Mark Elder leitet das DSO Berlin

Umbruchswelten

Der Dirigent Mark Elder
Der Dirigent Mark Elder © Benjamin Ealovega/DSO Berlin
Maurice Ravels Klavierkonzert in G mit Louis Lortie, Rachmaninows Sinfonische Tänze und Frederick Delius' "Sea Rift" mit Roderick Williams und dem Rundfunkchor - das DSO Berlin bietet unter der Leitung von Mark Elder Großes und Besonderes.
1903, 1929 und 1940 sind die Entstehungsjahre der Werke dieses Konzertprogramms, sie sind Momentaufnahmen einer Welt im Umbruch, gespalten zwischen nostalgischer Rückbesinnung und skeptischer Aneignung der urbanen Moderne.
Walt-Whitman-Texte spielten schon beim jüngsten Programm der Berliner Philharmoniker (hier im Konzert im Deutschlandradio Kultur am 23.3. zu hören) eine Rolle, und nun tauchen sie wieder auf im Werk "Sea Drift" von Frederick Delius, diesmal in einem Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin.
Das gewichtige chorsinfonische Stück – beim englischen Dirigenten Mark Elder in kompetenten Händen – spielt 1903, als die technische wie ästhetische Moderne schon auf dem Sprung war, noch einmal auf der romantischen Klaviatur des Zusammenklingens von seelischen Stimmungen und Naturerleben. In melancholischer Majestät ziehen die ewigen Fragen von Liebe, Verlust und der Möglichkeit eines vielleicht dennoch tröstlichen Ausgangs auf.
Ähnlich ins Vergangene rückblickend, doch wesentlich illusionsloser, erstellt Sergej Rachmaninow 1940 mit seinen "Sinfonischen Tänzen" die Schlussrechnung eines zu guten Teilen im Exil verbrachten Lebens. Dieses Leben hatte erfüllende Momente, doch am Ende standen Einsamkeit und Tod – unzweideutig beglaubigt durch die apokalyptische "Dies irae"-Sequenz im abschließenden Tanz, den letzten vollendeten Takten des russischen Komponisten.
Deutlich anders als Delius und Rachmaninow näherte sich Maurice Ravel in seinem Klavierkonzert von 1929 den modernen Zeiten: Er nimmt sie prinzipiell aufgeschlossen, sportiv und manchmal sogar revuehaft, wenn auch mit stirnrunzelnd-nüchterner Skepsis. Vom trockenen Peitschenhieb des Auftakts bis zum maschinenhaft voranstürzenden Geschwindigkeitsrausch des Finales werden Bilder urbaner Mobilität beschworen, zwischen deren hektischem Gedränge Gedanken an Sorgen, Vergänglichkeit und Tod möglichst keinen Platz mehr finden sollen. Jazz- und Blues-Intonationen verarbeiten dabei die Klangeindrücke einer viermonatigen USA-Tournee. Der Pianist Louis Lortie, ein Spezialist für die klassische Moderne, dürfte sich als Solist des Abends in seinem Element fühlen.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 24. März 2017
Frederick Delius
"Sea Drift" für Bariton, Chor und Orchester
Maurice Ravel
Konzert für Klavier und Orchester G-Dur
Sergej Rachmaninow
"Symphonische Tänze" für Orchester op. 45

Roderick Williams, Bariton
Louis Lortie, Klavier
Rundfunkchor Berlin
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Sir Mark Elder