Martín Caparrós: "Väterland"
Aus dem Spanischen von Carsten Regling
Wagenbach Verlag, Berlin 2020
284 Seiten, 22 Euro
Fußball, Tango und Literatur
05:12 Minuten
Ein angehender Tangodichter gerät in Schwierigkeiten: In "Väterland" zeichnet Autor Martín Caparrós ein buntes Bild vom Buenos Aires der 30er-Jahre und erschafft so eine unterhaltsame Satire, die gelungen mit argentinischen Klischees spielt.
In diesem Roman kommt alles vor, was Argentinien so argentinisch macht: Fußball und Tango, Rinderbarone und Dichter, Anarchisten und Rechtsextremisten. Der bekannte Journalist und Schriftsteller Martín Caparrós, der neben einigen Romanen auch große Reportagen und Essays geschrieben hat, spielt in diesem Buch mit historischen und trivialen Klischees.
Er tut das mit einer großen Portion Ironie, sowohl im Hinblick auf die Handlung, die einem Roman Noir nachempfunden ist, als auch bei seinem den Protagonisten: Der junge Andrea Rivarola, der sich lieber spanisch als Andrés vorstellt und von Freunden zärtlich Pibe (Kleiner) genannt wird, ist das ganze Gegenteil eines Helden. Aus unangenehmen Angelegenheiten hält er sich lieber heraus, Politik interessiert ihn genauso wenig wie geregelte Arbeit, und wenn alles zu kompliziert wird, bleibt er im Bett oder fährt zu seiner Mutter in den Vorort, wo es immer etwas zu essen gibt. Eigentlich träumt er davon, Tangodichter zu werden, aber weil er immer Geld braucht, gerät er an die falschen Leute – und in Schwierigkeiten.
Knallbunte Nebenfiguren
Als Verursacher dieser Schwierigkeiten hat sich Caparrós herrlich trashige, satirisch überzeichnete Nebenfiguren ausgedacht – solche wie den Schlachthofbesitzer Don Manuel Cuitino, der nicht nur an toten Rindern, sondern auch am Erfolg seines Fußballclubs River Plate interessiert ist, und an den sich Rivarola nur wendet, weil ein guter Freund, der mit Koks handelt, noch Geld von dem berühmten Fußballer Bernabé zu bekommen hat, der leider untergetaucht ist, weshalb ein anderer guter Freund, ein zynischer Journalist, Rivarola dort hin schickt.
Man merkt, welchen Spaß es dem Autor gemacht hat, diese Gestalten ihrem jeweiligen Umfeld zu schildern, vor allem den fetten Cuitino mit seinen irren Monologen beim Aufspießen riesiger Portionen Bries. Und das ist nur der Anfang.
Bloßstellung eines Großdichters
Den Fußballer Bernabé hat es wirklich gegeben: Er war einer der ersten Stars, für die ein Club ein Vermögen bezahlt hat – der Beginn des kommerziellen Fußballs. Auch andere Figuren sind der Realität entnommen: In der Umgebung der schönen jüdischen Dichterin Raquel Gleizer, die den kleinen Rivarola ständig ihre intellektuelle Überlegenheit fühlen lässt, treiben sich die ehrgeizigen Jungdichter Georgie Borges und Adolfo Bioy herum, die aber keiner ernst nimmt. Rivarola verabscheut seinen Rivalen Borges so sehr, dass er einen Tango über ihn schreibt, einen tiefempfunden Schmähgesang, der gnadenlos die (aus der Sekundärliteratur wohlbekannten) Schwächen des späteren Großdichters bloßstellt.
Es geht in diesem Jahr 1933 natürlich auch um Politik, auch in Argentinien sind die Rechtsextremisten auf dem Vormarsch. Mit ihnen bekommt es Rivarola genauso zu tun, wie mit ihren Gegenspielern, den militanten Anarcho-Syndikalisten.
Und weil in einem Roman Noir die Leiche nicht fehlen darf, gibt es auch hier eine: jung, schön und sehr verdorben, Zwillingsschwester einer Nonne und Tochter eines Faschistenführers. Auf diese Weise fängt Caparrós das Zeitalter des Tangos ein: als unterhaltsame, satirische, dabei sehr emotionale Feier argentinischer Mythen.