Martin Roth verlässt Londoner Victoria and Albert Museum

"Ich möchte mich einfach politisch wieder mehr engagieren"

Martin Roth aufgenommen am 25.11.2010 im Museum of Islamic Art (MIA) in Doha.
Martin Roth verlässt das V&A-Museum in London. © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Von Friedbert Meurer |
Fünf Jahre lang stand Martin Roth an der Spitze des Londoner Victoria and Albert Museums. Nun wurde bekannt, dass der Deutsche den prestigeträchtigen Job aufgeben will. Ein Motiv ist tatsächlich: der Brexit. "Das Anti-Europäische nimmt hier täglich zu", sagt Roth.
Martin Roth ist ein stets perfekt mit Schlips und Anzug gekleidete Museumsdirektor. Er, der Deutsche, hat sich einmal verwundert darüber gezeigt, wie nachlässig der Kleidungsstil mancher Briten geworden sei. Das ist aber noch das Geringste, wovon der gebürtige Schwabe enttäuscht ist. Martin Roth meint wörtlich: "Die Zeit für nette Ausstellungen ist vorbei. Das Anti-Europäische nimmt hier täglich zu."
"Das Schlimmste, zumindest so wie ich es sehe, ist die Tatsache, dass wir einfach eine unglaubliche negative Tonlage bekommen haben. Europa hat jahrzehntelang Hoffnung und Zusammenhalt und Solidarität gebracht, zumindest haben wir uns das erhofft. Dann ist jetzt die Rhetorik negativ, dann ist die Rhetorik Zerfall, dann ist die Rhetorik Schaden, dann ist die Rhetorik Abspaltung."

Enttäuscht vom Engagement der Kulturschaffenden

Roth merkt man die Enttäuschung darüber an, dass sich vor dem Referendum die Kulturschaffenden auf der Insel wenig oder erst sehr spät gegen den Brexit eingesetzt hatten. Was die Kunst- und Kulturwelt darüber hinaus unternimmt, so Roth, um europaweit gegen die politischen Bedrohungen gegenzuhalten, sei erbärmlich. Möglicherweise sei das Europa, an das er immer noch glaube, schon längst nicht mehr existent.

Hören Sie auch unser "Fazit"-Gespräch mit dem Journalisten und Kunstmarktexperten Stefan Koldehoff über die Hintergründe des Rücktritts von Martin Roth als Museumsdirektor des Victoria and Albert Museums.

Martin Roth will den Brexit nicht als Hauptgrund für seinen Weggang bezeichnen – eher liefen nach fünf Jahren die Dinge rund um das V&A Museum, wie es kurz genannt wird, einfach so gut, dass die Zeit zum Abschied gekommen sei.
"Wir haben gottseidank, glaube ich, das Richtige gemacht, und sehr viel Unterstützung gehabt aus der Bevölkerung und von den Trustees. Wir haben Glück gehabt mit den Projekten. Ganz ehrlich: Ich weiß nicht was ich noch besser machen könnte."
Nur einmal stand Roth in der Kritik, als das Victoria & Albert-Museum ein Angebot ablehnte, die Handtaschen, Kostüme oder Schmuckstücke der früheren Premierministerin Margret Thatcher zu kaufen. Ansonsten stieg das V&A unter seiner Führung zum "Museum des Jahres 2016" auf. Ausstellungen wie die über David Bowie oder den Modedesigner Alexander McQueen kamen bei Publikum und Kritik an. Nächstes Jahr öffnet eine Schau über die britische Rockband Pink Floyd.

Neue Aufgabe in auswärtiger Kulturpolitik

In zwei Jahren expandiert das Victoria & Albert Museum mit einem Neubau nach Dundee in Schottland – und 2022 mit einen Museum für das digitale Zeitalter in den Londoner Olympiapark. Für umgerechnet 60 Millionen Euro wird gerade der Haupteingang nahe des Hyde Parks neugestaltet mit einer zusätzlichen Ausstellungsfläche.
Für Martin Roths politischen Ansatz steht die Schau "Objekte des Ungehorsams" oder jetzt ab kommenden Samstag über Revolution und 60er-Jahre.
"Ich möchte mich einfach politisch wieder mehr engagieren und nicht in tagelangen Sitzungen aufgefressen werden."
Politisch und pro-europäisch ausfüllen will er seine neue Aufgabe als Präsident des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart. Es ist aber nur ein Ehrenamt im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik. Reich geworden ist Martin Roth übrigens in London trotz Spitzenjobs eher nicht. Angesichts der astronomisch hohen Mieten sei sein Top-Posten als Direktor des V&A letztlich sogar ein Zuschussgeschäft gewesen
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