Mark Fisher: "K-Punk"

Aufregende Pop-Dystopie

07:08 Minuten
Trauer um den Popkritiker Mark Fisher: Facebook-Post von "Repeater Books", in dessen Team Fisher mitgearbeitet hat.
Mark Fisher starb im Januar 2017. © Screenshot "Repeater Books"
Von Hartwig Vens |
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Ein Blog als Buch: Die gesammelten Postings des Poptheoretikers Mark Fisher sind auf 800 Seiten Papier zu haben. Es ist eine Chronik des Zusammendenkens von Pop und digitalem Kapitalismus.
Vor ziemlich genau zwei Jahren schockte der Suizid von Mark Fisher die Popwelt. Fisher war vieles: Philosoph und Kulturwissenschaftler, Musikjournalist und Blogger, linksradikaler Aktivist und Verlagsgründer - jedenfalls einer der wichtigsten Popkulturdenker dieses Jahrhunderts. Sein Kollege Simon Reynolds bezeichnet ihn in seinem Vorwort als "schlicht der beste Musikschreiber seiner Generation".
Vier Bücher hat Mark Fisher geschrieben, alle nicht besonders umfangreich - aber umso einflussreicher. Jetzt ist in Englisch ein ganz dickes herausgekommen: K-Punk - "die gesammelten und unveröffentlichten Schriften Mark Fishers" ist 800 Seiten stark. Es ist sein Blog "k-punk", so gut wie komplett aus dem Internet gezogen, in Sparten sortiert - also Musik, Literatur, Kino, Politik, philosophische Reflektionen um einige Magazintexte von ihm angereichert - und auf den Buchmarkt gebracht. Getan hat das sein Verlag Repaeter-Books, den Mark Fisher selbst mitgegründet hat.
k-punk hatte Mark Fisher Anfang der Nuller-Jahre begonnen - auch aus Frust über das akademische Millieu, seinen Formalismus und die sterilen Texte. k-punk wurde schnell zum Drehkreuz der speziellen britischen Pop-Blogosphäre, in der sich Anfang der Nullerjahre auch so einflussreiche Menschen wie Musikjournalist Simon Reynolds, Architekturkritiker Owen Heatherley oder Afrofuturismus-Vordenker Kodow Eshun herumtrieben und die einen Pop-Diskurs herorgebracht hat, wie es ihn in der Qualität seit großen Tagen von NME und Meldy Maker in den frühen 80ern nicht mehr gegeben hatte.

Neoliberalismus ohne Ausweg

Ein Blog als Buch ist eigentlich widersinnig. Es ist ja als Work-in-progress oder Logbuch zum Bildschirmlesen geschrieben. Gedanken, Feststellungen, Begriffe wiederholen sich öfters, andererseits kann kann hier Fishers Auseinandersetzungen mit Politik und Kultur von 2005 bis zum Brexit nachvollziehen.
Markant an Fisher ist, dass er Popkultur immer in Verbindung mit dem aktuellen Kapitalismus reflektiert hat. Vor allem, was die Auswirkungen des Neoliberalismus auf die Psychostruktur der Menschen hat. Sein erstes Buch, mit dem er auch über Großbritannien hinaus bekannt hieß "Kapitalistischer Realismus", und der Begriff und die anhängende Analyse durchzieht das Buch von vorne bis hinten. Der Realismus, den Fisher hier mein, entspricht einer Depression, in der man sich nichts anderes mehr vorstellen kann als das, was ist. "Es ist einfacher, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus" zitiert Fisher den Kulturwissenschaflter Frederic Jameson - oder Margaret Thatcher: "There is no Alternative". Heraus kommt die "boring Dystopia", die für Fisher unserer Gegenwart kennzeichnet.

Wurzeln in Futurismus und Clubkultur

Dabei gab es mal eine aufregende Dystopie. Ja, gibt es. In den 90er-Jahren war Mark Fisher an der Uni Warwick Mitgründer des berüchtigten "Cybernetic Cultural Research Unit" . Zusammen mit anderen futuristischen Denkern wie den Philosophen Nick Land, dem besagten Kodwo Eshun oder Steve Goodman alias Code Nine, Gründer der einflussreichen Bassmusik-Labels und Autor des eines Buches über "Sonic Warfare", den Schall-Krieg also.
Und auch das "k" in "k-punk" kommt von Cyber – es bezieht sich auf die Wurzeln dieses Wortes das griechische "kuber". "k-punk" steht für "Cyberpunk", eine Strömung aus der Science Fiction Literatur, in deren Tradition Filme wie Blade Runner oder Terminator oder The Matrix stehen – also düstere Zukunftsphantasien. Auf diesem Acker hat die Ccru ihre Theorie gepflanzt, ber das war in den 90ern. Seither hat der Kapitalistische Realismus sich das Netz und die Technologien angeeignet. Digitalisierung und ihre vormaligen Verheißungen sind auf die Regentschaft der Timelines und Push-Meldungen eingeschrumpft, die die Silicon-Valley-Plattformen auf unsere Smartphones schicken. - Und die Kultur hat dadurch eine Innovationskrise. Prekär, sozial unsicher, latent von Existenzängsten heimgesucht und von Smartphones konditioniert haben die Menschen den Kopf nicht frei für ganz neue Entwürfe. Und das ist nun wirklich nicht das, was sie Fisher und seine Kolleginnen vom Ccru sich von Computer-Technologie und -Kultur erhofft hatten.

Optimismus trotz Gegenwarts-Starre

Trotz aller Negativität war Fisher bis zu seinem Tod ein Zukunftsgläubiger, er war wie viele seiner späteren Mitblogger berauscht von Rave-Kultur als die Innovationsschübe im britischen Club-Undergrund mit Jungle, Drum&Bass, Garage-House und Dubstep kein Ende nahmen. - Mark Fisher fand nur das radikal Neueste und Vorwärtstreibende in der Popmusik und außerhalb interessant. Und was in dem Buch, das soviel Negatives feststellt dann immer wieder fast plötzlich um die Ecke kommt ist sein Optimismus, fast schon Prophetismus, der fast ein bisschen größenwahnsinnig ist, so als könnte er die Verdammten dieser Erde direkt zur Revolution inspirieren.

Man versteht hier nicht recht wie das gehen soll. Wo doch alle Zeichen darauf stehen, dass nach dem Kapitalismus eher Faschismus kommt und viele Leute autoritäre Lösungen befürworten. Aber für Mark Fisher als radikaler Modernist kommt trotz allem eben immer noch was Neues hinter der nächsten Ecke.
Als popkultureller Gegenwartsdiagnostiker kommt keiner bis jetzt an Mark Fisher heran. Es gibt keine Analyse unserer Kultur im Sinne unser zivilisatorischen Lage die dermaßen triftig ist und Sätze produziert, die sofort geflügelt Wörter werden können. Das faszinierende sind immer wieder die geradezu akrobatischen Bögen, die Fisher zwischen Pop und Blockbuster-Produkten, Psychotechnik und digitaler Technologie im postmodernen Kulturkapitalismus spannt.
Vieles wiederholt sich, man kann Einträge überschlagen, es ist ja ein Blog. Man muss Englisch lesen. Aber es lohnt sich. Sehr.

Mark Fisher: K-Punk
Repeater, 500 Seiten
26,69 Euro

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