Marina Münkler über Politiker-Freundschaften

Putin beherrscht diese Klaviatur

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Russlands Präsident Wladimir Putin und der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder gemeinsam an einem gedeckten Tisch 2011 bei einem Treffen in Russland.
Ihre Männerfreundschaft zelebrierten Russlands Präsident Wladimir Putin und der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder bei zahlreichen Anlässen, hier 2011 in der Nähe von St. Petersburg. © picture alliance / dpa / Alexey Nikolsky
Marina Münkler im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
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Mit Skepsis blickt Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler auf Freundschaften in der Politik. Sie spricht von "Nutzen-Freundschaften" und verweist ideengeschichtlich auf Aristoteles und Cicero. Die Freunde Schröder und Putin sind ihr darum suspekt.
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hält sich derzeit mal wieder in Moskau auf. Auf die Frage, was er dort mache, antwortete der SPD-Mann: „Ich mache hier ein paar Tage Urlaub. Moskau ist eine schöne Stadt.“ Seine Frau sagte dem "Spiegel" dagegen, er sei nicht im Urlaub, sondern führe Gespräche über Energiepolitik. Ob es zu einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin kommt, blieb zunächst unklar.

Freundschaft in der Politik

"Das betont er immer wieder, dass er mit Putin befreundet sei", sagt die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler. Schröder sei schon als Politiker jemand gewesen, der Außenbeziehungen sehr stark über Freundschaften betrieben habe. "Das Problem bei dieser Art von Freundschaft ist, dass Freundschaft durchaus auch ein Modell der Korrumpierung sein kann."
In der politischen Ideengeschichte sei das bereits früh so gesehen worden, sagt Münkler, die gerade das Buch "Gespräche über Freundschaft" publiziert hat. Schon der griechische Universalgelehrte Aristoteles habe zwischen drei Arten der Freundschaft unterschieden: der Lust-Freundschaft, der Nutzen-Freundschaft und der Tugend-Freundschaft.
Unter der Nutzen-Freundschaft habe Aristoteles die politische Freundschaft verstanden. "Die wertet Aristoteles nicht so sehr ab, sondern sagt, die wird in der polis auch gebraucht." Der römische Poltiker Cicero dagegen habe das anders gesehen und Cäsar vorgeworfen, dass er Freundschaften als "Mittel zur Zerstörung der Republik" betrieben habe. "Er betrachtete die Nutzen-Freundschaft extrem kritisch", so Münkler.

KGB-Mann mit Hintergedanken

Auch mit Blick auf die Freundschaft von Schröder und Putin müsse man von einer "hochproblematischen Sache" sprechen. Der SPD-Politiker habe offenbar nicht verstanden, dass Putin auf der Klaviatur von Freundschaft sehr gut zu spielen wisse, so Münkler. Der Präsident habe diese Nutzen-Freundschaft benutzt, während Schröder das offenbar für eine echte Freundschaft gehalten habe.
"Jemandem, der im KGB großgeworden ist, muss man viel stärker unterstellen, dass er das ganze mit sehr viel Hintergedanken betrieben hat von Beginn an, und dass es ihm hervorragend gelungen ist", sagt Münkler unter Hinweis auf die Geheimdiensttätigkeit des russischen Präsidenten. "Putin ist ein sehr strategisch denkender Politiker und hat wahrscheinlich ganz wenige Freundschaften, die man als ernste Freundschaften bezeichnen kann."

Demokratische Politikerfreundschaften

Es gebe einen Unterschied zwischen politischen Freundschaften in demokratischen Verhältnissen oder in autoritären Systemen. Die Buchautorin sieht deshalb die Politikerfreundschaft des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt zum damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing als etwas anderes an.
"Ich glaube, dass man bei der politischen Freundschaft immer so ein bisschen mit angezogener Handbremse umgehen muss und sich immer nochmal überlegen muss, was man bereit ist, zu tun", sagt sie. Das habe Cicero auch über die Tugend-Freundschaft gesagt, die für ihn auch eine politische Dimension gehabt habe. Cicero habe immer gesagt: "Du kannst vieles für Deinen Freund tun, Du kannst auch Dinge tun, die vielleicht grenzwertig sind, aber tu' nie irgendwas, was gegen die Republik gerichtet ist." Das seien fast schon hilflose Appelle gewesen, weil bereits Cicero gewusst habe, dass Freundschaft in der Politik eben meist anders funktioniere.
(gem)

Marina Münkler: Gespräche über Freundschaft. Die Konstitution persönlicher Nahbeziehungen bei Platon, Cicero und Aelred von Rievaulx
Wallstein Verlag 2022
240 Seiten, 19,90 Euro.

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