Martin Sheen über echte und fiktive US-Präsidenten

"Die Menschen suchten nach Inspiration und Orientierung"

11:13 Minuten
Martin Sheen steht als Präsident Josiah Bartlet in 'The West Wing' vor einem Rednerpult und zeigt auf jemanden in der Menge.
Als fiktiver US-Präsident sorgte der Schauspieler Martin Sheen in der Serie "The West Wing" für Politik-Begeisterung. © dpa / Photoshot
Stefan Stuckmann im Gespräch mit Patrick Wellinski |
Audio herunterladen
In "The West Wing" spielte Martin Sheen den idealen US-Präsidenten. In einer Diskussion kurz vor der Amtseinführung Joe Bidens sprach der Schauspieler über die Vorbildfunktion von Politik – und darüber, wie eine Polit-Serie heute aussehen müsste.
1999 begann beim US-Fernsehsender NBC eine Fernsehserie, die bis heute als Höhepunkt der Polit-Unterhaltung gilt: Aaron Sorkins "The West Wing". Die Serie habe den heutigen Serienboom damals mit begründet, sagt TV-Autor Stefan Stuckmann.
Sieben Staffeln und 156 Episoden lang erzählte die Serie von dem politischen Alltag der demokratischen Regierung unter dem fiktiven US-Präsidenten Josiah Bartlet. Bis heute gilt vor allem die von Martin Sheen dargestellte Hauptfigur als Sinnbild für eine kluge und empathische Präsidentschaft.
Vielleicht ist es daher kein Zufall, dass Sheen am Vorabend der Amtseinführung von Joe Biden vom bedeutenden Smithsonian Institut eingeladen wurde, um über die Zukunft der US-Politik nach Donald Trump zu sprechen.

Eine Serie über das Gute im Menschen und in der Politik

Denn heute sei es vielleicht genau wieder an der Zeit, eine vergleichbare Serie zu machen, meint Stuckmann, der beim digitalen Treffen mit Sheen dabei war. "Weil dieses Heilende, was dieser Serie innewohnt, oder diese große Rückbesinnung, die diese Serie hat, auf die Ideale der Demokratie und auf das Gute des Menschen, ist eigentlich etwas, nach dem es jetzt wieder eine große Sehnsucht gibt."
Die Figur des fiktiven US-Präsidenten Bartlet funktioniere dabei "total gut als Idealbild des US-Präsidenten, als Inspiration für die Menschen in den USA."
Ähnlich äußerte sich Sheen beim digitalen Treffen des Smithsonian Instituts: "Ich glaube, die Menschen suchten nach Inspiration und Orientierung vom höchsten Amt des Landes. Und obwohl 'West Wing' ein Paralleluniversum war, so hatte es doch eine große Glaubwürdigkeit, weil in gewisser Weise ein idealer Präsident im Amt war. Er war sehr menschlich und verletzlich und poetisch und intelligent und mitfühlend und witzig und er hatte eine großartige Familie. Ich glaube aber auch, dass die Leute auch das Team im Weißen Haus mochten, all die Menschen, die man normalerweise bei einer Regierung nicht sieht, und 'West Wing' hat auch ihnen Respekt gezollt."

Jimmy Carter und Bill Clinton als Vorbilder

Als Vorbilder hätten Sheen bei der Rolle vor allem Bill Clinton und Jimmy Carter gedient. "Jimmy Carter ist sein Amt mit großer Moral und Menschlichkeit angegangen. Jede Entscheidung, die er getroffen hat, hatte einen sehr moralischen und persönlichen Hintergrund. Deswegen wollten wir auch, dass Präsident Bartlet Katholik ist. Auch er sollte einen moralischen Kompass haben. Manchmal musste er auch dagegen angehen. Aber ja, von John F. Kennedy über Bill Clinton bis zu Jimmy Carter, das waren die Vorbilder."
Die Serie habe damals auch bei jüngeren Menschen einen kleinen Boom ausgelöst, die sich entschieden hätten, in die Politik zu gehen oder sich in Regierungsarbeit einzubringen, sagt Stuckmann.

Nachdenken über eine Fortsetzung nach Trump

Wie eine Fortsetzung der Serie heute, nach der Tump-Ära aussehen könnte – und ob sie eine ähnliche Begeisterung auslösen könnte? Da schien sich Sheen nicht ganz sicher zu sein. "Ich habe keine Idee, wie heute eine solche Serie aussehen würde", sagte er beim digitalen Gespräch über die aktuelle US-Politik. "Ich kann mir vorstellen, ein bisschen so wie die neue Regierung von Joe Biden."
Die Serie könnte wiederspiegeln, was im Land los sei, es würde um die Pandemie gehen und um diese schreckliche Spaltung im Land. "Wir müssten anfangen, uns auf die Wahrheit zu verständigen und sie nicht als Multiple Choice betrachten. Es müsste sich etwas ändern. Die Serie müsste reale Probleme angehen. Das wäre eine ziemliche Herausforderung, aber das würde mich interessieren."
(lkn)
Mehr zum Thema