Andalusiens Tradition verinnerlicht
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Federico García Lorca gehört zu den Großen spanischen Künstlern. Gitarrist Marc Ribot und die Sängerin Mariola Membrives haben seine Lieder mit "Lorca. Spanish Songs" neu produziert: schlicht und vielfarbig, und auch irgendwie archaisch.
Mariola Membrives schwärmt: "Als Andalusierin, als Künstlerin, als Frau, als Mensch überhaupt bin ich zutiefst dankbar dafür, dass die Geschichte eine solch große Genialität hervorgebracht hat, wie die von Lorca. Sie durchdringt, wie ich finde, sein Werk und seine Person. Von Symbolkraft für alle Spanier – auch durch die Tragik seines frühen Todes, genauer gesagt seiner Ermordung. Und weil man niemals seinen Körper fand. Damit steht er auch für all die vielen Opfer des Franquismo. Aus all dem entstand sein Mythos. Und für die Andalusier kommen Lorcas Texte vielleicht sogar noch vor Andalusien selbst. So, als wären sie ohne ihn gar nicht geboren worden."
Federico García Lorca war zudem ein leidenschaftlicher Sammler und Bewahrer spanischer Volkslieder. Eins jener aufgelesenen, von ihm neu arrangierten Weisen ist diese "Nana de Sevilla", die er samt elf weiterer Lieder 1931 auf fünf Schellackplatten bannte. Darauf begleitet Lorca die zu jener Zeit sehr populäre argentinisch-spanische Sängerin und Tänzerin La Argentinita am Piano.
Angezogen von einem Blues-Titel
Anstelle seines vergleichsweise leichtfüßigen Tastenspiels erklingen in jenem traurigen Wiegenlied nun, fast 90 Jahre später, gemeinsam aufgenommen in New York Marc Ribots schwere, teils heulende, elektrifizierte Gitarrenklänge auf dem Album "Lorca. Spanish Songs". Überaus reizvoll und suggestiv der Kontrast zu Mariola Membrives hellem, mitunter fast kindlich-verspielt anmutenden und doch charaktervollen Gesang.
"Ich weiß um Marcs riesiges Talent und seinen Werdegang. Doch es war seine Interpretation eines Blues' von Blind Willie Johnson, die mir das Herz brach: 'Dark was the night', wo seine Atmung, einfach alles bei ihm, nach Blues klingt, etwas Wahres hat, es an nichts fehlt. Jemand hatte mir mal gesagt: 'Du solltest es mal mit ihm versuchen, wo du doch gerne mal mit ihm Musik machen würdest, oder?!' Und ich: 'Oh, ja. Ich möchte zu diesem Sound singen.' Es war mir nicht ganz klar, was genau, aber ich wollte etwas Leichteres, Sanfteres kontrastieren mit diesem dreckigen, nein, mehr noch puren, ehrlichen, brutalen und einzigartigen Sound, der so viel Charisma und Persönlichkeit hat."
Mariola Membrives, eine Allroundkünstlerin
In Sachen Charisma muss sich Mariola Membrives bei aller Bescheidenheit jedoch keinesfalls verstecken. Die in Córdoba aufgewachsene Künstlerin ging zum Flamenco- und Jazzstudieren nach Barcelona. Von beiden Musikkulturen sowie der Folklore Spaniens beeinflusst, möchte sie sich gar nicht auf eine Richtung festlegen, etwa sich als Flamencosängerin kategorisieren lassen.
Heute ist sie in unterschiedlichsten musikalischen Genres und Kontexten aktiv, aktuell etwa mit der Theatergruppe La Fura dels Baus. Und immer wieder geriet die Sängerin und Schauspielerin durch Projekte verstärkt in Lorcas Nähe.
"Durch das sehr dramatische Gewicht in meiner Arbeit in letzter Zeit wollte ich in jene leichtgewichtige Kindheit zurückkehren, zu diesen Liedern, die ich bei uns zuhause hörte, gesungen von meiner Mutter und Großmutter. Die Melodien sind von jeher verankert in der spanischen Folklore, die Lorca so sehr liebte. Mit der Aufnahme von ihm und La Argentinita als Vehikel wollte ich musikalisch auch ein wenig so vorgehen: einfach und fein. Und so zu einem Teil von mir gelangen, jenem kleinen Mädchen, das die Lieder hört und sie spielerisch wiederholt. Federicos Arrangements sind nicht aufdringlich oder eitel, respektieren die Folklore, ihre Leichtigkeit, den spanischen Klang, den Tanz. Und so wollte ich ganz ehrlich damit umgehen, es nicht verkomplizieren, intellektualisieren."
Eine Reise ins Unendliche
Bei dieser möglichst organischen Lorca'schen Neulektüre war auch Produzent Daniel García Diego, seines Zeichens exzellenter Jazzpianist, sehr nützlich. Einige der emblematischen Lorca-Lieder, darunter auch "La Tarara" oder "Anda Jaleo", blieben zwar sogar recht nah bei den historischen Arrangements. Und doch nehmen sie bei Membrives und Ribot eine andere, gleichwohl kraftvolle, wie intim fragile Gestalt an.
Gerade das Intime, das Essenzielle mache den Dialog im Duo aus, meint die Andalusierin, die schon ihr Debütalbum zuvor in diesem Minimalformat aufnahm, mit dem japanischen Bassisten Masa Kamaguchi. Für sie wie eine Reise ins Unendliche.