Mary Gaitskill: "Bad Behavior. Schlechter Umgang". Storys
Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Hansen
Mit einem Nachwort von Kirsten Roupenian
Blumenbar Verlag, Berlin 2020
256 S., 20 Euro
Das sadistische Grundmuster männlicher Dominanz
05:55 Minuten
Ursprünglich erschienen Mary Gaitskills literarisch raffinierte Storys in den 80ern. Für eine jüngere Generation sind sie noch immer wesentlich: Sie legen die immergleichen Erniedrigungsstrategien im Verhältnis zwischen Männern und Frauen offen.
Obwohl Mary Gaitskills Short Storys "Bad Behavoir" im Original 1988 und 2002 in deutscher Übersetzung ohne größere Resonanz erschienen sind, hat sich der Blumenbar Verlag zu einer Neuauflage entschieden. Wegen der finsteren Verlorenheit der Figuren, wegen der Verhältnisse von Mann und Frau, die es in ihrer Abhängigkeit heute leider immer noch gibt? Oder, um das damalige Verhalten mit den Mustern gut 30 sensibilisierende und frauenkämpferische Jahre später zu vergleichen?
Mary Gaitskill, geboren 1954 in Lexington, Kentucky, beschreibt das Milieu, das sie als Straßenverkäuferin, als Stripperin und Callgirl kennengelernt hat. Ihre knappen, raffinierten und verführerischen Geschichten erzählen vom Blick in den Abgrund.
Zimmer, in denen es nach Sushi riecht
Vielen der Storys, manche davon in der dritten Person erzählt, gelingt es, in den ersten Sätzen ein Unglück als unentrinnbar anzukündigen. Das weibliche Personal verharrt in Schicksalsergebenheit und ist das Gegenüber für die rebellische bis sadistische Energie von Mary Gaitskills männlichem Personal. Beschrieben wird das tägliche Leben in prekären Jobs. Oder die Routinen von nächtlichen Existenzen in fiesen, lauten und heißen Zimmern, in denen es nach Sushi riecht.
Brutalitäten, nicht nach glattem Hollywoodmuster und beinharter Professionalität, sondern in der Absicht erzählt, einen Blick auf Brüchigkeiten und schwache Punkte zu lenken, eröffnen in den Mann-Frau-Beziehungen das Spielfeld. Zynismus und Selbsterkenntnis sind dabei starke Motive und Sätze wie: "Ich hoffe, du bist ein Wüstling", oder Zuschreibungen wie: "Du bist ein Eigenbrödler. Genau wie ich. Wir gehören nirgendwo hin", unterstützt von psychologisierenden Analysen über "zu starke Egos".
Kränkung auf Kränkung
Mary Gaitskill scheint ihre Storys um Beziehungsanalysen herum gebaut zu haben, das Drumherum ist weit weniger wichtig. Ihre Stories sind Geschichten von miserablem Sex und Erniedrigung. Zum Beispiel die Geschichte eines schüchternen Mädchens, das mit einem sadistisch veranlagten Mann zu einem Wochenende aufbricht und von ihm Kränkung nach Kränkung einsteckt. Dann verklärt der Mann seine Grobheit auch noch als Selbstschutz, Selbstschutz gegen das Verlieben.
Fast alle Erzählungen verbindet das sadistische Grundmuster männlicher Dominanz, ob zwischen Chef und Sekretärin, oder zwischen zweien, die sich zufällig auf einer stinklangweiligen Party treffen. Gaitskills Storys sind in den USA von großem Einfluss auf eine jüngere Autorengeneration. Denn sie strotzen vor Anschauungsmaterial über männliche Erniedrigungsstrategien.
Man kann sie als Warnung, sollte sie als Aufforderung zur Veränderung verstehen. Das könnte eine Erklärung für die Neuauflage sein. Mary Gaitskill beherrscht die Kunst der Short Story, auch wenn manches im "Me too"-Zeitalter veraltet und verblasst erscheint, zeigen ihre Geschichten existierende Praktiken zwischen Mann und Frau in Teilen unserer Gesellschaft.