Feminismus:
Zwischen Männerthemen und Frauenhass
"Jetzt reicht es aber mit dem Feminismus!" – Kaum ein Beitrag über Gleichberechtigung oder Sexismus, der nicht von Antifeministen und Rechtspopulisten angegriffen wird. Aber ist jeder, der Kritik an Gleichstellungspolitik übt, ein rechter Frauenhasser?
"Oh ja, Schlagstock ist bei renitenten Weibern immer die beste Wahl."
"Feminismus ist eine Ideologie, die der Frauenbevorzugung, Ausbeutung der Männer und Familienzerstörung dient."
Auszüge aus dem Internet-Forum "Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land?" und "WikiMANNia", einem Online-Nachschlagewerk für Menschen, denen die Debatte um Geschlechtergerechtigkeit offensichtlich zu weit geht.
Männer als Opfer
Seit es Feminismus gibt, gibt es Antifeminismus. Bis in die 60er-Jahre bedeutete das: Der Mann ist der Frau körperlich und psychisch überlegen. Das sei als Maskulinismus bezeichnet worden, erklärt der Soziologe Andreas Kemper. Ein N und ein I weniger hat der Begriff Maskulismus, der etwa seit der Jahrtausendwende benutzt wird. Maskulisten fühlen sich Frauen nicht überlegen, sondern:
"Die argumentieren aus einer opferideologischen Position heraus. Vielleicht war mal der Feminismus berechtigt, aber heute übertreibt es der Feminismus und heute sind nicht mehr die Frauen, sondern heute sind die Männer die Opfer. Und die Männerrechtsbewegung wiederum, das ist quasi dann die praktische Umsetzung der Ideologie des Maskulismus."
Einer der Vordenker der Männerrechtsbewegung ist Arne Hoffmann. Er ist Mitglied der Initiative MANNdat und der Liberalen Männer, einem der FDP nahestehenden Verein. Um eine Feindschaft gegenüber Frauen oder feministischen Bewegungen gehe es ihm nicht, sagt Hoffmann. Für ihn ist ein Maskulist:
"... jemand, dem es darum geht, die Benachteiligung und sozialen Problemlagen, wenn Männer und Jungen davon betroffen sind, anzugehen und zu beseitigen und darauf hinzuwirken, dass eine Politik für beide Geschlechter stattfindet."
Problematische Geschlechterrollen
Ein Beispiel: Gewalt gegenüber Frauen ist ein ernsthaftes Problem. 2016 waren laut Bundeskriminalamt 82 Prozent der Opfer partnerschaftlicher Gewalt weiblich. Die verbleibenden 18 Prozent männlichen Opfer werden oft weder wahr- noch ernstgenommen. Darüber zu sprechen, fällt Betroffenen schwer. Sie haben Angst, dass man ihnen nicht glaubt, oder als Schwächling zu gelten. Anlaufstellen gibt es wenige.
Zu Besuch bei Eilert Bartels, Paar- und Sexualtherapeut in Berlin. Als er anfing, sich mit männlicher Identität zu beschäftigen, hörte er auf, sich Feminist zu nennen. Nicht weil ihm Frauenrechte plötzlich weniger wichtig gewesen wären, sondern weil ihm klar wurde, dass er die Rechte und Menschenwürde von Männern außer Acht gelassen hatte, erzählt er.
"Auch Männer haben verletzliche Anteile, haben zärtliche Anteile, schwache Anteile, empathische Anteile, empfangende Anteile und all das macht Menschsein aus."
Unsere patriarchale Gesellschaft, ist Eilert Bartels überzeugt, zwinge Frauen UND Männer in Geschlechterrollen.
"Es sieht ja auch erstmal so aus, als würden Männer die Profiteure des Patriarchats sein. De facto ist es aber so, dass sie nicht Profiteure sind, sondern wie wir alle Verlierer dieses Systems", sagt Bartels.
Auch Männerrechtler Arne Hoffmann wünscht sich einen differenzierteren Umgang mit dem Begriff Patriarchat:
"... weil er sehr oft den Charakter eines Kampfbegriffes hat. Also im Sinne von: Die Männer unterdrücken die Frauen. Das ist nichts, womit ich wirklich etwas anfangen kann und was ich auch nicht für sinnvoll halte."
Die rechte Ecke
Patriarchat bedeutet Väterherrschaft. Darin kommen zwei Bereiche zusammen, sagt der Soziologe Andreas Kemper: Familie und die Geschlechterposition innerhalb der Familie.
Männer sind mehrheitlich an der Macht und es sollte definitiv mehr Frauen in Spitzenpositionen geben. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch unterprivilegierte Männer gibt.
Das anzusprechen, sei heikel, sagt Männerrechtler Arne Hoffmann. Er stellt fest:
"... dass man, sobald man irgendwie mal die herrschende Geschlechterpolitik hinterfragt, dann auch leicht in eine rechte oder frauenfeindliche Ecke gerückt wird."
Schnittmengen mit NPD und AfD
Tatsächlich gibt es im Maskulismus rechtsextreme Strömungen, erklärt der Soziologe Andreas Kemper.
"Zum Beispiel bei 'Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land?'. Das ist ein ganz altes Forum, das gibt's schon seit 2000, das ist mit der Männerrechtsbewegung in Deutschland entstanden. Und da gibt es ganz deutlich NPD-Positionen. Dazu gehört dann dieses Wiki, WikiMANNia, ein illegaler Internet-Auftritt ohne gültiges Impressum usw."
Maskulistische Tendenzen seien auch bei der Neuen Rechten erkennbar, sagt Kemper. Aber mehr im Sinne eines gewaltverherrlichenden vermeintlich männlichen Körperkultes. Und die AfD? Die sieht vor allem die traditionelle deutsche Familie bedroht. Familismus nennt das die Soziologie:
"Gegen Ehe für alle, gegen Adoptionsrecht für Schwule und Lesben und: Deutschland muss wieder mehr Kinder kriegen."
Trolle haben keine Mehrheit
"Ich wähle seit Jahren grün, hab zwischendurch mit den Linken geliebäugelt. In meinem Leben habe ich irgendwann auch schon mal die CDU gewählt. Also ich bin da genauso wenig festgelegt, wie was das Geschlechterthema angeht", sagt der Paar- und Sexualtherapeut Eilert Bartels, der sich weder als Feminist, noch als Maskulist bezeichnen möchte.
Ein Dilemma: Es braucht Begriffe wie Patriarchat, Feminismus und Maskulismus, um Machtstrukturen analysieren zu können. Gleichzeitig kann das den Blick verengen und Fronten aufmachen. Fest steht: Diejenigen, die auf Seiten wie WikiMANNia und "Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land" ihr Unwesen treiben, haben keine Mehrheit.
Glossar: Wichtige Begriffe im Überblick
ist ein Sammelbegriff für Bewegungen, die sich kritisch mit der herrschenden Geschlechterordnung auseinandersetzen. Ziele sind neben vielen weiteren die (sexuelle) Selbstbestimmung von Frauen, eine Gleichberechtigung aller Geschlechter oder der Kampf gegen Sexismus.
Antifeminismus:
ist ein Sammelbegriff für Bewegungen, die sich gegen Feminismus bzw. gegen einzelne feministische Strömungen wenden. Eine Abgrenzung zu Begriffen wie Frauenfeindlichkeit oder Misogynie ist schwierig, häufig werden sie synonym verwendet. Moderne Erscheinungsformen des Antifeminismus sind laut Soziologe Andreas Kemper Maskulismus und Familismus.
Maskulinismus:
ist eine Form des Antifeminismus, die von einer natürlichen Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau ausgeht und für eine Vorherrschaft des Mannes plädiert. In dieser Form habe sich Antifeminismus bis weit in die 1960er-Jahre hinein dargestellt, sagt der Soziologe Andreas Kemper.
Maskulismus:
ist eine Form des Antifeminismus, die nicht von einer natürlichen Überlegenheit des Mannes ausgeht, sondern den Mann als Opfer in den Blick nimmt. In dieser Form trat er um die Jahrtausendwende zunächst als Internet-Phänomen in Erscheinung. Problematisch an diesem Begriff ist, dass er sowohl für populistisch-antifeministische Strömungen verwendet wird, als auch für moderat-feminismuskritische Strömungen.
Männerbewegung:
ist im Feminismus der 1970er-Jahre entstanden und profeministisch. Ihr geht es um das Aufbrechen eines normativen Geschlechterbildes, das es Männern beispielsweise erschwert, Berührungen oder Emotionen zuzulassen.
Männerrechtsbewegung:
kann als praktische Umsetzung der Ideologie des Maskulismus verstanden werden. Insofern gibt es ähnliche Unschärfen. Während Vertreter wie Arne Hoffmann den Einsatz für Männerrechte nicht mit dem Kampf gegen Feminismus und Frauenrechte gleichgesetzt wissen will, gibt es innerhalb der Männerrechtsbewegung eindeutig frauenfeindliche und rechtsextreme Positionen – etwa auf Seiten wie "Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land?" und WikiMANNia. Auch bei der Identitären Bewegung oder rechten Burschenschaften sind maskuli(ni)stische Tendenzen erkennbar.
Familismus:
ist eine Ausprägung des Antifeminismus, die vor allem die traditionelle Familie durch feministische Bewegungen bedroht sieht. Diese Form finde sich etwa bei der AfD, erklärt der Soziologe Andreas Kemper. Im Parteiprogramm heißt es unter anderem: "[…] die Umsetzung des "Gender-Mainstreaming"-Projekts und die generelle Betonung der Individualität untergraben die Familie als wertegebende gesellschaftliche Grundeinheit."
(luc)
(luc)