Marko Martin: "Die letzten Tage von Hongkong"
Tropen Verlag, 2021
320 Seiten, 22 Euro
Marko Martin: "Die letzten Tage von Hongkong"
Die gelben Schirmen des Protestes: Symbol für die Demokratiebewegung und den Widerstand gegen die Regierung iin Peking. © picture alliance / AP Photo
Abschied von einer Insel der Freiheit
12:43 Minuten
Hongkong hat sich stets selbstbewusst von China abgegrenzt. Doch im Windschatten von Corona hat die chinesische Regierung die Demokratiebewegung zerschlagen. Marko Martin hat Hongkong kurz vorher besucht und ein Buch über seine Eindrücke geschrieben.
Marko Martin ist ein Weltenbummler – im wahrsten Sinne des Wortes: Er nimmt sich Zeit für Orte und ihre Bewohnerinnen und Bewohner.
Darüber hat er verschiedene Bücher im Stil von Reisetagebüchern oder Reisereportagen geschrieben, unter anderem über Tel Aviv, Havanna und San Salvador. Immer sehr persönlich und meistens an ein „Du“ gerichtet – an seinen Lebenspartner, der ihn auf seinen Reisen begleitet hat.
Für sein jüngstes Buch, „Die letzten Tage von Honkong“, hat er seine Eindrücke vom Jahreswechsel 2019/2020 niedergeschrieben, den er mit seinem Partner auf der Insel verbrachte. Er hat die „Sonderzone Hongkong“ schon oft besucht und sie als einen Hort der Freiheit kennengelernt. Der Ausnahmecharakter dieser an sich kleinen Stadt habe ihn „angefixt“, schwärmt Martin.
In den Sexclub - zum Reden
Zusammen mit seinem Lebensgefährten streifte er nun erneut durch die für ihn faszinierende Stadt. „Das waren die letzten Tage des freien Hongkong – doch das wussten wir natürlich nicht“, sagt er rückblickend. Denn bald danach würde China – im Windschatten der Coronapandemie – „blank ziehen“ und einige Monate später junge Regimekritiker, darunter den Kopf der Protestbewegung, Joshua Wong, inhaftieren.
Vieles ist beim Silvesterbesuch in Hongkong schon spürbar anders: Die Angst vor neuen Repressionen gegen die Demokratiebewegung ist allgegenwärtig, Taxifahrer berichten Martin und seinem Partner ungefragt von spontanen Rettungsaktionen für die protestierenden Studierenden, um diese vor der Verhaftung zu bewahren.
Junge Festlandchinesen besuchen Hongkonger Sexclubs – nicht so sehr oder nicht nur, um Sex zu haben, sondern vor allem, um dort ungestört und offen reden zu können. Martin nimmt an einer Demonstration teil, spricht auch mit Joshua Wong.
Solidarität und Freiheitsdrang
„Solche Begegnungen haben immer wieder stattgefunden – ohne dass man dafür recherchieren musste oder danach gesucht hat, sondern das ist auf uns eingeströmt“, sagt der Autor, und man spürt, wie sehr ihn die Solidarität der Menschen untereinander und ihr Freiheitsdrang beeindrucken.
Beim Schreiben habe er bewusst viel mit Assoziationen gearbeitet, Bezüge zu anderen Orten hergestellt, die er schon besucht habe, beim Schreiben „Haken geschlagen“ und die gerade Linie verlassen.
Martin will damit „diesem erinnerungslosen Narrativ der Diktaturen, das nur eine historische Linie zieht, der man dann folgen muss“ etwas entgegensetzen, wie er betont. Er kenne dieses Diktaturen-Narrativ selbst nur zu gut. Der Schriftsteller wuchs im sächsischen Burgstädt auf und verließ die damalige DDR wenige Monate vor dem Mauerfall.