„Aus der Musik kann man sich nicht einfach zurückziehen. Ich meine, schaut euch die alten Bluessänger, Juliette Greco oder Jeanne Moreau an. Die haben selbst in ihren 80ern noch gearbeitet. Und deshalb werde ich nie ganz aufhören, ich lasse es einfach nur langsamer angehen.“
Marianne Faithfull wird 75
Für Marianne Faithfull waren die 60er die schlimmste Zeit ihres Lebens © picture alliance / Walter Weissman / STAR MAX/ IPx
„Aus der Musik kann man sich nicht einfach zurückziehen"
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Harte Drogen, berühmte Liebhaber, Fehlgeburten, Obdachlosigkeit, Brustkrebs, Corona – Marianne Faithfull hat das alles überlebt und singt bis heute. Jetzt feiert die Grande Dame des Rock'n'Roll ihren 75. Geburtstag.
„Ich war nie so wild, wie die Leute denken. Und es ärgert mich, wenn ich im Internet diese unglaublichen Sachen lese – diese Fantasien, die da über mich verbreitet werden und die einfach nicht stimmen. Ich habe nie an irgendwelchen Orgien teilgenommen. Und ich habe nie wirklich gegen etwas rebelliert. Das Problem mit den 60ern war: Es ging nur um lange Haare und Drogen, was eine echte Verschwendung von Energie war. Wir hätten so viele gute Dinge tun können, aber das haben wir nicht.“
Marianne Faithfull zählt zu den wenigen Zeitzeugen, die die Swinging Sixties nicht verklären. Im Gegenteil: Für sie sei es die schlimmste Zeit ihres Lebens gewesen, sagt sie. Eine streng katholische Schule, gefolgt von der Ausbeutung als Popsternchen und schließlich als Anhängsel eines Rockstars – Mick Jagger von den Rolling Stones: „Ich habe Mick sehr geliebt, wollte aber nicht seine Frau und die Mutter von sechs Kindern werden.“
Stattdessen wurde sie zum obdachlosen Junkie. Auch nach ihrem 79er-Comeback „Broken English“ wurde sie mehrfach rückfällig, hatte Probleme mit Männern, Geld und ihrer Gesundheit. Etwa mit Brustkrebs, Hepatitis C und einer chronischen Kehlkopfentzündung, die bis heute für eine raue Reibeisenstimme sorgt.
Großen kommerziellen Erfolg hatte Marianne Faithfull nie. Das sei auch nicht ihr Ziel gewesen, sagt sie. Sie sei zu schüchtern, um im Rampenlicht zu stehen und für riesige Menschenmassen zu singen. Deshalb hat sie sich zusehends auf Jazz, Blues und zuletzt Spoken Word verlegt – auf Kunst statt Pop oder Rock. Inzwischen kann sie auf 22 Alben zurückblicken, die sie als extrem wandlungsfähig zeigen – und immer öfter als Songwriterin.
Rente kommt nicht in Frage
Bewunderung und Respekt erfährt die Britin auch von illustren Kollegen wie Metallica, Roger Waters, Damon Albarn und Nick Cave für ihre Stehauf-Männchen-Mentalität und ihre Vielseitigkeit. Nicht nur in der Musik, sondern auch auf den Theaterbühnen und vor der Kamera. Da ist sie in den 90ern und 2000ern mit Filmen wie „Irina Palm“ zur Königin des Arthouse-Kinos geworden.
Dieser Ruf hat ihr die Türen zur Kunst- und Modewelt geöffnet: Faithfull ist Everybody's Darling, einschließlich des Feuilletons. Und obwohl sie gesundheitlich angeschlagen ist und selten live auftritt: An die Rente denkt das Geburtstagskind noch lange nicht.
Was sie geflissentlich verschweigt: Ihr mondänes Pariser Apartment in der Nähe des Boulevard Hausmann dürfte ein Vermögen kosten. Und ihr Lifestyle aus schicken Restaurants, Designerklamotten und Luxusreisen geht ebenfalls ins Geld. Um diesen aufrechtzuerhalten, muss sie arbeiten, ob sie will oder nicht. Heute, an ihrem Ehrentag, gibt es ein exklusives Dinner im Hotel Costes – Hummer for one.