Marx muss die Uni Leipzig verlassen
Die Universität Leipzig feiert in drei Jahren ihren 600. Geburtstag. Zum Jubiläum soll ein komplett neuer Campus fertig sein. Die alten Gebäude werden abgerissen. Dem ehrgeizigen Bauprojekt muss auch ein gigantisches Kunstwerk weichen. Ein sozialistisches Karl-Marx-Relief. Die Debatte um die Zukunft des Werkes schlägt in Leipzig hohe Wellen.
Leipzig, Augustusplatz. Über dem Haupteingang der Universität hängt seit mehr als 30 Jahren ein gigantisches Relief. In Bronze gegossen schaut Karl Marx von der Wand. Umrahmt von streng dreinblickenden Studenten, die in eine sozialistische Zukunft stürmen. Das Relief mit dem Titel "Aufbruch" ist eine der größten Plastiken der DDR. 100 Quadratmeter Fläche. Gewicht: 33 Tonnen.
Hannes: "Man ist als Student immer durch diese Portalgestaltung durchgelaufen."
Hannes studiert Sportwissenschaften in Leipzig.
Hannes: "Und man hat sich natürlich da immer seine Sachen gedacht. Es steht natürlich für eine gewisse Ideologie. Ganz klar. Ich denke aber trotzdem, dass diese Sache nach wie vor in den Campus am Augustusplatz integriert werden sollte."
Wie viele Studenten macht sich Hannes für den Erhalt des Marx-Reliefs stark, denn es ist bedroht. Der Campus der Universität Leipzig wird neu gebaut, das Hauptgebäude abgerissen. Aus diesem Anlass muss auch Karl Marx weichen. In den kommenden Wochen wird er fachmännisch demontiert. Doch wohin anschließend mit dem Relief? Einlagern, einschmelzen, woanders aufstellen? Leipzig ist tief gespalten.
Erich Loest: "Es gefällt mir überhaupt nicht."
Sagt der Schriftsteller Erich Loest über das Werk. Loest ist Ehrenbürger in Leipzig. Er will das Relief an den Stadtrand verbannen. Dorthin, wo Walter Ulbricht 1968 die Trümmer der gesprengten Leipziger Universitätskirche abladen ließ.
Erich Loest: "Im Geiste von Karl Marx, der klassenkämpferisch Neues wollte, der die Religion hasste, ist damals die bürgerliche Universität, die Kirche gesprengt worden. Das ist marxistischer Geist. Und dort nun, wo die Trümmer liegen, nun das Monument von Marx, in dessen Namen das damals alles 1968 geschehen ist, das hielten wir für eine dialektische Lösung."
Sozialistische Kunst und alter Kirchenbau fänden sich dann gemeinsam vereint. Auf der Müllhalde - wie einige Spötter anmerken.
Erich Loest: "Es ist keine Müllhalde, es ist eine Trümmerhalde. Und die Künstler hassen mich offensichtlich für meinen Vorschlag."
Die Künstler - das sind Frank Ruddigkeit, Rolf Kuhrt und Klaus Schwabe. Sie haben 1970 das Marx-Relief entworfen. Zu dem Auftrag kamen sie über ein Preisausschreiben. Für Schwabe hat die Debatte um sein Werk einen hohen Symbolgehalt. Es gehe um die Frage, wie behandelt ein Volk das Erbe vergangener Epochen.
Klaus Schwabe: "Stellen Sie sich mal vor, in Rom hätte man nach jedem Kaiser, nach jedem Papstwechsel alles besenrein übergeben. Wenn das so wäre, wer würde heute noch nach Rom fahren? Wir müssen einfach lernen, mit unserem Kulturgut, was wir haben, in seiner Umfänglichkeit umgehen zu lernen. Und das mit Achtung vor der Leistung des anderen. Für mich, ich rede um fünf Jahre meines Lebens."
Fünf Jahre - so lange haben Schwabe und seine Kollegen an dem Relief gearbeitet. Es dauerte so lange, weil sie ihr Werk mehrfach umgestalten mussten. Ironie der Geschichte: In ihrem ersten Entwurf war gar kein Marx-Portrait vorgesehen. Den riesigen Kopf in der Mitte der Plastik hat ihnen die Leitung der damaligen Leipziger Karl-Marx-Universität hineinredigiert.
Klaus Schwabe: "Es ist normal, dass ein Auftraggeber seine Forderung stellt. Und die Auftraggeber waren eben so geschaffen, dass unbedingt diese Hausmarke dabei sein sollte. Und wir waren verpflichtet, dieser Sache einen Platz zu geben. Und da hat der Auftraggeber gesagt, aber bitte nicht in die Ecke. Das ist das Zentrum. Und da hat es dann solche Ausmaße bekommen."
Ohne den Marx-Kopf in ihrer Mitte hätte die Plastik vielleicht eine Chance. Aber so will noch nicht einmal das Leipziger Museum für Bildende Künste das Relief aufnehmen. Direktor Hans Werner Schmidt hält nicht viel von Sozialistischem Realismus.
"Das Marx-Relief mit all seinem wohlmeinenden Kämpfern an den Seiten hier vor das Haus zu blenden, wäre auch eine Fehlrichtung. Denn hier im Haus wird nicht so gehandelt und auch nicht gedacht, wie es das Relief nach außen vielleicht vorgeben würde."
Schmidt hat vorgeschlagen, das Relief zu zerlegen, und die Fragmente an verschiedenen Orten Leipzigs aufzustellen. Die Künstler nennen den Museumsdirektor seitdem einen Bilderstürmer. Die Universitätsleitung versucht die Wogen zu glätten. Rektor Franz Häuser hat den Künstlern versprochen, dass sich für ihren Marx ein neuer Platz finden wird. Wo, weiß er allerdings auch nicht. Eine Wiederaufstellung auf dem neuen Campus schließt Häuser kategorisch aus.
Hannes: "Man ist als Student immer durch diese Portalgestaltung durchgelaufen."
Hannes studiert Sportwissenschaften in Leipzig.
Hannes: "Und man hat sich natürlich da immer seine Sachen gedacht. Es steht natürlich für eine gewisse Ideologie. Ganz klar. Ich denke aber trotzdem, dass diese Sache nach wie vor in den Campus am Augustusplatz integriert werden sollte."
Wie viele Studenten macht sich Hannes für den Erhalt des Marx-Reliefs stark, denn es ist bedroht. Der Campus der Universität Leipzig wird neu gebaut, das Hauptgebäude abgerissen. Aus diesem Anlass muss auch Karl Marx weichen. In den kommenden Wochen wird er fachmännisch demontiert. Doch wohin anschließend mit dem Relief? Einlagern, einschmelzen, woanders aufstellen? Leipzig ist tief gespalten.
Erich Loest: "Es gefällt mir überhaupt nicht."
Sagt der Schriftsteller Erich Loest über das Werk. Loest ist Ehrenbürger in Leipzig. Er will das Relief an den Stadtrand verbannen. Dorthin, wo Walter Ulbricht 1968 die Trümmer der gesprengten Leipziger Universitätskirche abladen ließ.
Erich Loest: "Im Geiste von Karl Marx, der klassenkämpferisch Neues wollte, der die Religion hasste, ist damals die bürgerliche Universität, die Kirche gesprengt worden. Das ist marxistischer Geist. Und dort nun, wo die Trümmer liegen, nun das Monument von Marx, in dessen Namen das damals alles 1968 geschehen ist, das hielten wir für eine dialektische Lösung."
Sozialistische Kunst und alter Kirchenbau fänden sich dann gemeinsam vereint. Auf der Müllhalde - wie einige Spötter anmerken.
Erich Loest: "Es ist keine Müllhalde, es ist eine Trümmerhalde. Und die Künstler hassen mich offensichtlich für meinen Vorschlag."
Die Künstler - das sind Frank Ruddigkeit, Rolf Kuhrt und Klaus Schwabe. Sie haben 1970 das Marx-Relief entworfen. Zu dem Auftrag kamen sie über ein Preisausschreiben. Für Schwabe hat die Debatte um sein Werk einen hohen Symbolgehalt. Es gehe um die Frage, wie behandelt ein Volk das Erbe vergangener Epochen.
Klaus Schwabe: "Stellen Sie sich mal vor, in Rom hätte man nach jedem Kaiser, nach jedem Papstwechsel alles besenrein übergeben. Wenn das so wäre, wer würde heute noch nach Rom fahren? Wir müssen einfach lernen, mit unserem Kulturgut, was wir haben, in seiner Umfänglichkeit umgehen zu lernen. Und das mit Achtung vor der Leistung des anderen. Für mich, ich rede um fünf Jahre meines Lebens."
Fünf Jahre - so lange haben Schwabe und seine Kollegen an dem Relief gearbeitet. Es dauerte so lange, weil sie ihr Werk mehrfach umgestalten mussten. Ironie der Geschichte: In ihrem ersten Entwurf war gar kein Marx-Portrait vorgesehen. Den riesigen Kopf in der Mitte der Plastik hat ihnen die Leitung der damaligen Leipziger Karl-Marx-Universität hineinredigiert.
Klaus Schwabe: "Es ist normal, dass ein Auftraggeber seine Forderung stellt. Und die Auftraggeber waren eben so geschaffen, dass unbedingt diese Hausmarke dabei sein sollte. Und wir waren verpflichtet, dieser Sache einen Platz zu geben. Und da hat der Auftraggeber gesagt, aber bitte nicht in die Ecke. Das ist das Zentrum. Und da hat es dann solche Ausmaße bekommen."
Ohne den Marx-Kopf in ihrer Mitte hätte die Plastik vielleicht eine Chance. Aber so will noch nicht einmal das Leipziger Museum für Bildende Künste das Relief aufnehmen. Direktor Hans Werner Schmidt hält nicht viel von Sozialistischem Realismus.
"Das Marx-Relief mit all seinem wohlmeinenden Kämpfern an den Seiten hier vor das Haus zu blenden, wäre auch eine Fehlrichtung. Denn hier im Haus wird nicht so gehandelt und auch nicht gedacht, wie es das Relief nach außen vielleicht vorgeben würde."
Schmidt hat vorgeschlagen, das Relief zu zerlegen, und die Fragmente an verschiedenen Orten Leipzigs aufzustellen. Die Künstler nennen den Museumsdirektor seitdem einen Bilderstürmer. Die Universitätsleitung versucht die Wogen zu glätten. Rektor Franz Häuser hat den Künstlern versprochen, dass sich für ihren Marx ein neuer Platz finden wird. Wo, weiß er allerdings auch nicht. Eine Wiederaufstellung auf dem neuen Campus schließt Häuser kategorisch aus.