Marode Schulgebäude

Sanierung und Neubau seit Jahrzehnten verschlafen

07:28 Minuten
In einem Klassenzimmer steht ein Maler auf der Leiter und streicht die Wand.
Großbaustelle Schule: Um zeitgemäßes Lernen in Teams zu ermöglichen, brauche es mehr als einen neuen Anstrich, sagt der Verwaltungswissenschaftler Rainer Schweppe. © picture alliance / Joker / Paul Eckenroth
Rainer Schweppe im Gespräch mit Ute Welty · 15.08.2022
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Sanierung und Neubau von Schulen seien jahrzehntelang vernachlässigt worden, sagt der ehemalige Stadtschulrat Rainer Schweppe. Mit fatalen Folgen: Fast überall fehlten nun geeignete Räume für zeitgemäßes Lernen im Ganztagsbetrieb.
Nach den Sommerferien öffnen die Schulen derzeit wieder ihre Pforten. Vielerorts betreten die Schüler marode Gebäude, weil jahrelang zu wenig saniert wurde. Aktuelle Zahlen der Kreditanstalt für Wiederaufbau schätzen den Sanierungsstau in deutschen Schulen auf mehr als 45 Milliarden Euro. Der tatsächliche Bedarf könnte noch weit höher liegen, sagt Rainer Schweppe, Verwaltungswissenschaftler und ehemaliger Stadtschulrat von München.

Geteilte Zuständigkeit, miserable Zustände

Sanierungen deshalb aufzuschieben, wäre jedoch ein großer Fehler, warnt Schweppe: Es sei davon auszugehen, dass die Kosten wegen der allgemeinen Preissteigerung und einer hohen Inflationsrate von Jahr zu Jahr noch anwachsen werden. Hinzu komme eine ungünstige Zinsentwicklung.
Dasselbe gelte für den Neubau von Schulen, der ebenfalls dringend erforderlich sei, sagt Schweppe: Voraussichtlich müsse man "an die 20 Prozent jedes Jahr mehr in die Hand nehmen, wenn man den Schulbau verschiebt."
Eine Ursache für die Misere sieht Schweppe in der geteilten Zuständigkeit der Behörden: Die Verantwortung für das Schulwesen liege bei den Ländern, für die Schulgebäude seien aber meist die Kommunen zuständig. Beide Seiten hätten "die Schulen jahrzehntelang vernachlässigt", während der Zuzug von Menschen in die Städte anstieg und die Geburtenrate zugenommen hat. Nun komme "das Aufwachen sehr spät", so Schweppe.

Räume für neues Lernen

Beim Bau neuer Schulen komme es darauf an, für veränderte pädagogische Konzepte entsprechende Räume zu schaffen, betont Schweppe. Die erste Schulbauwelle habe die Backsteinbauten der Kaiserzeit hervorgebracht, in der zweiten entstanden die Gemeinschaftsschulen der 1970er-Jahre. Beide Bauformen seien noch auf die Halbtagsschule eingerichtet und würden den gegenwärtigen Anforderungen nicht gerecht.
Heute brauche es Räume für individuelle Förderung, für den flexiblen Wechsel zwischen kleinen oder großen Gruppen, und für die Arbeit von Schülerinnen und Schülern in eigenständigen Teams.

Mehr Verantwortung füreinander

"Das können Sie in einem Klassenraum mit 30 Schülern auf 60 Quadratmetern einfach nicht leisten", sagt Schweppe. In Herford und München hat er dafür das Konzept der Schule als Lernhaus entwickelt. Weitere Städte haben es inzwischen aufgegriffen.
Die Kombination verschiedener Unterrichts- und Lernformen im Ganztagsbetrieb ermögliche auch eine andere Art von Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schülern, sagt Schweppe: "Man fühlt sich mehr füreinander verantwortlich, und das führt häufig auch zu besseren Noten."
(fka)

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