Marina Naprushkina: Neue Heimat? Wie Flüchtlinge uns zu besseren Nachbarn machen
Europa Verlag, Berlin 2015
200 Seiten, 16,99 Euro
Geflüchtete Frauen bewältigen den Alltag besser
Die Künstlerin Marina Naprushkina gründete 2013 eine Nachbarschaftsinitiative, die Flüchtlingen Hilfe bietet. In "Neue Heimat? Wie Flüchtlinge uns zu besseren Nachbarn machen" gewährt sie uns einen tiefen Einblick in den Alltag vieler Flüchtlinge.
Marina Naprushkina, Jahrgang 1981, ist Künstlerin und Aktivistin, Sie kam für ihr Studium vor zwölf Jahren aus Weißrussland nach Deutschland: Zunächst nach Karlsruhe, dann nach Frankfurt am Main. Heute lebt sie als erfolgreiche, international ausgestellte Künstlerin in Berlin. 2013 gründete sie die Nachbarschaftsinitiative "Neue Nachbarschaft", die Flüchtlingen im Alltag Hilfe leistet. Ihre Erfahrungen hat sie in ihrem Buch "Neue Heimat? – Wie Flüchtlinge uns zu bessren Nachbarn machen" festgehalten.
Darin schildert sie sehr nüchtern und eindringlich den harschen Alltag in Flüchtlingsunterkünften. Sie erzählt von ihrer tagtäglichen Arbeit mit geflüchteten Menschen aus zum Beispiel Tschetschenien und vom Balkan, Menschen, die traumatisiert sind und sich ein neues Leben in Deutschland erhoffen.
Schnell bekommt man einen sehr plastischen Einblick in den mühevollen und zähem Alltag vieler dieser Menschen, die einfach warten – auf Papiere, auf eine neue Unterkunft, auf ein Verfahren, auf die Abschiebung oder die Unterbringung ihrer Kinder in Schulen und Kitas. Naprushkina hat dabei beobachtet, dass es in der Regel die Frauen sind, mit denen sie den Alltag versucht, zu bewältigen.
Leid lässt sich nur erahnen
Viele geflüchtete Männer finden sich in ihrem neuen Alltag wenig zurecht, da ihre Rolle als klassische Versorger nun nicht mehr gegeben ist. Manche versinken in Lethargie, Depression, greifen zum Alkohol oder anderen Drogen. Nur andeutungsweise erfährt man, was diese Menschen in ihren Herkunftsländern alles erleiden mussten und was sie letztlich zur Flucht brachte. Anhand der Reaktionen der Menschen bei Ämtern, bei Ärzten kann man manches Mal erahnen, dass sie schlechte Erfahrungen mit staatlichen Einrichtungen gemacht haben müssen.
Marina Naprushkinas Initiative erfreut sich großer Beliebtheit – nicht nur bei geflüchteten Menschen, sondern auch bei den vielen Freiwilligen, die stetig mehr werden. Das Gefühl, aktiv zu werden, gefällt vielen, und gleichzeitig profitiert jeder Helfer, jede Helferin, in dem er oder sie viel lernt: über Alltagsrassismus, über Strukturen und Behörden, über andere Länder.