Markenschutzrechte nicht ausreichend gegen Produktpiraterie
Rainer Glatz, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Produkt- und Know-how-Schutz, bezweifelt, dass China künftig wirksamer gegen Produktpiraterie vorgeht. Er rät, die Produkte mittels bestimmter Farbpigmente oder "intelligenter Stoffe" zu markieren, um so leichter Originalteile von Fälschungen zu unterscheiden.
André Hatting: 26. April, das ist weltweit Tag des geistigen Eigentums. Und wenn Ihnen jetzt wie mir zuerst der Streit zwischen der Verwertungsgesellschaft GEMA und YouTube einfällt, dann liegt es sicher an unserer Alltagserfahrung. Aber nicht nur Künstler, auch die Wirtschaft leidet unter dem Missbrauch geistigen Eigentums. Durch Produktpiraterie verlieren deutsche Firmen jedes Jahr Milliarden Euro. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau geht davon aus, dass seine Branche das allein im vergangenen Jahr fast acht Milliarden Euro Umsatz gekostet hat. Der Verband versucht, sich zu wehren, unter anderem mit protect-ing. Das ist eine Arbeitsgemeinschaft zum Produkt- und Know-how-Schutz. Geschäftsführer ist Rainer Glatz, guten Morgen, Herr Glatz!
Rainer Glatz: Schönen guten Morgen!
Hatting: Acht Milliarden Euro Umsatzeinbuße 2011, das ist ganz schön viel! Wie schaffen das die Produktpiraten?
Glatz: Ja, das Problem ist, dass gerade der deutsche Maschinen- und Anlagenbau sehr exportorientiert ist, weltweit, über 70 Prozent der Produkte gehen ins Ausland. Und gerade die großen Märkte wie China sind natürlich daran interessiert, auch an den deutschen Vorteilen und Produkten zu partizipieren. Und von daher ist auch China das Land, wo die meisten Plagiate herkommen. Man kann trotzdem auch sagen, die deutschen Unternehmen plagiieren auch, etwa um die 26 Prozent der Plagiate fallen auch in Deutschland auf.
Hatting: Das ist weniger bekannt, aber bleiben wir trotzdem mal beim Beispiel China: Die müssen ja irgendwie an die Informationen kommen, damit sie diese Anlagen nachbauen können. Wie schaffen die das?
Glatz: Ja, die Produkte werden in China verkauft. Die Fabriken werden immer mehr mit deutscher Technologie ausgerüstet und von daher haben sie die Produkte letztendlich vor Ort. Und dann werden die Produkte einfach eins zu eins kopiert. Das geht so weit, dass Fehler kopiert werden, falsche Schriftzüge kopiert werden oder dass man Marken so leicht fälscht, dass man einige Buchstaben vertauscht oder ein bisschen die Farbe abändert und letztendlich den Eindruck erweckt, als wäre es ein Original.
Hatting: Welche Unternehmen sind da besonders anfällig, die kleineren, die größeren, alle gleichermaßen?
Glatz: Nein, wenn wir die Unternehmensstruktur betrachten, kann man sagen, Unternehmen über 1000 Mitarbeiter, da sind neun von zehn betroffen. Das ist klar, weil die großen Unternehmen natürlich weltweit auch lange schon in den Märkten aktiv sind. Aber auch die kleineren Unternehmen, etwas über 50 Prozent dieser Unternehmen werden auch plagiiert, wissen das natürlich in vielen Fällen nicht, und von daher ist das ein Problem für alle Unternehmen. Und wenn ich alleine unsere Branche betrachte, sind etwa zwei Drittel der Unternehmen betroffen.
Hatting: Warum, Herr Glatz, ist das besonders in China so einfach? Gibt es da keine Rechtsvorschriften, keine Regeln, die das verhindern?
Glatz: Es ist so, die deutschen Unternehmen versuchen sich natürlich, über Patente, Markenschutzrechte und so weiter zu schützen. Das Problem ist, das Recht allein reicht nicht aus, ein Recht muss man auch durchsetzen können. Und das ist natürlich im asiatischen Raum, in China, schwieriger. Obwohl hier bei der Eröffnung der Hannover Messe der Premier gesagt hat, er will sich um das Thema stärker kümmern. Das Problem ist natürlich, das durchzusetzen in der Breite.
Und selbst, wenn ich das Recht habe und ich habe lange Prozesse, habe ich in der Zwischenzeit das Problem Imageverlust, Umsatzverlust. Das Problem, was wir feststellen, dass immer häufiger auch Rückmeldungen kommen von Kunden, ja, das Produkt hat Qualitätsmängel, funktioniert nicht richtig, und erst über die Analyse stellt man fest, dass das gar nicht ein Originalteil ist, sondern ein Plagiat.
Und wenn Sie sich das vorstellen im privaten Bereich, dass Sie – meinetwegen mal auf einen anderen Bereich, aufs Auto zu gehen – Bremsscheiben irgendwo einkaufen und das sind keine Originalteile, dann geht es auch durchaus in Sicherheitsbereiche, wo auch Leib und Leben gefährdet ist.
Hatting: Sie haben das Versprechen der chinesischen Staatsführung angesprochen, haben aber auch gleichzeitig durchblicken lassen, dass Sie da so ein bisschen skeptisch sind. Welche Möglichkeiten haben denn die Firmen, welche Methoden gibt es, um diese Form der Produktpiraterie in Zukunft besser zu vermeiden?
Glatz: Also, wir haben da einen anderen Ansatz gewählt gerade in unserer Arbeitsgemeinschaft protect-ing. Der Ansatz ist, unsere Ingenieure entwickeln tolle, innovative Maschinen und wir möchten die Firmen, die Konstrukteure so weit bringen zu sagen, ja, wir entwickeln nicht nur Produkte, sondern wir entwickeln auch den Schutz gegen Produktpiraterie. Also, die Grundidee ist sozusagen, wir erschweren es einfach, Produkte nachzubauen. Und da gibt es mittlerweile hoch interessante Technologien, die die Firmen einsetzen können.
Hatting: Wie erschwert man das, diesen Nachbau?
Glatz: Es gibt eine Technologie, die relativ weit schon verbreitet ist, ist, dass die Produkte gekennzeichnet werden, markiert werden. Das geht so weit, dass in meinetwegen Kunststoffe irgendwelche intelligenten Stoffe eingebracht werden wie so DNA-Codes oder irgendwelche Farbpigmente, wo man jederzeit feststellen kann, ob es ein Originalteil oder irgendwo ein Plagiat ist, bis hin zu Bereichen – was ja auch sehr wichtig ist, die Intelligenz in den Maschinen ist meistens über Software repräsentiert –, dass man Software nicht kopieren kann und dass von daher an verschiedensten Stellen Möglichkeiten geschaffen werden, ja, der Nachbau wird erschwert. Dann wird es auch unattraktiver für die Plagiateure, und in der Richtung versuchen die Firmen, gegenzuhalten.
Aber es ist irgendwie so ein Hase-Igel-Spiel: Wie man das auch klassisch im Internet oder bei den Computern kennt, kommen wieder neue Schutzmaßnahmen, kommen wieder neue Angriffe. Und so spielt sich das immer hin und her.
Hatting: Jetzt haben wir viel über den Nachbau von Anlagen gesprochen. Welche Rolle spielt eigentlich der Geheimnisverrat, wenn also Informationen von eigenen Mitarbeitern weitergegeben werden?
Glatz: Also, das ist bei uns das ganze Thema des Know-how-Schutzes. Und da muss man sagen, das ist noch kritischer, weil, man kann nicht so richtig feststellen, wie das Know-how aus dem Unternehmen fließt. Und wir ermutigen die Firmen, erst mal herauszufinden, was ist eigentlich ihr Kernwissen. Wir sprechen auch gerne von den Kronjuwelen des Unternehmens, also wirklich Geheimnisse, die wirklich nicht nach außen dringen müssen. Und von daher versuchen auch die Unternehmen, irgendwelche Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen, Aufklärungsmaßnahmen zu betreiben, zu sagen, also, wenn dieses Wissen nach außen geht, dann ist eigentlich uns die Existenzbasis entzogen.
Hatting: Ist der zufriedene Mitarbeiter der wirksamste Schutz gegen Industriespionage?
Glatz: Man kann generell sagen, dass eigentlich der Mitarbeiter der wirksamste Schutz ist. Jeder einzelne, über alle Hierarchieebenen, wenn da ein Bewusstsein da ist: Letztendlich sichert auch dieses Know-how meinen Arbeitsplatz. Dann werden die auch ganz anders mit dem Thema Information umgehen, dann sprechen sie nicht meinetwegen im Bus oder in der U-Bahn über neueste Entwicklungen, nehmen ihre Daten überall mit auf ihrem Handy, benutzen dann auch entsprechende Sicherheitsmechanismen, E-Mails oder diese Sachen werden verschlüsselt, und versuchen auch, immer wieder herauszufinden, mit wem arbeite ich zusammen, wer sind meine Partner, wer sind meine Gesprächspartner.
Hatting: Deutsche Firmen verlieren jährlich Milliarden durch Produktpiraterie und Industriespionage. Zum Tag des geistigen Eigentums sprach ich mit Rainer Glatz, er ist Geschäftsführer einer AG zum Produkt- und Know-how-Schutz des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Glatz!
Glatz: Ich habe zu danken!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Rainer Glatz: Schönen guten Morgen!
Hatting: Acht Milliarden Euro Umsatzeinbuße 2011, das ist ganz schön viel! Wie schaffen das die Produktpiraten?
Glatz: Ja, das Problem ist, dass gerade der deutsche Maschinen- und Anlagenbau sehr exportorientiert ist, weltweit, über 70 Prozent der Produkte gehen ins Ausland. Und gerade die großen Märkte wie China sind natürlich daran interessiert, auch an den deutschen Vorteilen und Produkten zu partizipieren. Und von daher ist auch China das Land, wo die meisten Plagiate herkommen. Man kann trotzdem auch sagen, die deutschen Unternehmen plagiieren auch, etwa um die 26 Prozent der Plagiate fallen auch in Deutschland auf.
Hatting: Das ist weniger bekannt, aber bleiben wir trotzdem mal beim Beispiel China: Die müssen ja irgendwie an die Informationen kommen, damit sie diese Anlagen nachbauen können. Wie schaffen die das?
Glatz: Ja, die Produkte werden in China verkauft. Die Fabriken werden immer mehr mit deutscher Technologie ausgerüstet und von daher haben sie die Produkte letztendlich vor Ort. Und dann werden die Produkte einfach eins zu eins kopiert. Das geht so weit, dass Fehler kopiert werden, falsche Schriftzüge kopiert werden oder dass man Marken so leicht fälscht, dass man einige Buchstaben vertauscht oder ein bisschen die Farbe abändert und letztendlich den Eindruck erweckt, als wäre es ein Original.
Hatting: Welche Unternehmen sind da besonders anfällig, die kleineren, die größeren, alle gleichermaßen?
Glatz: Nein, wenn wir die Unternehmensstruktur betrachten, kann man sagen, Unternehmen über 1000 Mitarbeiter, da sind neun von zehn betroffen. Das ist klar, weil die großen Unternehmen natürlich weltweit auch lange schon in den Märkten aktiv sind. Aber auch die kleineren Unternehmen, etwas über 50 Prozent dieser Unternehmen werden auch plagiiert, wissen das natürlich in vielen Fällen nicht, und von daher ist das ein Problem für alle Unternehmen. Und wenn ich alleine unsere Branche betrachte, sind etwa zwei Drittel der Unternehmen betroffen.
Hatting: Warum, Herr Glatz, ist das besonders in China so einfach? Gibt es da keine Rechtsvorschriften, keine Regeln, die das verhindern?
Glatz: Es ist so, die deutschen Unternehmen versuchen sich natürlich, über Patente, Markenschutzrechte und so weiter zu schützen. Das Problem ist, das Recht allein reicht nicht aus, ein Recht muss man auch durchsetzen können. Und das ist natürlich im asiatischen Raum, in China, schwieriger. Obwohl hier bei der Eröffnung der Hannover Messe der Premier gesagt hat, er will sich um das Thema stärker kümmern. Das Problem ist natürlich, das durchzusetzen in der Breite.
Und selbst, wenn ich das Recht habe und ich habe lange Prozesse, habe ich in der Zwischenzeit das Problem Imageverlust, Umsatzverlust. Das Problem, was wir feststellen, dass immer häufiger auch Rückmeldungen kommen von Kunden, ja, das Produkt hat Qualitätsmängel, funktioniert nicht richtig, und erst über die Analyse stellt man fest, dass das gar nicht ein Originalteil ist, sondern ein Plagiat.
Und wenn Sie sich das vorstellen im privaten Bereich, dass Sie – meinetwegen mal auf einen anderen Bereich, aufs Auto zu gehen – Bremsscheiben irgendwo einkaufen und das sind keine Originalteile, dann geht es auch durchaus in Sicherheitsbereiche, wo auch Leib und Leben gefährdet ist.
Hatting: Sie haben das Versprechen der chinesischen Staatsführung angesprochen, haben aber auch gleichzeitig durchblicken lassen, dass Sie da so ein bisschen skeptisch sind. Welche Möglichkeiten haben denn die Firmen, welche Methoden gibt es, um diese Form der Produktpiraterie in Zukunft besser zu vermeiden?
Glatz: Also, wir haben da einen anderen Ansatz gewählt gerade in unserer Arbeitsgemeinschaft protect-ing. Der Ansatz ist, unsere Ingenieure entwickeln tolle, innovative Maschinen und wir möchten die Firmen, die Konstrukteure so weit bringen zu sagen, ja, wir entwickeln nicht nur Produkte, sondern wir entwickeln auch den Schutz gegen Produktpiraterie. Also, die Grundidee ist sozusagen, wir erschweren es einfach, Produkte nachzubauen. Und da gibt es mittlerweile hoch interessante Technologien, die die Firmen einsetzen können.
Hatting: Wie erschwert man das, diesen Nachbau?
Glatz: Es gibt eine Technologie, die relativ weit schon verbreitet ist, ist, dass die Produkte gekennzeichnet werden, markiert werden. Das geht so weit, dass in meinetwegen Kunststoffe irgendwelche intelligenten Stoffe eingebracht werden wie so DNA-Codes oder irgendwelche Farbpigmente, wo man jederzeit feststellen kann, ob es ein Originalteil oder irgendwo ein Plagiat ist, bis hin zu Bereichen – was ja auch sehr wichtig ist, die Intelligenz in den Maschinen ist meistens über Software repräsentiert –, dass man Software nicht kopieren kann und dass von daher an verschiedensten Stellen Möglichkeiten geschaffen werden, ja, der Nachbau wird erschwert. Dann wird es auch unattraktiver für die Plagiateure, und in der Richtung versuchen die Firmen, gegenzuhalten.
Aber es ist irgendwie so ein Hase-Igel-Spiel: Wie man das auch klassisch im Internet oder bei den Computern kennt, kommen wieder neue Schutzmaßnahmen, kommen wieder neue Angriffe. Und so spielt sich das immer hin und her.
Hatting: Jetzt haben wir viel über den Nachbau von Anlagen gesprochen. Welche Rolle spielt eigentlich der Geheimnisverrat, wenn also Informationen von eigenen Mitarbeitern weitergegeben werden?
Glatz: Also, das ist bei uns das ganze Thema des Know-how-Schutzes. Und da muss man sagen, das ist noch kritischer, weil, man kann nicht so richtig feststellen, wie das Know-how aus dem Unternehmen fließt. Und wir ermutigen die Firmen, erst mal herauszufinden, was ist eigentlich ihr Kernwissen. Wir sprechen auch gerne von den Kronjuwelen des Unternehmens, also wirklich Geheimnisse, die wirklich nicht nach außen dringen müssen. Und von daher versuchen auch die Unternehmen, irgendwelche Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen, Aufklärungsmaßnahmen zu betreiben, zu sagen, also, wenn dieses Wissen nach außen geht, dann ist eigentlich uns die Existenzbasis entzogen.
Hatting: Ist der zufriedene Mitarbeiter der wirksamste Schutz gegen Industriespionage?
Glatz: Man kann generell sagen, dass eigentlich der Mitarbeiter der wirksamste Schutz ist. Jeder einzelne, über alle Hierarchieebenen, wenn da ein Bewusstsein da ist: Letztendlich sichert auch dieses Know-how meinen Arbeitsplatz. Dann werden die auch ganz anders mit dem Thema Information umgehen, dann sprechen sie nicht meinetwegen im Bus oder in der U-Bahn über neueste Entwicklungen, nehmen ihre Daten überall mit auf ihrem Handy, benutzen dann auch entsprechende Sicherheitsmechanismen, E-Mails oder diese Sachen werden verschlüsselt, und versuchen auch, immer wieder herauszufinden, mit wem arbeite ich zusammen, wer sind meine Partner, wer sind meine Gesprächspartner.
Hatting: Deutsche Firmen verlieren jährlich Milliarden durch Produktpiraterie und Industriespionage. Zum Tag des geistigen Eigentums sprach ich mit Rainer Glatz, er ist Geschäftsführer einer AG zum Produkt- und Know-how-Schutz des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Glatz!
Glatz: Ich habe zu danken!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.