Marie Sophie Budek: "Tanz am Abgrund"

Die furchtbaren Methoden einer Ballettschule

10:21 Minuten
Ein Paar Ballettschuhe auf dunklen Holzdielen
Ballett ist bekannt für Strenge und Disziplin. Als Kind habe sie nicht infrage gestellt, wie mit ihr an der Ballettschule umgegangen wurde, sagt die Absolventin Marie Sophie Budek. © imago images / Panthermedia / andreyphoto63
Marie Sophie Budek im Gespräch mit Andrea Gerk · 04.10.2021
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An der Staatlichen Ballettschule Berlin sollen Kinder psychisch und körperlich misshandelt worden sein. Marie Sophie Budek hat ein Buch über ihre Zeit an der Schule geschrieben. Für sie sind ihre Erfahrungen ein Symptom der Leistungsgesellschaft.
An der Staatlichen Ballettschule Berlin sollen Kinder den Tanz auf Weltniveau lernen. Doch dabei soll es zu psychischer und physischer Misshandlung gekommen sein, wie zunächst durch Vorwürfe ehemaliger Schülerinnen und Lehrkräfte bekannt und später durch eine unabhängige Clearingstelle bestätigt wurde. Eine der Betroffenen ist Marie Sophie Budek, die mit zehn Jahren den Unterricht an der Ballettschule aufnahm. Sie hat das Buch "Tanz am Abgrund" geschrieben, in dem sie über ihre Erfahrungen berichtet und das Erlebte aufarbeitet.
Als Kind habe sie noch nicht verstanden oder infrage gestellt, wie mit ihr umgegangen wurde, sagt Budek. Erst rückwirkend habe sie festgestellt, dass die Methoden an der Ballettschule "veraltet bis furchtbar" gewesen seien. In ihr habe es einen Konflikt gegeben, da sie einerseits bemerkt habe, dass ihr die Art der Lehrer nicht gefalle, aber sie andererseits den Drang verspürt habe, zu gefallen und Leistung zu bringen.
Das Buch hat Budek aber nicht nur für Tänzer und Tänzerinnen geschrieben, sondern für alle, da ihre Geschichte auf eine Art auch die Leistungsgesellschaft widerspiegele: "Ich möchte alle ansprechen, die halt in diesem Hamsterrad-Ding drinhängen."

Schädliches Bild vom eigenen Körper

Das Ballett habe ihr ein destruktives Bild von ihrem eigenen Körper vermittelt – ein Grund, aus dem manche Karrieren viel früher endeten als möglich, sagt Budek. Es sei wichtig, körperlichen Ausgleich zu schaffen. Es habe immer wieder Phasen gegeben, in denen ihr Körper rebellierte, weil sie fünf, sechs Tage pro Woche trainierte. Als sie in Frankreich tanzte, brach Budek sich ihren Fuß. Für sie war das ein Zeichen: "Wenn du nicht stoppst, dann wirst du gestoppt."
Budek, die mittlerweile als Heiltherapeutin arbeitet, wünscht sich, dass in Zukunft die Pädagogik im Ballett neu gedacht wird. Natürlich werde Ballett eine Extremform der Bewegung und damit elitär bleiben. Doch man müsse Techniken aus dem Leistungssport lernen und Dinge wie Selbstwirksamkeitsüberzeugung übernehmen, um das Mentale zu stärken, Motivation zu schaffen und nicht zerstörerisch zu agieren.
Sie wünscht sich, dass "ein Umdenken stattfindet und man halt nicht mehr in dieser alten russischen Schule drinsteckt, wo Dinge wie vor 50, 60, 80 Jahren gemacht werden."
(hte)

Marie Sophie Budek: "Tanz am Abgrund"
Lübbe Sachbuch, Köln 2021
237 Seiten, 14,90 Euro

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