Mark Pieth: "Goldwäsche. Die schmutzigen Geheimnisse des Goldhandels"
Salis-Verlag, Zürich 2019
304 Seiten, 24,00 Euro
Schmutzige Geheimnisse des Goldhandels
06:58 Minuten
Geldwäsche ist schlimm, Goldwäsche noch mehr. Der Strafrechtler Mark Pieth hat sich mit jenen Aspekten des Edelmetalls befasst, die man ihm als Verkörperung von Reichtum nicht mehr ansieht. Sein Urteil: Am Gold klebt immer Blut.
Der mutmaßlich "dreckigste Ort der Welt" ist die Minenstadt La Rinconada im Grenzland von Südperu und Bolivien unweit des Titicacasees. Auf mehr als 5000 Meter Höhe hausen dort Zehntausende Menschen. Ohne Abfallbeseitigung: Kilometerlang türmen sich zerfetzte Plastiksäcke zu Abfallbergen. Ohne Abwasserversorgung: Das Trinkwasser ist quecksilberverseucht. La Rinconada stinkt buchstäblich zum Himmel.
Die Minenarbeiter erhalten keinen Lohn und sind nicht versichert. Wie Sklaven schuften sie 28 Tage lang für die Minenbetreiber. Anschließend dürfen sie dann zwei Tage für sich schürfen und behalten, was sie dabei an Gold zutage fördern.
In einem Becken stehen sie auf einem Felsbrocken und wippen hin und her, um die darunterliegenden Steine zu zerkleinern. Dann gießen sie Quecksilber, das sie zuvor in Tassen an einer Bude gekauft haben, in einen Eimer und rühren mit den bloßen Händen den Schotter, bis die ausgebrochenen Goldkörnchen mit dem Quecksilber amalgamieren.
Die so entstandenen Klumpen werden danach zu Werkstätten gebracht, wo Frauen das Quecksilber mit Lötbrennern abdampfen. Die Luft ist deshalb quecksilbergeschwängert. Wenn es regnet oder schneit, liegt das Quecksilber auf dem Boden und schwimmt in den offenen Abwasserläufen.
"Frauen, insbesondere aus armen ländlichen Gegenden Boliviens und Perus, werden unter falschen Versprechungen in die Minencamps gelockt, wo ihnen die Ausweise abgenommen werden und sie sich unter Zwang prostituieren müssen", sagt der Baseler Strafrechtsprofessor Mark Pieth. "Studien gehen davon aus, dass allein von 60.000 Bewohnern von La Rinconada bis zu 4.000 Zwangsprostituierte sind." Über die Hälfte dieser Mädchen sollen minderjährig sein, einzelne sogar nur zwölfJahre alt. Sie seien extrem exponiert und würden oftmals zu Opfern von Gewalttaten.
Die Goldgewinnung vergiftet Menschen und Umwelt
"Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles", heißt es im Faust. Und Goethe fügte weise hinzu: "Ach wir Armen." Denn bei der Goldgewinnung werden Mensch und Umwelt vergiftet; die Menschen ausgebeutet und versklavt. Der Regenwald wird unwiederbringlich zerstört. Wie zum Beispiel in Madre de Dios am Amazonas, wo beim Goldabbau der Regenwald großflächig abgeholzt wird. Illegal – von kriminellen Organisationen.
Das Buch "Goldwäsche – die schmutzigen Geheimnisse des Goldhandels" von Pieth beschäftigt sich ausführlich mit den Problemen der Goldgewinnung, seiner Produktion in Raffinerien und den weltumspannenden Handelsketten. Das ernüchternde Fazit des Autors: Es gibt so gut wie kein "sauberes Gold", kein Gold, an dem nicht außer Schweiß und Tränen auch Blut klebt. Selbst wiederaufbereitetes Altgold aus scheinbar ehrwürdiger Herkunft ist irgendwann einmal unter den fragwürdigsten Bedingungen gefördert, eingeschmolzen und verhökert worden.
Pieth erinnert daran, dass Kolumbus, der ursprünglich nur neue Handelswege finden wollte, mit Perlen und Gold aus der neuen Welt zurückkehrte und damit die Gier des Königs weckte. Damit wechselte das Paradigma vom Handel zur Eroberung. "Conquista" bedeutet Eroberung.
"Francisco Pizarro soll sich mit seinen etwas mehr als 100 kranken und müden Fußsoldaten und 62 Reitern 80.000 Inkakriegern gegenübergesehen haben", sagt Pieth. "Schließlich täuschte er den Inkaherrscher Atahualpa mit dem Angebot einer freundlichen Begegnung, sperrte ihn ein und schlachtete sein Gefolge ab." Was sich auch immer in Wahrheit zugetragen habe, in der Folgezeit seien riesige Mengen an Gold, Silber und Edelsteinen geplündert worden. "Es wird geschätzt, dass in diesem Zeitraum 185 Tonnen Gold und 16.000 Tonnen Silber in Sevilla angekommen sind. Ein Fünftel der Beute – 'el quinto' – gehörte dem König."
Seitdem hat sich nicht viel gebessert. In den großen Minen in Afrika und Lateinamerika schuften Erwachsene, Jugendliche und Kinder. Wo nicht mehr das giftige Quecksilber zur Amalgamierung eingesetzt wird, benutzt man nun das hochgiftige Cyanid. Allerdings wird Cyanid langfristig durch Sauerstoff und Sonnenlicht zersetzt. Jahr für Jahr kommen etwa 4500 Tonnen Gold auf den Weltmarkt. Ein Viertel davon stammt aus wiederaufbereitetem Altgold. Der Rest ist neu geschürft.
Die Schweiz als Profiteur des Goldhandels
Pieth schreibt anschaulich. Zahlreiche Fotos illustrieren seine Beschreibungen. Der Eingang zu einer Goldmine in Burkina Faso beispielsweise besteht nur aus einem Loch im Sand. Halbnackte Arbeiter schleppen das Gestein in Jutesäcken nach oben. Weit und breit kein Baum und kein Schatten.
Im zweiten Teil des Buches plädiert der Autor, der im Hauptberuf Jurist und Professor für Strafrecht ist, für verantwortungsvolle Lieferketten und internationale Regeln und Standards. Dies liest sich dann deutlich weniger anschaulich. Das liegt natürlich an der trockenen juristischen Materie, die Pieth ausbreitet. Immerhin fällt sein Urteil auch hier engagiert und eindeutig aus.
Das meiste Gold wird in der Schweiz raffiniert und weiterverarbeitet. Größenordnung: 100 Milliarden Schweizer Franken. Die kleine Schweiz ist im Goldhandel eine Weltmacht, schreibt Pieth. Die internationalen Handelsstandards aber glichen einem Schweizer Käse, "weich und voller Löcher". Einem Land, das geschäftsmäßig in der obersten Liga mitspielt, sei auch zuzumuten, sich entsprechend intensiv für den Schutz der Menschenrechte einzusetzen.