Die Uraufführung von "Sturm und Drang - Geschichte der deutschen Literatur Teil 1" an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin ist für den 3. Juni angesetzt.
Bald spielt er den gealterten Goethe
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Martin Wuttke ist eine Bühnenlegende, als Arturo Ui schrieb er Theatergeschichte. Ab Juni mimt er Goethe in einem Stück zur Geschichte der deutschen Literatur. Nah fühle er sich dem Dichter nicht, so Wuttke: Der sei "doch eher ein unangenehmer Typ".
1995 hat er Theatergeschichte geschrieben, als er in Heiner Müllers Inszenierung von Brechts "Der aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui" die Hauptrolle spielte: Seitdem ist Martin Wuttke selbst zu einer Art Legende geworden, ein Star der Bühne, ein radikal intensiver Schauspieler, Performer, "Tatort"-Kommissar, Tarantino-Darsteller und nicht zuletzt zu einer Volksbühnen-Ikone.
Wuttke in Uraufführung an der Volksbühne
Am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin arbeitet er nun an einer neuen Produktion mit eher sperrigem Titel: „Sturm und Drang – Geschichte der Deutschen Literatur Teil 1“. Regie führt Julien Gosselin, der zum ersten Mal in Deutschland inszeniert und gleich eine ganze Serie anpeilt: In mehreren Teilen, über mehrere Spielzeiten hinweg will der Franzose der deutschen Literaturgeschichte auf den Grund gehen. Im ersten Teil steht der von Wuttke gespielte Goethe im Mittelpunkt, als Vorlage dient Thomas Manns Roman "Lotte in Weimar".
Mit dem alt gewordenen Dichterfürsten könne er sich nicht unbedingt identifizieren, macht der 60-Jährige klar: "Ich fühle mich diesem Goethe gar nicht nah, das ist ein mir äußerst fremder und auch eher unangenehmer Typ." Das übe aber zugleich einen bestimmten Reiz aus, sagt Wuttke. "Das ist eigentlich das, was mich interessiert: Diese Gestalt des deutschen Intellektuellen und der damit verbundene intellektuelle Hochmut, der nicht ungefährlich ist."
Gosselin ist berühmt geworden mit großen langen Bühnencollagen, mit Literaturadaptionen von Michel Houellebecq oder Roberto Bolaño, die zum Teil viele Stunden dauerten. "Erstmal ist er schon sehr der Literatur verbunden", sagt Wuttke über den Regisseur. In die Arbeit würden durchaus noch andere Texte einfließen, aber "es ist nicht so ein Kessel Buntes der deutschen Literatur, sondern er verfolgt schon eine ganz bestimmte Linie".
Neue Regie-Generation mit neuem Stil
Wuttke, der viel mit dem langjährigen Volksbühnen-Intendanten Frank Castorf gearbeitet hat, beobachtet das Gegenwartstheater und hat festgestellt, dass eine neue Regiegeneration heute mit sehr viel mehr Vorsicht und Fingerspitzengefühl inszeniere.
Ist damit das radikale, exzessive Theater am Ende, für das Wuttke als Darsteller steht? "Dass die jungen Regisseure eher tastend vorgehen, finde ich nicht falsch. Vielleicht entwickeln sich daraus andere Radikalitäten, eine andere Form von Kräftigkeit und Selbstbewusstsein", sagt der Dauerbrenner auf der Bühne.
"Ich bin jetzt so lange beim Theater, immer wieder wurde gesagt: Das ist tot oder jenes ist tot", erinnert sich Wuttke: "Es hat sich dann doch immer bewiesen, dass aus dem Absterben einer bestimmten Richtung von Theater, einer bestimmten Wahrnehmung von Theater doch immer wieder etwas ganz Neues, auch Erfrischendes und durchaus Kräftiges entstanden ist."