partei gehört sie zum gemäßigt-liberalen Flügel. Allein dass sie schon seit der Gründung der AfD im Jahr 2013 der Partei angehört, lässt viele Parlamentarier skeptisch bleiben. In den vergangenen Wochen und Monaten hat sie bis auf die Linken alle Fraktionen besucht, sich vorgestellt und Fragen beantwortet, wie sie denn das Amt ausführen will:
"Ich möchte Vizebundestagspräsidentin für alle Abgeordneten sein. Ich möchte ausgleichen und möchte natürlich auch zwischen uns und den anderen Fraktionen vermitteln."
Brinkhaus (CDU) hat erklärt, sie zu wählen
An der einen oder anderen Stelle hat sie damit wohl schon einen guten Eindruck hinterlassen. So hat CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus am Dienstag in der Fraktion erklärt, dass er Harder-Kühnel wählen werde. Das dürfe aber nicht als allgemeine Aufforderung verstanden werden, betont CDU-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer:
"Wir geben keine Empfehlung ab. Wir sagen, nach unserer Auffassung, das war bei uns immer unstreitig: Auch die AfD hat entsprechend den Mehrheitsverhältnissen das Anrecht auf Positionen im Deutschen Bundestag, die dort verteilt werden. Aber gewählt werden müssen die Kandidaten der AfD dann schon mehrheitlich im Deutschen Bundestag."
Lindner (FDP) will sie wählen, damit AfD keinen "Opferstatus" hat
Es gibt demnach neben dem Votum des Fraktionsvorsitzenden, dem sicherlich Abgeordnete folgen werden, keine Wahlempfehlung. Gleiches gilt auch für die FDP:
"Ich bin unsicher, ob die Kandidatin eine Erfolgsaussicht hat. Ich kann für mich persönlich sagen, dass ich nicht überzeugt bin von der AfD, aber die AfD hat demokratische Mitwirkungsrechte im Parlament. Dazu gehört auch die Position einer Vizepräsidentin. Das heißt, ich werde diese Kandidatin wieder wählen, weil ich nicht möchte, dass die AfD einen Opferstatus hat", sagt FDP-Chef Christian Lindner.
Auch in seiner Partei gibt es keine Empfehlung oder Absprache.
Schneider (SPD): "Eine Frage des Gebens und Nehmens"
Dass bei diesem Wahlgang allein die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen hinreichend sein werden, kann der AfD-Kandidatin zum Vorteil gereichen. Doch bei den Abgeordneten von SPD, den Grünen und der Linken fällt die Skepsis größer aus:
"Ich bin mir sicher, dass kein einziger Abgeordneter der AfD auch nur einen einzigen Kandidaten der SPD bei den geheimem Wahlen hier gewählt hat. Selbst dann aber zu erwarten, dass es alle tun sollen, das ist schon… Das ist eine Frage des Gebens und Nehmens auch und bisher ist zumindest im kollegialen Umgang die AfD nicht von der Sorte, dass man sagen kann, das läuft hier kollegial, und deswegen wächst hier auch die Distanz", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider.
Wahlgang am frühen Nachmittag
Und Jan Korte von der Linken betont:
"Letztendlich ist es natürlich eine politische Frage: Ist die Mehrheit des Bundestages der Auffassung, dass mit einer AfD, wie sie sich heute darstellt, mit all dem, was jetzt auch der Verfassungsschutz aufgeschrieben hat, ist die Mehrheit des Bundestags der Auffassung, dass so jemand den Bundestag repräsentieren kann und neutral die Würde des Hauses vertritt? Und das ist eine Entscheidung von jedem einzelnen Abgeordneten."
Am frühen Nachmittag soll der Wahlgang ohne erneute Aussprache über die Bühne gehen.