Marko Martin: "Die verdrängte Zeit. Vom Verschwinden und Entdecken der Kultur des Ostens"
Tropen Verlag, Stuttgart 2020
426 Seiten, 24 Euro
Das kulturelle Erbe der DDR
11:36 Minuten
"Vom Verschwinden und Entdecken der Kultur des Ostens": Davon erzählt Marko Martin in "Die verdrängte Zeit". Ohne kanonischen Anspruch rekapituliert er Literatur, Musik und Kino der DDR und lädt ein, das kulturelle Erbe neu zu entdecken.
"Die Wiederentdeckung der ostdeutschen Avantgarde" – so kündigt der Verlag das neue Buch von Marko Martin an. Der Autor selbst formuliert seinen Anspruch bescheidener: Als "unideologische Lust an Neugierde, vergessene Bücher, Songs, Filme wieder ins Gedächtnis zurückzubringen und zwar ohne dieses ostalgisch Auftrumpfende, aber auch ohne dieses süffisant im Nachhinein Abwertende".
Martin, selbst in der DDR aufgewachsen, verließ sie im Mai 1989 und kehrte im Sommer 1990 zurück, um ihrem Ende beizuwohnen. Mit seinem Buch "Die verdrängte Zeit. Vom Verschwinden und Entdecken der Kultur des Ostens" habe er nicht die Absicht gehabt, eine Gegen- oder Alternativgeschichte zu schreiben.
Und so entdeckt er die Literatur, Musik und Filme der DDR neu: die Romane von Jurek Becker, Jürgen Fuchs und Liselotte Welskopf-Henrich, die Gedichte von Sarah Kirsch und Inge Müller. Außerdem empfiehlt Marko Filme wie "Wenn du groß bist, lieber Adam", der 1965 verboten und erst 1990 in einer rekonstruierten Fassung gezeigt wurde.
Heterogener Osten voller Differenzen
Gerahmt wird sein Buch durch eine Begegnung mit Freunden und Bekannten verschiedener Generationen an einem Berliner See. Martin erkannte dabei: "Den Osten" habe es nicht gegeben, die DDR sei heterogen gewesen, voller Brüche und Differenzen.
"Für mich war es wichtig, eine andere Perspektive aufzuzeigen", erklärt er. Die Werke stellten dar, wie die DDR funktionierte – als "vermurkster Staat" und "neurotische, traumatisierte und traumatisierende Gesellschaft".
"Ein Blick zurück in Genauigkeit könnte uns auch heute helfen, nicht in diese Nostalgie zu verfallen", so Martin, "aber auch gleichzeitig der Falle einer Ignoranz zu entkommen, die sagt: Es gab damals gar nichts. Es gab nämlich sehr viel."
(leg)