Mark Mazower: Griechenland unter Hitler
Das Leben während der deutschen Besatzung 1941-1944
Aus dem Englischen von Anne Emmert, Jörn Pinnow und Ursel Schäfer
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2016
528 Seiten, 29,99 Euro
Geschichte eines verwundeten und traumatisierten Landes
Der britische Historiker Mark Mazower arbeitet das schwierige Verhältnis der Griechen zu Deutschland auf. Er vollzieht nach, was geschah, nachdem die Wehrmacht in Griechenland einmarschiert war und spart auch ein dunkles Kapitel der Briten nicht aus.
Griechenland und Deutschland – das ist nicht nur heute, im Zeichen von Finanz- und Schuldenkrise, eine heikle Beziehung, es ist auch eine historisch schwer belastete. Der britische Historiker Mark Mazower, Jahrgang 1958, liefert die Hintergrunddarstellung zum deutsch-griechischen Trauma: "Griechenland unter Hitler – Das Leben während der deutschen Besatzung 1941-1944".
Zwar spielte Griechenland in Hitlers Kolonisierungsplänen keine Rolle. Aber die Wehrmacht marschierte in Griechenland ein, nachdem Mussolini 1941 dort mit seinem eigenen Versuch eines Blitzkriegs an der effektiven griechischen Gegenwehr gescheitert war. Mit den Italienern und Bulgaren teilten die Deutschen das Land in Besatzungszonen auf.
Versorgungskrise und Hungersnot
Die Plünderungspolitik der deutschen Besatzer, die Lebensmittel und andere Güter für die Besatzungstruppen und den Russlandfeldzug herauspressten, ohne die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, führte zusammen mit dem Kollaps der Vorkriegsordnung und einer allgemeinen strukturellen Desorganisation des Landes zu einer drastischen Versorgungskrise und Hungersnot. Sie forderte etwa 200.000 Tote bis 1943.
Kaum erstaunlich, dass die Desillusionierung über die Deutschen schneller und tiefgreifender verlief als in anderen besetzten Ländern. Immer mehr Menschen traten der EAM/ELAS bei, der kommunistischen Widerstandsbewegung.
Im Kampf mit den Partisanen entwickelte die Wehrmacht eine brutale Strategie der Vergeltung, bei der über tausend Dörfer zerstört und mitunter Hunderte von Menschen in Massakern ermordet wurden. Zwischen Kämpfern und Zivilisten wurde dabei immer weniger unterschieden, das "Konzept individueller Schuld praktisch aufgegeben".
Im Einsatz von Terror und "Todesschwadronen" sieht Mazower bereits die Züge asymmetrischer Guerillakriege, wie sie später in vielen Teilen der Welt geführt werden. Angst war allgegenwärtig: sowohl unter den Dorfbewohnern wie unter den deutschen Soldaten, die jederzeit mit Überraschungsangriffen rechnen mussten. Das Griechenstereotyp wandelte sich vom "edlen Hellenen" zum "fanatischen Balkanbewohner".
Viele Perspektiven abgedeckt
Mazower hat in zahlreichen Archiven geforscht; seine Darstellung deckt viele Aspekte und Perspektiven ab. Griechen und Deutsche, Politiker und Bürger, Soldaten und Zivilisten, Widerstandskämpfer und Bauern, Massenmörder und Verfolgte – sie alle, ihre Taten, Leiden und Erfahrungen, kommen im Buch zur Sprache, so dass ein überaus facettenreiches Bild der Besatzungszeit entsteht. Vor allem geht es Mazower darum, die Risse aufzuzeigen, die durch die griechische Gesellschaft selbst gingen.
Denn der Kalte Krieg begann 1944 in Athen. Es geschah etwas, das im Zweiten Weltkrieg einzigartig war: Nach der Befreiung Griechenlands von den Deutschen kämpften nun die Engländer gegen die Widerstandsbewegung, weil sie eine kommunistische Machtergreifung befürchteten und Griechenland eine von Stalin zugestandene britische Einflusszone war.
Sie unterstützten die rechtsgerichteten Milizen der "Sicherheitsbataillone", die zuvor vielfach Kollaborateure der Nazis gewesen waren und vertieften somit die Spaltung der Gesellschaft, mit der Konsequenz eines jahrelangen Bürgerkriegs. Das Buch des britischen Historikers widmet sich am Ende auch diesem dunklen Kapitel der eigenen Geschichte.